Die Vision vom reibungslosen Antrieb – Beschichtung halbiert Energieverluste

Nominiert für den Deutschen Zukunftspreis 2016

Die Nominierten führten ein neuartiges Verfahren ein, um das Kolben- und Zylinderlaufbahnsystem in einem Verbrennungsmotor mit einer sehr robusten und reibungsarmen Schicht zu überziehen. Das senkt die Energieverluste im Motor, verringert dadurch den Kraftstoffverbrauch und die Kohlendioxid-Emissionen von Benzin- und Dieselfahrzeugen und leistet so einen wichtigen Beitrag zur Schonung von Ressourcen und zum Klimaschutz.

Deutscher Zukunftspreis - Team II (Foto: Ansgar Pudenz/DZP)
Foto: Ansgar Pudenz/DZP
  • Dr.-Ing. Patrick Izquierdo, Daimler AG, Ulm (Sprecher des Teams)
  • Dipl.-Ing. Manuel Michel, Daimler AG, Ulm
  • Dipl.-Ing. (FH) Bernd Zapf, Gebrüder Heller Maschinenfabrik GmbH, Nürtingen

Auch wenn die Zahl an Elektroautos wächst – Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor werden noch lange dominieren. Ein wichtiger Ansatzpunkt, um sie noch verbrauchsärmer und damit umweltfreundlicher zu machen, ist der Reibungsverluste im Motor. Wie lassen sie sich umgehen?

Patrick Izquierdo, Manuel Michel und Bernd Zapf haben dazu das Kolben- und Zylinderlaufbahnsystem ins Visier genommen. Dieser Teil des Motors ist für rund 50 Prozent der Reibungsverluste im Antriebsaggregat verantwortlich. Die beiden Daimler Forscher Patrick Izquierdo und Manuel Michel entwickelten ein einzigartiges Verfahren zum Beschichten der Zylinderlauffläche von Kurbelgehäusen aus Aluminium. Damit werden spezielle Laufbuchsen in den Gehäusen verzichtbar – und die Reibung lässt sich drastisch verringern. In Kooperation mit Bernd Zapf von der Gebrüder Heller Maschinenfabrik GmbH haben sie die Technologie für den Einsatz in der Serienproduktion weiterentwickelt.

Patrick Izquierdo ist Leiter Leichtbau, Guss-/ Schmiedestrukturen bei der Daimler AG in Ulm, Manuel Michel leitet bei dem Automobilkonzern das Projekthaus Nanoslide, Bernd Zapf steht dem Bereich New Business and Technology bei der Gebrüder Heller Maschinenfabrik GmbH in Nürtingen vor.

Gäbe es keine Reibungsverluste, würde ein Verbrennungsmotor rund ein Viertel weniger Kraftstoff verbrauchen. Entsprechend geringer wäre auch der Ausstoß an klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2). Zwar wird sich die Reibung im Motor nie ganz ausschalten lassen, doch mit dem von den drei Forschern entwickelten Nanoslide-Verfahren ist ein bedeutender Schritt in diese Richtung gelungen. Das Verfahren setzt bei dem Trend in der Automobilfertigung an, in Verbrennungsmotoren Kurbelgehäuse aus dem Leichtmetall Aluminium zu verwenden. Um diese nutzen zu können, mussten sie aber bislang mit einer schweren Buchse aus Grauguss oder einer Aluminium-Silizium-Legierung als Laufbahn für die Zylinder versehen werden. Darin geht beim Bewegen des Kolbens viel Energie verloren. Nanoslide macht die zusätzliche Buchse überflüssig.

Bei der Anwendung der Technologie wird eine rund ein Zehntelmillimeter dünne Gleitschicht auf die Innenwand des Aluminiumzylinders aufgebracht. Dazu erzeugen zwei Drähte aus einer Eisen-Kohlenstoff-Legierung einen elektrischen Lichtbogen, in dem sich flüssige Metalltröpfchen bilden. Ein Strom aus Stickstoffgas zerstäubt die Tröpfchen und lenkt sie auf die Zylinderwand, wo sie erstarren und einen dünnen Belag mit nanometerkleinen Poren bilden. Diese stellen Ölreservoirs dar, die bei der Endbearbeitung freigelegt werden. Danach bildet die Schicht eine spiegelglatte Oberfläche, die nur einen sehr geringen Reibungswiderstand bietet – und zudem kaum verschleißt. Den Forschern gelang es, das Verfahren so zu optimieren, dass sich der Energiebedarf auf nur 4 Prozent und der Wasserverbrauch sogar bis auf null reduzieren ließ.

Die Reibungsverluste im Kolben- und Zylinderlaufbahnsystem verringern sich gegenüber herkömmlichen Herstellungsmethoden auf die Hälfte. Dadurch sinkt der Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs mit Otto- oder Dieselmotor um mindestens drei Prozent. Die CO2-Emissionen ließen sich durch den Einsatz der Nanoslide-Technologie laut einer unabhängigen Studie um bis zu 50 Millionen Tonnen pro Jahr vermindern. Ein weiterer Vorteil des Verfahrens: Da keine dickwandige Graugussbuchse benötigt wird, lässt sich der Motor kompakter und leichter bauen – eine ideale Voraussetzung, um ihn in einem Hybridfahrzeug mit einem Elektromotor zu kombinieren.

Nanoslide ist patentiert und wird von der Gebrüder Heller Maschinenfabrik GmbH für die Serienproduktion angeboten. Mit dem Verfahren lassen sich beliebige Zylinderinnendurchmesser in diversen Arten von Kurbelgehäusen beschichten, wobei die Schichten individuell einstellbare Eigenschaften erhalten können. Etliche Automobilhersteller und Zulieferer setzen bereits auf die Technologie, die sich zu einem weltweiten Standard entwickelt. Dadurch werden in Deutschland mehrere Tausend Arbeitsplätze gesichert oder neu geschaffen. Bei Heller eröffnete sich durch Nanoslide ein neues Geschäftsfeld, Daimler gründete 2013 in Arnstadt das Tochterunternehmen MDC Technology GmbH für die großserientaugliche Umsetzung des Fertigungsverfahrens und setzt es in mehreren Produktionsstätten ein.

Das Projekt wurde vom Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) eingereicht.

Deutscher Zukunftspreis - Team II (Foto: Ansgar Pudenz/DZP)
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