Future Skills

„Einfach nur ein guter Ingenieur oder ein guter Kaufmann zu sein, reicht heute nicht mehr aus“

Nicola Leibinger-Kammüller (Foto: Trumpf Group)
Nicola Leibinger-Kammüller (Foto: Trumpf Group)
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Frau Leibinger-Kammüller, in Ihrer Firma bekommen Sie hautnah mit, wie sich die Arbeitswelt verändert. Wie ist Ihre Prognose: Welche Kompetenzen werden künftig noch wichtiger?
Dass Vernetzung, interdisziplinäres Denken, der sprichwörtliche Blick über den eigenen Tellerrand hinaus und andere Dinge wichtiger denn je sind, ist eine Binsenweisheit. Ebenso die Fähigkeit heutiger Führungskräfte, ihre Teams mitzunehmen und den hohen Stellenwert der Kommunikation in ihr Führungsverhalten zu integrieren. In diesen Feldern sehe ich einen klaren Bedeutungszuwachs auch in den kommenden Jahren. Was aber ebenso zugenommen hat und der menschlichen Natur bisweilen etwas entgegensteht, die gerade in komplexen Systemen wie Organisationen sicherheitsaffin und erfahrungsgeleitet tickt, ist die unbedingte Fähigkeit, Planungshorizonte zu verkürzen, die Halbwertszeit von Prognosen von vornherein radikal zu hinterfragen, den eigenen Annahmen zu misstrauen – schneller zu reagieren und Agilität auf allen Ebenen zu leben. Das Denken inside – out …

… das in der Betriebswirtschaft die Entscheidungen bezeichnet, die aus der Unternehmensperspektive heraus getroffen werden …
… und das insbesondere in der traditionellen Entwicklung im Maschinenbau lange vorherrschend war, wird zunehmend durch ein Agieren outside – in ersetzt.

Also dadurch, dass die Prozesse an den Kundenbedürfnissen ausgerichtet werden.
Genau. Dies gilt für interne Prozesse, aber auch für den Blick auf unsere Kunden. Nur wenn es uns gelingt, die Wünsche unserer Kundinnen und Kunden bereits im Vorfeld noch besser zu antizipieren und sie bei anspruchsvollen Transformationsprozessen wie gegenwärtig der digitalen Transformation als Partner eng zu begleiten, werden wir auf dem Weltmarkt erfolgreich bleiben.

Zur Person

Nicola Leibinger-Kammüller ist Vorsitzende der Geschäftsführung des baden-württembergischen Maschinenbauunternehmens TRUMPF. Die promovierte Philologin ist Vizepräsidentin des Stifterverbandes und Themenbotschafterin für beruflich-akademische Bildung.

 

„Unternehmen sind immer – im Guten wie im Schlechten – Spiegelbilder der gesamtgesellschaftlichen Realität und kein Closed Shop.“

Nicola Laibinger-Kammüller (Foto: Peter Himsel)
Nicola Laibinger-Kammüller (Foto: Peter Himsel)
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Nicola Leibinger-Kammüller
Vorsitzende der Geschäftsführung TRUMPF

Wenn Sie heute nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern suchen: Worauf achten Sie da, was noch vor 20 Jahren keine Rolle gespielt hat?
Es hat sich eigentlich wenig am Entscheidenden geändert: Für TRUMPF war es immer wichtig, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst als Persönlichkeiten in ihrer Gänze zu sehen. Ob jemand zu uns passt oder nicht, ob er oder sie dieselben Grundwerte teilt, sich nebenberuflich gesellschaftlich engagiert: Solche Dinge zeigen sich nicht an den Abschlussnoten, sondern an der Beantwortung der Frage, wo ein Bewerber mit uns hinwill, wie er sich unsere Teams vorstellt und sich einbringen möchte. Gewiss hat der Faktor der Internationalität und der bereits erwähnten Kommunikationsfähigkeit im Sinne moderner Führung an Bedeutung gewonnen. Einfach nur ein guter Ingenieur oder Kaufmann zu sein, reicht heute nicht mehr aus. Wenngleich wir natürlich noch immer froh sind im Wettbewerb um die besten Köpfe, wenn sich herausragende Absolventinnen und Absolventen gerade in den mathematisch-technischen Fächern für TRUMPF entscheiden.

Sie haben ja Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Kundschaft in vielen Ländern und dadurch einen guten Vergleich: Wo stehen wir in Deutschland bei der beruflich-akademischen Bildung?
Ich bin allen Unkenrufen zum Trotz eine Anhängerin des deutschen Systems – bei aller Kritik, die es etwas mit Blick auf die Ausstattung der Bildungseinrichtungen oder den Status quo der Digitalisierung gibt. Wir müssen diese sehr ernst nehmen. TRUMPF beschäftigt mehr als die Hälfte der weltweiten 15.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland, obwohl der Umsatzanteil Deutschlands am Gesamtumsatz seit Jahren sinkt. Für den Verbleib in Deutschland gibt es Gründe neben unserer hohen Standortloyalität.

Nicola Laibinger-Kammüller (Foto: Peter Himsel)
Nicola Laibinger-Kammüller (Foto: Peter Himsel)
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Nicola Leibinger-Kammüller engagiert sich seit vielen Jahren im Stifterverband.

Welche sind das?
Zur Unternehmensperspektive gehört auch, dass wir in Deutschland nicht nur einen sicheren Rechtsrahmen vorfinden, sondern im Vergleich zu vielen Ländern ein hohes Bildungsniveau auch und gerade bei jenen Absolventinnen und Absolventen haben, die sich für eine berufliche Ausbildung im Bereich Mechatronik oder Servicetechnik entscheiden. Der Vergleich etwa mit den USA, was die Qualität der Facharbeiterinnen und Facharbeiter anbelangt, ist frappierend. Eine Facharbeiterausbildung, wie wir sie aus Deutschland kennen, existiert dort nicht. Zudem sind wir ein überdurchschnittlich forschungsstarkes Unternehmen mit einer FuE-Quote von 11 Prozent. Einzelne Cluster gerade hier in Baden-Württemberg bieten dafür aus meiner Sicht ein hervorragendes Ökosystem aus DAX-Unternehmen, großen und kleinen Mittelständlern, Universitäten und Fachhochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie Berufsschulen, die wichtiger Teil der dualen Ausbildung sind. Ich halte solche Ökosysteme trotz der unbestrittenen Exzellenz der Universitäten etwa in den USA, in Israel oder in Europa für weltweit einmalig. Denn es kommt auf die Breite der Wissens- und Wertschöpfungsketten an, die Vielfalt und Kollaborationsfähigkeit.

Merken Sie, dass gesellschaftliche Herausforderungen Ihre Beschäftigten umtreiben und auch in die Arbeit einfließen?
Wenn wir unter gesellschaftlichen Herausforderungen beispielsweise die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verstehen: keine Frage, und das seit Jahren. Genauso spielen öffentliche Themen wie Nachhaltigkeit eine größere Rolle, auf die unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Antwort auch am Arbeitsplatz suchen. Oder der Umgang mit den sozialen Medien und einer zeitgemäßen digitalen Kommunikation. Unternehmen sind immer – im Guten wie im Schlechten – Spiegelbilder der gesamtgesellschaftlichen Realität und kein Closed Shop. Sie sind oftmals sogar Labore, etwa was innovative Arbeitsformen anbelangt: Hier wird nicht selten zuerst in der Praxis ausprobiert, was später zum Standard auch in der öffentlichen Verwaltung wird, wenn ich an Themen wie mobiles Arbeiten denke. Hiermit haben wir uns und haben sich andere Unternehmen in der Metallindustrie bereits vor Jahren auseinandergesetzt, als an eine pandemiebedingte Aufmerksamkeit für Remote Work überhaupt noch nicht zu denken war. Wie waren damit durchaus Pioniere.

Daten zur Beruflich-akademischen Bildung

Ob Digitalisierung, Klimawandel oder COVID-19-Pandemie: Enorme Herausforderungen verlangen von Beschäftigten neue Kompetenzen, sogenannte Future Skills. Im Future-Skills-Framework 2021 identifizieren Stifterverband und McKinsey & Company insgesamt 21 Kompetenzen in den vier Kategorien: „Klassische Kompetenzen“, „Digitale Schlüsselkompetenzen“, „Technologische Kompetenzen“ und „Transformative Kompetenzen“. Wie wichtig diese für die beruflich-akademische Bildung in Deutschland ist, zeigt der Hochschul-Bildungs-Report, der im Frühjahr 2022 erscheinen wird.

Mit dessen finaler Ausgabe schließt der Stifterverband seine Bildungsinitiative Zukunft machen ab. Auf sechs Handlungsfeldern, wie unter anderem der Beruflich-akademischen Bildung, hatte er darin über einen Zeitraum von zehn Jahren untersucht, wie sich die deutsche Hochschulbildung entwickelt, dabei Herausforderungen identifiziert und selbst Programme und Initiativen aufgelegt, um der Hochschulbildung mehr Richtung und Substanz zu geben. Weitere Daten zum Hochschul-Bildungs-Report und zum Thema Beruflich-akademische Bildung gibt es auf dem Datenportal des Stifterverbandes.

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