Heute ist Silja Graupe Professorin für Ökonomie und Philosophie – und eine wahre Spezialistin für Denkverbote in Wissenschaft und Bildung. Wenn sie solche wittert, erwacht ihr Tatendrang: Wie weit lassen sich diese imaginären Verbotsschilder in Wissenschaft und Lehre verschieben, bis man tatsächlich an problematische Grenzen stößt, wie beispielsweise juristische Grenzen? Sie probiert es nicht nur selbst immer wieder aus. Sie motiviert auch andere, es ihr gleichzutun. Längst fand sie heraus: Die Angst anzuecken, sei beim Gros der Wissenschaftler größer als der Schaden, der entstehen könne, wenn man über Denkverbote hinaus gehe.
Graupe schwimmt nicht nur gegen den Strom der Marktideologen. Sie erfindet an der privaten Cusanus Hochschule in Bernkastel-Kues gemeinsam mit ihren Mitstreitern auch die ökonomische Bildung neu. Experimentiert wird mit Lehrinhalten und Lernformen, die weitaus mehr Freiräume im Denken und Handeln zulassen als in der herkömmlichen Ökonomielehre sonst üblich. An der Cusanus Hochschule sollen Studierende einen schöpferischen Umgang mit den Herausforderungen unserer Zeit lernen. Sie sollen unbedingt auch selbst handeln und nicht bloß Erkenntnisse sammeln: Wie lassen sich soziale und ökologische Ideen in die weltweite Ökonomie integrieren, wie kann man selbst verantwortlich wirtschaften, der Gesellschaft ein weitaus verträglicheres Wirtschaftssystem ermöglichen?
Für Silja Graupe sind ein freies, kreatives, unverfügbares Denken und das ökonomische Wissensfeld keine unüberwindbaren Gegensätze – sie gehören zusammen. Algorithmen und mathematische Modelle findet sie gut. Die Professorin kritisiert aber, wie diese derzeit in Bildung und Wissenschaft dargestellt und vermittelt werden. Immer mehr Studierende könnten zwischen Modell und Realität gar nicht mehr unterscheiden, was Graupe bedenklich findet. Ihr geht es darum, den freien, schöpferischen Geist wieder in Wirtschaftsprozesse zurückzuholen.