Eigentlich wissen Pädagogen, dass Spielen die beste Art und Weise des Lernens ist. Aber um Computerspiele machen sie meist noch einen großen Bogen. Zu Unrecht, findet Linda Breitlauch, Professorin für Game Design an der Hochschule Trier. Denn Spiele können eine Menge Wissen transportieren. Augmented Reality und virtuelle Welten - sieht so das Lernen der Zukunft aus?
Produktion: Corina Niebuhr, Webclip Medien Berlin
für den Bildungskanal des Stifterverbandes
Eigentlich ist Pädagogen lange bekannt, dass Spielen die beste Art und Weise des Lernens ist. Sie beziehen das nicht unbedingt auf Computerspiele.
Das hat eigentlich nur damit zu tun, dass es so gewisse Vorbehalte gegenüber dem Bildschirm als Medium möglicherweise gibt, und natürlich auch, dass es in diesen Bildschirmmedien Inhalte gibt, die sich jetzt nicht sofort aufdrängen als Lehrinhalte, das ist gar keine Frage. Was wir aber auf jeden Fall als Fehler nicht machen sollten, ist zu sagen: Lernen muss wehtun. Das habe ich schon oft gehört. Natürlich gibt es genauso Spielprinzipien, die zu simpel sind als dass man tatsächlich echte Lernkompetenzen ausbilden kann, wie es genausogut übrigens auch Bücher gibt, die zu simpel sind als dass man damit Lernkompetenzen ausbilden könnte. Das heißt: Man muss eigentlich von der inhaltlichen Seite schauen und sie danach beurteilen und nicht nach dem Medium per se. Es geht darum, insgesamt didaktische Ansätze neu zu überdenken, mehr auf die Herausforderungen der Zukunft einzugehen und andere Lernmittel zur Verfügung zu stellen und entsprechend zu entwickeln, die es de facto heute noch gar nicht gibt. Und dazu gehören natürlich interaktive Lernmedien mehr und mehr.
Natürlich kann man ganz neue tolle Technologien einsetzen wie Augmented Reality, um die Wirklichkeit mit der Virtualität zu verschmelzen und umgekehrt, um neue Erfahrungen und Erlebnishorizonte aufzumachen. Oder Game Engines einsetzen, die in der Lage sind, fotorealistische virtuelle Umgebungen zu generieren, in der man in die Geschichte reisen kann. Ich nenne jetzt einfach mal beispielsweise Assassin's Creed. Alle diese Teile spielen in bestimmten historischen Szenarien: amerikanischer Bürgerkrieg, französische Revolution oder was auch immer. Und die Gegend, in der das spielt, ist in der Regel authentisch nachgebildet, also Paris zum Teil, Florenz zur Zeit der Medici ist so ein Szenario gewesen. Und die Entwickler haben sich sehr viel Mühe gegeben, eine hohe Authentizität in historischer Recherche an den Tag zu legen. Selbst wenn man eine fiktive Geschichte spielt, vermittelt sich dort schon viel lebendige Geschichte. Das ist natürlich eine Möglichkeit, wo man einfach nur, ja, als Spieler diese Erfahrung machen kann. Das hat natürlich einen Lerneffekt. Aber darüber hinaus gibt es noch ganz viele andere Möglichkeiten, also Unternehmen, die zum Beispiel Spielumgebungen so zur Verfügung stellen, dass man sie verändern kann. Also, man nennt das Modding, sprich: Ich verändere, ich modifiziere das, was ich bekomme im Sinne von: Ich mache andere Räume, ich mache andere Spielherausforderungen. Viele Unternehmen geben sowas inzwischen auch kostenlos heraus, also, gerade in den USA gibt es viele Unternehmen, die sagen: Hier, liebe Lehrer, arbeitet einfach damit für den Physikunterricht oder sonstwas, entwickelt neue Räume, neue Spielherausforderungen mit den vorhandenen Mitteln, sprich: mit der zugrunde liegende Technologie.
Man denkt immer: Spiele sind reine Unterhaltung. Aber warum es uns so einen Spaß macht zu spielen, das hat eben sehr viel damit zu tun, weil wir gerne lernen eigentlich und beim Spielen aber intrinsisch motiviert sind, wie der Pädagoge so schön sagt, sprich: Ich tue es freiwillig, ich spüre Selbstwirksamkeit, was ich erreichen kann im Spiel. Dadurch erlerne ich alle möglichen Kompetenzen, Problemlösungskompetenzen, Denkvermögen. Man weiß sogar inzwischen, dass Spielen Intelligenz vehement steigert, egal ob man Unterhaltungsspiele spielt oder eben sogenannte Serious Games. Und deswegen kann man sie auch in allen Bereichen einsetzen. Serious Games ist für uns Deutsche natürlich ein schwieriges Wort, weil "serious" immer gerne mit "ernst" übersetzt wird. Ernste Spiele, das stimmt natürlich nur bedingt, weil wenn man spielt, in dem Moment, wo man spielt, ist man sowieso sehr ernsthaft. Das kann man bei allen Spielern beobachten, weil man den Spielkontext als tatsächlich sehr ernst annimmt in dem, was es ist, natürlich in dem abgrgrenzten, sicheren Bereich außerhalb der Realität. Und deswegen eignen sich Serious Games hervorragend für Lernprozesse, weil man eben in einem geschützten Raum lernt und sich weiterentwickelt und anhand einer Spielherausforderung das tut. Aber Serious Games ist tatsächlich eine Gattung, also im Sinne von ... Man versteht eine ganze Menge darunter, also von der Schulausbildung, also der Grundschulausbildung eigentlich bis zur Weiterbildung, Hochschulausbildung, eigentlich das ganze lebenslange Lernen fällt da mit drunter, was man sich eigentlich ja so sehr wünscht, also dass wir wirklich bis ins hohe Alter aktiv lernen können. Und man weiß längst, dass Spielprinzipien dafür hervorragend geeignet sind, weil Spiele eigentlich implizit schon immer in sich hatten, dass sie den Lernprozess fördern oder dass sie eigentlich zum Lernen da sind.
Tatsächlich hat sich der erste Game-Design-Studiengang 2007 in Deutschland entwickelt. Und Ausbildung in dem Bereich ist schon etwas älter, also dass man schon mal Weiterbildungskurse angeboten hat, auch gerade mal zehn Jahre. Also, wir sind da wirklich noch ganz am Anfang, was die Game-Design-Ausbildung angeht, und damit einher geht natürlich auch sozusagen, was die Entwicklung von Serious Games für pädagogische Belange angeht. Auch da sind wir noch ganz am Anfang. Um genau zu sein, gibt es in ganz Deutschland eigentlich überhaupt keinen Studiengang, der tatsächlich das Entwickeln von modernen Lernmitteln zum Thema hat bis heute, denn seit heute gibt es einen, der im Oktober erstmalig angeboten wird in Form eines Masterstudiengangs Lehrsystemgestaltung und -management, wo es eben nicht nur darum geht, klassische Schulbücher zu entwickeln, zu layouten, sondern tatsächlich ganz neue Ansätze zu finden, also: Wie muss das Lernen der Zukunft aussehen? Wie müssen wir es gestalten? Denn ohne Lernmittel und gesamte Lernsysteme werden wir das natürlich nicht können. In Österreich hat man vor zwei Jahren sowas tatsächlich gemacht und hat seitens des Familienministeriums auch Gelder gegeben, um anhand des Schulcurriculums tatsächlich ein richtiges Spiel zu entwickeln, was seitdem sehr erfolgreich eingesetzt wird in den Schulen, und in Deutschland sind wir da noch nicht ganz so weit. Das ist natürlich auch eine Frage des Geldes, sprich: Es gibt bisher noch keinen wirklich explizit sichtbaren politischen Willen. Natürlich wird das gerne gesehen und natürlich auch mal gefördert, einzelne Projekte, aber noch nicht im groß angelegten Bereich, also das man sagt: Hier gibt es wirklich mal große Budgets, die hier sinnvolle Lerninhalte gestalten.