Sünne Eichler: Unternehmen produzieren E-Learning selbst

"Um ehrlich zu sein, Unternehmen sind schon viel, viel weiter als Schule und Hochschule. Also, es kommt nicht von der Schule über die Hochschule in die Unternehmen, sondern es ist genau umgekehrt."

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Sünne Eichler: Unternehmen produzieren E-Learning selbst (Video)
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Die Hochschulen sind Pioniere in Sachen E-Learning, und die Unternehmen ziehen hinterher? Von wegen. Es ist genau andersherum, verrät Sünne Eichler, Beraterin für Bildungsmanagement. Und warum es verkehrt ist, beim Thema Bildung nur auf Schule und Universität zu schauen.
 

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Autorin: Corina Niebuhr
Produktion: Webclip Medien Berlin
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Das Interview entstand am Rande der Learntec 2016 in Karlsruhe.

Transkript des Videos

Ich denke, für Unternehmen ist es sehr wichtig, eine eigene Kompetenz aufzubauen. Also, dass sie auch selbst in der Lage sind, E-Learning-Produktionen durchzuführen und sie auch zu bewerten.

Der Trend ist in Unternehmen ohnehin, also, in Anwender-Unternehmen, selbst auch Inhalte zu erstellen. Wir haben eine Umfrage gemacht im Rahmen der Learntec. Wir haben unsere Referenten, unsere Experten befragt, und das war eine sehr interessante Aussage. Also, sie sehen einmal den Zuwachs an E-Learning, die Bedeutung, als steigend und sehr steigend an zu 80 Prozent. Das heißt, es wird einen größeren Einsatz geben in Unternehmen. Und sie erstellen auch immer mehr selbst Inhalte, also selbst große Budgets werden innerhalb des Hauses durch eigene Produktionsteams bewältigt.

Ganz vorne an sind die Software-Schulungen. Das heißt, unternehmenseigene Software oder Software, die genau an die Unternehmensbedarfe angepasst wurden, werden in selbsterstellten Lernprogrammen angeboten. Und das zweite sind Produktschulungen. Und da sehen wir auch ein großes weiteres Betätigungsfeld für E-Learning, nämlich E-Learning in Marketing und Vertrieb. Wir haben so viele Produkte, die geschult werden, die für den Vertrieb wichtig sind, die für Kunden wichtig sind. Und oft ist es für ein Unternehmen schwierig, das erst einmal einer Agentur zu vermitteln. Deswegen wird das dann innerhalb der Produktionsteams selbst erstellt.

Es passiert sehr viel Learning by doing. Man eignet sich was an, man probiert was aus. Aber richtig so einen akademischen Unterbau, richtig einen vernünftigen Unterbau hat kaum einer. Und wir haben uns überlegt im Rahmen des Teams zusammen mit Professor Linda Breitlauch und dem Dr. Seitz haben wir ein Steinbeis-Institut gegründet, das Steinbeis-Institut für Learning Design + Management. Und wir werden jetzt im Laufe des Jahres einen Master-Studiengang anbieten, wir sind gerade in der Akkreditierungsphase, der sich genau mit dem Thema beschäftigt, um Mitarbeiter fit zu machen für das Thema E-Learning in Unternehmen, mit all seinen Facetten, mobile, game-based, wir haben alles auf dem Schirm sozusagen. Das Entscheidende bei diesem Studiengang ist, es ist ein Projektkompetenz-Studium. Das heißt, der Mitarbeiter ist, wie bei einem dualen Studiengang, vorwiegend im Unternehmen. Das Unternehmen zahlt auch seine Studiengebühr. Und er ist wochenweise an der Hochschule. Das ist ein bisschen anders im Rahmen dieses Studiengangs wie bei den üblichen dualen Studiengängen, wo man drei Monate im Unternehmen ist, drei Monate an der Hochschule. Uns ist der Austausch zwischen Praxis und Studium wichtig. Deswegen ist man fünf, sechs Wochen im Unternehmen, eine Woche an der Hochschule. Und die Aufgaben, die man im Rahmen des Studiums gestellt bekommt, haben auch immer einen ganz engen Bezug zu der Tätigkeit im Unternehmen, so dass wir auch die Verzahnung von Praxis und Theorie möglichst intensiv hinbekommen. Und wir merken an der Reaktion der Unternehmen, dass es das ist, was sie eigentlich benötigen.

Um ehrlich zu sein, Unternehmen sind schon viel, viel weiter als Schule und Hochschule. Also, es kommt nicht von der Schule über die Hochschule in die Unternehmen, sondern es ist genau umgekehrt. Die Unternehmen sind viel weiter, viel experimentierfreudiger, machen einfach schon viel mehr. Das heißt, jetzt können Hochschulen und Schulen davon profitieren. Es ist leider so, dass in der öffentlichen Wahrnehmung sehr viele auf die Schule gucken und gucken, was passiert in der schulischen Bildung. Was da an E-Learning passiert, ist noch viel, viel zu wenig. Und man ist sich dessen gar nicht bewusst in der Öffentlichkeit, vielleicht weil es einfach noch nicht so präsent ist oder in der Presse vielleicht auch noch nicht so wahrgenommen wird, dass die Unternehmen schon viel mehr im Bereich Mobile Learning machen, viel mehr im Bereich Serious Games einsetzen. Also, die Möglichkeiten, die da sind, werden da genutzt. Von daher können Schule und Hochschule sehr viel von den Unternehmen lernen.

Also, ich denke, im schulischen Bereich haben wir die besondere politische Konstellation mit Bund und Ländern, und die Lehrer fordern, dass da mehr passiert, mehr Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, sonst passiert nämlich in der Schule nichts. Also, wir müssten jetzt dort wirklich mal auf politischer Ebene es schaffen, eine Gesamtstrategie zu entwickeln. Sonst geht da wirklich nichts voran, und wir sind, was Deutschland angeht, wirklich ganz übel im Mittelfeld im Vergleich zu anderen Staaten der Welt, was digitales Lernen in Schulen angeht und digitale Kompetenz von Schülern. Also, da muss einiges passieren. Da ist sicherlich der Grund eher politischer Natur, dass wir in Schulen noch nicht so viele Initiativen haben. Und es liegt übrigens nicht an den Lehrern, was ja immer so ein bisschen kolportiert wird, die Lehrer sind nicht offen für digitales Lernen. Die sind sehr wohl offen. Die haben aber weder Schulung noch die Mittel noch die technische Ausstattung, und deswegen wird es Zeit, dass man da wirklich mal ein Augenmerk darauf setzt.

Bei der Hochschule kann ich es nur vermuten. Da gibt es auch einzelne Initiativen, aber es gibt sicherlich den einen oder anderen Professor, der natürlich auch Wert darauf legt, in Präsenz vor seinen Schülern zu stehen, vor seinen Studenten, besser gesagt, zu stehen. Und von daher die einzelnen Initiativen, die es schon gibt, haben aber auch noch kein Gesamtkonzept abgebildet.

Also, ich finde dieses Hochschulforum Digitalisierung eine sehr, sehr gute Initiative, weil ich glaube, man muss Kräfte bündeln, um auch ein Thema voranzutreiben, was so eines großen Schrittes auch bedarf. Von daher muss da wirklich viel zusammenkommen, und man muss schon eine gewisse Macht darstellen, um das in alle Köpfe zu bringen, denn es muss auch wirklich in alle Köpfe rein. Und es muss, das finde ich besonders wichtig, nicht einzelne Initiativen, wir haben viele Leuchtturmprojekte in den Schulen, in den Hochschulen. Wir brauchen eine Gesamtstrategie, und die müssen wir vorantreiben. Und das geht tatsächlich nur in einer konzertierten Aktion. Wenn wir da ein gemeinsames Ziel haben.

Unternehmen haben, glaube ich, im Vergleich dazu einfach wesentlich mehr Druck. Die müssen ihre Mitarbeiter fit halten. Die Welt entwickelt sich sehr schnell voran. Wir müssen, was das Training der Mitarbeiter angeht, eben mithalten.