1. Ich bin bisher kaum etwas Nichtplakativem auf Facebook begegnet, weil es vermutlich weder den Facebook-Algorithmus durchbricht und so zu mir durchdringt noch dem Gesetz der Ökonomie der Aufmerksamkeit auf den sozialen Netzwerken entspricht. Oder um es im Werbesprech zu sagen:
Snackable und shareable Content nennen das die Social-Media-Berater – wie ich selbst einer bin. Emotionale Bilderwelten, schnelle Schnitte, am besten hochkant oder als Quadrat unter 60 Sekunden. Inhalte? Lol! Besser mal weglassen, ne! Lieber in emotionsgetränkten Snaps mit schicken Filtern denken, die zur Teilbarkeit in den Communitys anregen.
2. Niemand hängt im öffentlichen Raum ein Plakat einer Partei auf, das nicht eindeutig von der Partei selbst abgesegnet und finanziert wurde (Wahlkampfspenden mal außer Acht gelassen). Auf Facebook kann man Wahlwerbung und deren Absender hingegen viel besser verschleiern. Man kann problemlos Kampagnen aus anderen Ländern heraus aufsetzen und sich so in den Wahlkampf einmischen – vorausgesetzt, irgendwelche plakativen Facebook-Posts gewinnen/zerstören wirklich das Vertrauen der Menschen in Parteien.
3. Wahlwerbung auf Facebook und in anderen sozialen Netzwerken kann weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Wir haben es mit einer Vermummung des Wahlkampfes zu tun. Mit sogenannten Dark Posts ist es möglich, bestimmte Botschaften an ausgewählte Leute mit entsprechenden Profilen zu übermitteln. Für Menschen, die nicht ins Datenraster fallen, bleiben diese Botschaften unsichtbar. Die Öffentlichkeit bekommt nicht mehr so einfach mit, wer was wie wo und zu wem sagt. Verschiedene Journalisten versuchen deshalb gerade durch Aktionen und technische Finesse genau diese Vollverschleierung zu lüften. Plakate hingegen hängen viel zu gut sichtbar im öffentlichen Raum und die Parteien stellen mittlerweile in aller Regel auch all ihre Plakate der Öffentlichkeit vor, bevor sie von fleißigen Parteisoldaten – unerreichbar für mit Eddings bewaffnete Jugendliche – hoch an die Laternen geheftet werden. (Fun Fact: Auf Facebook-Anzeigen kann man auch keinerlei Schnurrbärte kritzeln – egal ob Sie das nun gut oder schlecht finden.)
4. Auf Facebook (und im Netz allgemein) lassen sich relativ einfach und erfolgreich Diffamierungen und bewusste Falschbehauptungen platzieren. Da werden dann nicht nur Fake News, sondern auch Fake Wahlwerbung – man nennt es auch liebevoll Parodie – für Parteien gestreut. Die Diskreditierung der anderen führt zu einem erhofften Vertrauensverlust. Das dabei frei werdende Vertrauen versucht man dann für die eigene Partei abzuschöpfen. Das ist nicht nur seit Vertrauen zersetzenden Kommunikaten wie „Lügenpresse“ oder „Merkel-Diktatur“ gängige Praxis – ich sage nur Hintze und seine „roten Socken“. Doch Letzteres konnte wenigstens im öffentlichen Diskurs problemlos kritisch hinterfragt werden. Mit Dark Posts sieht die Sache dagegen schon ganz anders aus.