Tyrannen-Kinder und Kumpel-Eltern

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Foto: iStock/ graphorama
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Martina Leibovici-Mühlberger ist eine laute Stimme in Bildungs- und Erziehungsdebatten, weil sie gar nicht anders kann. In ihrer Praxis in Wien therapiert sie viele Kinder und Jugendliche, die tief frustriert sind, deren Augen so leer sind wie die eines 80-Jährigen, der schon mit dem Leben abgeschlossen hat. Und das geht nicht spurlos an ihr vorbei. Wie kann das sein: Reihenweise junge Menschen, die mit 17 Jahren schon an einem psychosozialen Burn-out leiden, die weder am Wirtschafts- noch am Lebenskreislauf teilnehmen wollen und lieber mit einer Pizzaschachtel vorm Bildschirm dahinvegetieren? 

„Wir produzieren zunehmend junge Menschen, die tief frustriert sind. Die weder am Wirtschafts-, noch am Lebenskreislauf teilnehmen wollen. Die sich, so möchte man fast sagen, auf ein Pflanzenstadium reduzieren.“

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Martina Leibovici-Mühlberger (Foto: Mathieu Munoz)
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Martina Leibovici-Mühlberger

2001 beschließt die Psychosomatikerin, selbst vierfache Mutter, mehr zu tun und die Ursachen für diese Missstände zu veröffentlichen. Sie hält Vorträge, schreibt Bücher über „Tyrannenkinder“ und darüber, was für ein „verdammt hartes Geschäft“ Kindererziehung heutzutage ist. Nicht nur als Kolumnistin in Erziehungsfragen bei österreichischen Zeitungen fasst sie viele heiße Eisen an. Ihre mutigen Überzeugungen werden auch vom Europäischen Parlament gehört, wo sie seit 2008 als Permanentes Mitglied der „Working Group on the Quality of Childhood“ mitarbeitet. Die von ihr gegründete ARGE Erziehungsberatungs- und Fortbildung GmbH bildet und berät seit 18 Jahren in Österreich in den Landeshauptstädten Eltern und Erzieher in Erziehungsfragen. Kern sind nicht bloß Ratschläge, wie man mit dieser oder jener Situation umgehen sollte. Leibovici-Mühlberger ist überzeugt: Eltern müssen wieder ihre elterliche Identität hineinwachsen und diese auch konsequent leben. 

In unserer Podcast-Episode spricht die Therapeutin darüber, wie man Kinder erst gar nicht schädigt, sondern stärkt. Sie benennt gesellschaftliche Mechanismen, erklärt das kollektive Unbewusste, auf dem schiefe und schädliche Erziehungsmuster aufbauen und was hinter dem Volkssport des Lehrerbashings steckt. Eines macht sie richtig zornig: Wie Unternehmen mittlerweile kräftig an Kindheit, Lernen und Talentförderung verdienen – obwohl die Gesellschaft immer mehr tief frustrierte Kinder „produziert“. 

Leibovici-Mühlberger fordert Mechanismen, mit denen solche Kinder wieder für ein lebenswertes, kreatives und selbstbestimmtes Leben reanimieren werden können. Dass dies möglich ist, will sie in diesem Jahr mit ihrem neuen Projekt School of Life in der Toskana beweisen.

Martina Leibovici-Mühlberger im Gespräch

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Illustration: Graphorama
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