Catharina van Delden: Crowdsourced Innovation

"Alle Großkonzerne wollen sich austauschen mit Start-ups, wollen gerne Partnerschaften und Kooperationen schließen. Das endet dann häufig in Meeting-Marathons, aber selten in tatsächlicher Zusammenarbeit."

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Wie entsteht eigentlich Innovation? Immer weniger in den Forschungsabteilungen von Konzernen und immer mehr in Start-ups, die neue Dinge einfach mal ausprobieren. Catharina van Delden, CEO der innosabi GmbH, stellt das Modell "Crowdsourced Innovation" vor, das technischen Fortschritt mithilfe des Internets neu denkt: Was kann das Erfolgsrezept sein, wenn große Unternehmen mit Neugründungen kooperieren? Und ist Deutschland überhaupt ein guter Nährboden für Innovationen?

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Autor: Timur Diehn
Produktion: Markus Müller, Christian Slezak
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Transkript des Videos

Wir sehen selbst, dass Innovation allen voran auch von jungen Unternehmen kommen und diese dann vor allem die deutsche Wirtschaft auch besonders erfolgreich machen können, wenn sie in enger Kooperation mit der etablierten Industrie zusammenarbeiten.

Wir von innosabi sind ein sehr junges Unternehmen, gegründet 2010, erstes Geschäftsjahr 2011, und fokussieren uns seit 2014 auf unsere Software-Plattform, auf ein Software-as-a-Service-Geschäftsmodell, eine cloudbasierten Plattform für Innovationsprozesse. Und Sie sehen schon an dieser kurzen Firmengeschichte: Ja, das Thema ist das gleiche geblieben: Wie verändern sich Innovationsprozesse in Zeiten der Digitalisierung? Aber unser Geschäftsmodell und unser Produkt dahinter, das hat sich immer wieder geändert und angepasst. Das wird auch so weitergehen. Ein junges Unternehmen muss konstant, man spricht da von Pivoten im Start-up-Jargon, muss konstant sein Geschäftsmodell anpassen und an die Bedürfnisse des Kunden und des Marktes, sonst könnten wir gar nicht überleben. Das heißt aber auch: Unser eigener Innovationszyklus ist natürlich sehr, sehr, sehr schnell. Und wenn ich von unserer Innovation "Big Data for Innovation", datengestütze Entscheidungen im Innovationsprozess, spreche, dann heißt das auch: Wir müssen wirklich im Wochentakt unser Produkt weiterentwickeln, müssen uns die richtigen Leute an Bord holen, müssen die richtigen Partnerschaften schließen, müssen die Kunden finden, die auch für diesen neuen Weg bereit sind, die ersten Schritte zu machen.  Und gestalten diesen Weg aber ähnlich wie wir das mit unserer Plattform anbieten, natürlich auch sehr häufig partnerschaftlich, kollaborativ und offen.

Meiner ganz persönlichen Meinung nach ist Deutschland ein wahnsinnig guter Nährboden für Gründer aus dem B2B-Umfeld. Das heißt, alle Unternehmen, die sich gründen im Umfeld Industrie 4.0, Internet of Things etc. und somit auch als Zielkunden die etablierte Industrie haben, das sind die, wo wir, man könnte fast sagen, hier in Deutschland einen unfairen Wettbewerbsvorteil haben aufgrund der unglaublich guten Rahmenbedingungen, die wir in der Industrie haben. Das heißt aber auch, damit Start-ups hier erfolgreich sein können, müssen da Rahmenbedingungen geschaffen werden, in denen solche Kooperationen gut möglich sind. Das hat viel auch mit Ökosystemen zu tun, dass es Veranstaltungen gibt, Gremien, Möglichkeiten, dass genau diese zwei Welten aufeinander treffen, dass man ins Gespräch kommt, hat viel auch mit der Organisation der großen Unternehmen zu tun. Man redet häufig jetzt von Landing Strips, nennt man es, glaube ich, wo Unternehmen ganz konkret sagen: Hier ist eine Anlaufstelle für Start-ups, für Zusammenarbeit, und dann dafür einen Rahmen schaffen. Denn häufig, ein ganz konkretes Beispiel: Unsere Kunden sind große Unternehmen, und dann entscheidet sich ein solches Unternehmen, mit uns zu arbeiten, hat aber keinen im Einkaufsprozess, hat keinen Standardprozess für eine cloudbasierte Software-as-a-Service-Lösung. Das heißt, dieser Standardprozess und diese dazugehörigen Vertragswerke müssen dann erstmal eingerichtet werden etc., und dann gehen vielleicht sechs Monate ins Land. Bis dahin haben wir schon wieder das nächste Produkt auf dem Markt. Das sind so die Rahmenbedingungen, die gegeben sein müssen, damit Start-ups auch in Deutschland erfolgreich sein können.

Crowdsourced Innovation, also das offene Gestalten von Innovationsprozessen über das Internet, funktioniert auch in der Forschung. Beispielsweise hat die FHU Erlangen-Nürnberg die Open Research Challenge gestartet. Mithilfe der innosabi-Crowdtechnologie haben sie eingeladen, an aktuellen Forschungsprojekten der FHU Erlangen-Nürnberg teilzunehmen, sich einzubringen und haben das an internationale Forscherteams ausgeschrieben. Da ging es beispielsweise um die Verbesserung von Fahrplänen für mehr Energieeffizienz. Da ging es um Cybercrime-Vermeidung etc., also wirklich auch anspruchsvolle Themen. Das hat international Aufmerksamkeit erregt. Gewonnen haben Teams aus Australien, aus Estland, aus Mexiko und haben so nicht nur in einem Open-Innovation-Verfahren die konkreten Forschungsvorhaben unterstützt und gefördert, sondern haben natürlich die FHU Erlangen-Nürnberg auch in der Forschungsvermarktung, in einer Sichtbarkeit der Universität und ihrer Tätigkeiten unterstützt. Also hier eine sehr spannende Plattform, die im Prinzip was wir in erster Linie bisher aus der Wirtschaft kennen, Crowdsourced Innovation, übertragen auf Forschungsvorhaben und so sehr, sehr erfolgreich umgesetzt wurden.

Ein spannendes Beispiel ist aktuell in der Entstehung. Da geht es um das gemeinsame Schreiben von Veröffentlichungen von Forschern auf Internet- und digitalen Crowdsourced-Innovation-Plattformen. Also beispielsweise die interaktive Wertschöpfung, was ja nun wirklich eines der Standardwerke der letzten Jahre ist, vor dem Hintergrund sich verändernder Innovationsprozesse wird in der nächsten Auflage quasi über eine Kollaborationsplattform gemeinsam weiterentwickelt. Und wir sind stolz, da Partner sein zu können.

Wir haben häufig die Erfahrung gesammelt, dass wenn ein großes Unternehmen mit uns arbeiten will, grundsätzlich die Bereitschaft dazu hat oder den Enthusiasmus, etwas Neues anzugehen, dann dann dabei sehr schnell auch das Argument kommt: Ihr könnt uns ja als Referenz nutzen. Die Tatsache, dass ihr mit uns arbeitet, ist ja sehr, sehr viel für euch wert. Also macht's doch kostenlos für uns! Oder zu einem sehr, sehr, sehr günstigen Preis, der für uns nicht mehr wirtschaftlich ist. Und, ja, natürlich ist eine solche Zusammenarbeit eine gute Referenz, aber was nichts kostet, ist auch nichts wert. Soll heißen: Das führt häufig dazu, dass die Zusammenarbeit nicht die Priorität hat, die sie haben sollte, damit nicht unbedingt erfolgreich ist und somit keiner von beiden Seiten hilft. Das heißt, mein großer Aufruf an gerade auch Konzerne und sehr große Unternehmen, die mit Start-ups arbeiten wollen, ist, sich zu überlegen: Wie kann eine solche Zusammenarbeit für beide Seiten wirtschaftlich sein? Wie kann sie für beiden Seiten fair und gut ausgestaltet sein, um dem somit quasi "Wir wollen doch nur spielen"-Charakter zu nehmen, der leider häufig ist? Alle Großkonzerne wollen gerne lernen, wollen sich austauschen mit Start-ups, wollen gerne Partnerschaften und Kooperationen schließen. Das endet dann häufig in Meeting-Marathons, in unendlichen Präsentationen, in Dokumenten, aber selten in tatsächlicher Zusammenarbeit. Und hier mehr PS auf die Straße, mehr Doing und tatsächlich auch Rahmenbedingungen schaffen, die für beide Seiten wirtschaftlich sind. Das ist meiner Meinung nach das Erfolgsrezept für die Zusammenarbeit zwischen großen Unternehmen und Start-ups.

Viele große Unternehmen merken, dass wenn im Rahmen der Digitalisierung ihre Produkte und Services, die sie anbieten, digitaler werden, muss der Weg dahin es eigentlich auch werden. Und sie fragen sich: Wie kann ich Prinzipien, wie ich sie aus der agilen Software-Entwicklung kenne, wie kann ich die übertragen auf meine Innovations- und Produktentwicklungsprozesse? Und was dabei herauskommt, ist, dass Prinzipien wie Offenheit, Transparenz, Zusammenarbeit, Kollaboration, dass die ganz selbstverständlich Teil werden des Innovationsprozesses. Das heißt aber vor allem auch, dass sich Unternehmen immer mehr Gedanken machen: Wie kann denn dafür auch eine Innovationsinfrastruktur, also wie kann eine digitale Infrastruktur für solche neuartigen Innovationsprozesse ausschauen? Viele Unternehmen starten dabei mit einem kurzen Piloten. Sie sagen, sie möchten einmal ein Produkt in einem solchen agilen Ansatz entwickeln und merken dann, dass sie so schnell zu Entscheidungen kommen und dass sie so schnell auch den direkten Draht zum Kunden haben, dass sie auf gute Ideen kommen, Technologien finden, dass viele häufig eine solche Art der Zusammenarbeit als ihre Grundlage für alles sehen, was sie an Innovationsmanagement tun. Sie fragen nach Visionen: Meine persönliche Vision von Crowdsourced Innovation ist, dass wir da Entscheidungen immer mehr auch auf Daten basieren lassen werden, auch im Innovationsmanagement. Klar ist so das kreative Genie und der kreative Austausch wird immer weiter und wichtig sein, um neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, aber diese werden gestützt werden durch Informationen, die ich aus Daten gewinne rund um: Wo sind spannende neue Technologien? Wo sind noch ungelöste Probleme? Wo sind die Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten will? Also, ganz konkretes Beispiel: Elf Prozent aller Bewertungen in Online-Shops enthalten Verbesserungsvorschläge oder Ideen. Das landet heute natürlich quasi ungelesen im Kunden-Support, der sagt: Das ist kein Problem, keine Beschwerde, die ich jetzt löse, Ablage P. Das ist aber wertvolles Wissen, was natürlich im Innovationsmanagement gebraucht werden kann. Das ist die Art von Daten, die ich als essenziell sehe, um im Innovationsmanagement zukünftig Entscheidungen treffen zu können.