Wissenschaftspreis: Forschung in Verantwortung

 
Der Wissenschaftspreis des Stifterverbandes "Forschung in Verantwortung" wird auf Vorschlag der Leibniz-Gemeinschaft für hervorragende Forschungsleistungen vergeben. Mit dem Preis werden wegweisende wissenschaftliche Arbeiten gewürdigt, die von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eines Leibniz-Instituts maßgeblich durchgeführt wurden. Zusätzlich können Partner von außerhalb der Leibniz-Gemeinschaft beteiligt gewesen sein. Der Preis ist mit 40.000 Euro dotiert.

 

Wissenschaftspreis "Forschung in Verantwortung" (Logo)

Ausgezeichnet werden Forschungsarbeiten, deren Ergebnisse die Grundlagen für innovative Anwendungen in Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft bilden. Neben der wissenschaftlichen Qualität der Arbeit ist die gesellschaftliche Relevanz und der – zumindest teilweise – Nutzen für potentielle Anwender der Ergebnisse gleichwertiges Auswahlkriterium. Vorschlagsberechtigt sind die Direktorinnen und Direktoren der Leibniz-Einrichtungen sowie die Mitglieder des Senats der Leibniz-Gemeinschaft. Selbstbewerbungen sind nicht zugelassen. 2024 wurde der Preis erstmals geteilt.

Preisträger 2024: Robert Arlinghaus

Robert Arlinghaus (Foto: Stefan Klenke/Humboldt-Universität zu Berlin)
Robert Arlinghaus (Foto: Stefan Klenke/Humboldt-Universität zu Berlin)
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Foto: Stefan Klenke/Humboldt-Universität zu Berlin

Robert Arlinghaus vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei wird für seine Arbeit zu ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Aspekten der Freizeitfischerei im Binnenland ausgezeichnet. Er entwickelt Grundlagen für eine nachhaltige Angelfischerei, insbesondere in Binnen- und Küstengewässern. Arlinghaus ist ein weltweit führender Experte für sozial-ökologische Fischereiforschung und untersucht anhand der Freizeitfischerei gekoppelte Mensch-Umwelt-Systeme. Er trug wesentlich dazu bei, die oft unterschätzte gesellschaftliche, ökologische und ökonomische Bedeutung der Freizeit- bzw. Angelfischerei in den Fokus der Wissenschaft und auch der Öffentlichkeit zu rücken. Weltweit angeln mehr als 220 Millionen Menschen in ihrer Freizeit, in Deutschland gehen mehr als drei Millionen Freizeitfischerinnen und -fischer regelmäßig ans Wasser. Bemerkenswert: Dabei fangen sie zehnmal mehr Fischbiomasse als die heimische kommerzielle Binnenfischerei und sichern hierzulande über 52.000 Arbeitsplätze in der Angelbedarfs- und Tourismusbranche.

Arlinghaus' stark inter- und transdisziplinär ausgerichtete Forschung verbindet angewandte Sozialwissenschaften mit ökologischer Forschung und schlägt sich bisher in 700 Veröffentlichungen nieder, mehr als 360 davon als begutachtete Artikel und 29 Bücher und andere Monografien und editierte Sammelbände. Mit seiner Forschung konnte Robert Arlinghaus lange gehegte Praktiken und Prinzipen der Binnenfischerei widerlegen. So zeigte er zum Beispiel, dass ein ökosystembasiertes Fischereimanagement durch die Bereitstellung besserer Lebensräume dem bloßen Fischbesatz, also dem Einsetzen gezüchteter Fische in Gewässer, deutlich überlegen ist.

Außerdem belegte Arlinghaus, dass die Schonung großer Fische durch deren größere Reproduktivität positiv für Fischbestände ist und eher mittelgroße Fische genutzt werden sollten, statt wie in der tradierten Praxis nur Jungfische zu schonen und große Fische zu entnehmen. Ein wesentlicher Forschungsschwerpunkt ist, unter welchen Rahmenbedingungen die Freizeitfischerei eine Bedrohung oder eine mögliche Unterstützung für Fischbestände und aquatische Ökosysteme sein kann. Kennzeichen ist eine stark partizipativ ausgerichtete Forschung, die Anglerinnen und Angler und vor allem Angelvereine intensiv in die wissenschaftlichen Projekte involviert.

Robert Arlinghaus ist Professor für Integratives Fischereimanagement an der Humboldt-Universität zu Berlin und Leiter der gleichnamigen Forschungsgruppe am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Er studierte Fischereiwissenschaften und Aquatisches Ökosystemmanagement an der Berliner Humboldt-Universität, wo er im Jahr 2004 mit einer Arbeit zu menschlichen Dimensionen für ein nachhaltiges Freizeitfischereimanagement promoviert wurde. Für diese Arbeit erhielt er den Nachwuchspreis der Leibniz-Gemeinschaft 2004. Nach einem Post-Doc und einer Junior-Professur erhielt er 2013 seine heutige Professur. Im Jahr 2020 zeichneten der Stifterverband und die Deutsche Forschungsgemeinschaft Robert Arlinghaus mit dem Communicator-Preis für herausragende Leistungen in der Wissenschaftskommunikation aus.

Preisträgerin 2024: Lena Hipp

Lena Hipp (Foto: Bernhard Ludewig)
Lena Hipp (Foto: Bernhard Ludewig)
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Foto: Bernhard Ludewig

Lena Hipp vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung erhält den Preis für ihre Forschung zu sozialen Ungleichheiten, die im Zusammenhang mit Geschlecht und Sorgeverpflichtungen entstehen. Sie befasst sich in ihrer Forschung mit Ungleichheit in allen Aspekten der (Erwerbs-)Tätigkeit. Sie zeigt, wie kulturelle Voreinstellungen Geschlechterungleichheiten etablieren, stärken und tradieren, selbst dann, wenn traditionelle Strukturen längst aufgebrochen sind. Diese Erkenntnis basiert auf einer Vielzahl ihrer empirischen Forschungsarbeiten. So hat sie beispielsweise mithilfe eines Feldexperiments gezeigt, dass sich ein Kind im Lebenslauf negativ auf die Einstellungschancen von Frauen, nicht aber von Männern auswirkt. In einer Erweiterung dieser Studie zeigte sie außerdem, dass Mütter diesen Nachteil nicht dadurch ausgleichen können, nur kurz Elternzeit zu nehmen. Im Gegenteil: Der Malus der "Rabenmütter" führt dazu, dass sie sogar seltener zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden als Mütter mit zwölf Monaten Elternzeit.

Die Innovationskraft und Kreativität der Forschung von Lena Hipp zeigt sich auch in einer Studie, in der sie untersucht hat, ob eine Tätigkeit in einem geschlechtsuntypischen Beruf mit schlechteren Chancen auf Dating- und Partnerschaftsmärkten einhergeht und ob solche Nachteile Frauen möglicherweise davon abhalten, in besser bezahlten männerdominierten Jobs zu arbeiten. Zunächst zeigte die Forscherin, dass Frauen und Männer in geschlechtsuntypischen Berufen seltener in Partnerschaften leben. Um herauszufinden, ob dieser Zusammenhang kausal ist, führte sie ein Feldexperiment auf einer Dating-App durch. Auch hier zeigte sich: Frauen, die in männlich dominierten Berufen arbeiten, bekommen seltener Likes und Matches als Frauen in "Frauenjobs" – bei gleichem Aussehen und gleichen Interessen. Mithilfe eines Befragungsexperiments zeigte sie in einem dritten Schritt, dass sich insbesondere jüngere Frauen und hochgebildete Frauen dieser Nachteile bewusst sind. Möglicherweise erklärt das auch, warum Frauen nach wie vor seltener in "Männerberufen" arbeiten und ihre Gehälter deutlich unterhalb derer von Männern liegen. Schließlich ergaben Lena Hipps Untersuchungen, dass bei Müttern mit kleinen Kindern die Inanspruchnahme von Homeoffice völlig andere Gründe und auch Folgen hat als bei Vätern. Während Mütter das Homeoffice nutzen, um Arbeit und Familie besser zu koordinieren, dominiert bei Vätern der Wunsch, in Ruhe zu arbeiten. Dadurch unterscheidet sich auch die mentale Belastung im Homeoffice von Müttern und Vätern erheblich.

Als erste Sozialwissenschaftlerin im deutschsprachigen Raum hat Lena Hipp außerdem Daten zur Situation von Frauen und Familien während der Corona-Pandemie erhoben. Kurz nach Beginn des ersten Lockdowns im März 2020 führte sie eine groß angelegte Umfrage durch, um die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Maßnahme in Deutschland zu untersuchen – zwei weitere Erhebungen folgten bis Ende August 2020.

Lena Hipp ist Professorin für Soziale Ungleichheit und Sozialpolitik an der Universität Potsdam und hält eine Forschungsprofessur am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Sie studierte Politik- und Sozialwissenschaften in Freiburg und an der Freien Universität Berlin, am Institut d'Etudes Politiques in Paris und wurde an der Cornell University (USA) promoviert. Vor ihrem Graduiertenstudium in den USA war Lena Hipp mehrere Jahre Mitarbeiterin im Deutschen Bundestag. Von 2017 bis 2022 war sie Mitglied der Jungen Akademie. Sie warb in den vergangenen zehn Jahren mehrere Millionen Euro an Drittmitteln ein.

Jörg Overmann (Foto: Michael Hübner/DSMZ)
Foto: DSMZ

Preisträger 2022: Jörg Overmann
Der wissenschaftliche Direktor des Leibniz-Instituts DSMZ – Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen sowie Professor an der Technischen Universität Braunschweig gehört zu den renommiertesten deutschen Mikrobiologen. Er erhielt den Preis in Würdigung seiner wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der mikrobiellen Diversität und seines Engagements für die Biodiversitätsforschung.

Esther-Maria Vidal (Foto: Christian Bierwagen)
Foto: TIB/Christian Bierwagen

Preisträgerin 2020: Esther-Maria Vidal
Die Leiterin der Forschungsgruppe "Scientific Data Management" an der TIB – Leibniz-Informationszentrum für Technik und Naturwissenschaften in Hannover wurde für ihre Arbeiten zum wissenschaftlichen Datenmanagement ausgezeichnet. Die Informatikerin widmet sich diesem Thema mit Forschungen zur Optimierung von Datenbankabfragen, zur Visualisierung von Daten durch Wissensgraphen zum Semantic Web, einer Anreicherung von Webdaten mit strukturierten Daten sowie zur Big-Data-Analyse.

Der Wissenschaftspreis "Gesellschaft braucht Wissenschaft" wurde von 2002 bis 2018 vom Stifterverband und der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL) alle zwei Jahre für hervorragende Forschungsleistungen verliehen, die durch ihre gesellschaftliche Relevanz und gute Umsetzbarkeit hervorstechen. Der Wissenschaftspreis "Forschung in Verantwortung" ersetzt ihn von 2020 an.