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„Digitalisierung? Müssen wir wohl bald einführen!“

Konferenzraum
Foto: iStock/mariakraynova
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Es gibt Dinge, die Manager einfach zu leicht nehmen. Es sind solche, die sich nicht mit dem gängigen Prozesshandwerkskasten „einführen lassen“. Management ist bekanntlich eine generisch logistische Aufgabe, die darin besteht, ein Unternehmen von einem Punkt („Ist“) zu einem anderen Punkt („Soll“ oder „Ziel“) zu führen. Für diese Aufgabe stehen dem Management allerlei Methoden, Geldmittel, Mitarbeiter und Machtbefugnisse zur Verfügung. Es wird nun angenommen, dass diese Durchführungsmittel zusammen mit der im Topmanagement vermuteten extremen Willensstärke geeignet sind, das Unternehmen zu jedem anderen gewünschten Zustand im Universum zu führen.

Das sind sie nicht. Jeder weiß nämlich: Willen reicht nicht, wenn es an Können fehlt. Und das Können fehlt heute in den Unternehmen so sehr wie nie zuvor. Es liegt an der Digitalisierung. Autobauer haben wenig Schimmer von Selbstfahr-IT, Stromversorger haben wenig Kenntnis in Smart-Grid-IT, Banken waren einmal sehr gut in dem, was wir heute mit legacy bezeichnen. Die Telekoms haben noch nie wirklich mit Content zu tun gehabt, die Sensorhersteller im Mittelstand nichts mit einem Internet der Dinge. Für sie alle bedeutet Digitalisierung so etwas wie die Aufforderung an einen Klempner, eine Steuerberatung durchzuführen. „Banane!“, sagt jedes Kind. „Das kann er nicht.“

Erinnern Sie sich an die Schweinezyklen, wenn einmal in der Produktion Land unter war und ein andermal keine Aufträge kamen? Da sind die Manager jedes ätzende Mal fix damit gewesen, Vertriebsmenschen in die Werke zu schicken oder Ingenieure aus den Werken zu holen, um draußen zu verkaufen. Das ging noch nie – ohne dass es einen nennenswerten Lerneffekt in irgendeinem Managementteam erzielt hätte. Man lernt bekanntlich aus Fehlern, aber das Management macht ja keine.

Wenn nun schon das Verschieben verschiedener Tätigkeiten in einem Unternehmen nicht klappt, dann gelingt doch nie und nimmer ein vollständiges Umlernen zur Digitalisierung!

Ach wissen Sie, diese Kolumne entstand so: Es gibt eine Studie von Accenture (eine so renommierte Adresse – da wird man das Ergebnis aus dem Jahr 2015 wohl schlucken dürfen). Nach ihr geben 62 Prozent der Manager an – nein – nach ihr geben sie die Auskunft (exakter formuliert, nicht so doppeldeutig), keine Digitalstrategie zu haben. 77 Prozent jedoch meinen, in drei Jahren von heute an den Wandel zu einem digitalisierten Unternehmen vollzogen zu haben.

Gang ins Ungewisse

Hilfe! Sie als Leser haben doch sicher alle diese Aussagen von langjährig etablierten Unternehmen gelesen: „Wir haben hundert Jahre lang Wissen und Erfahrungen im Autobau gesammelt, da kann nicht einfach Google kommen und uns in nur zehn oder 20 Jahren einholen oder gar überholen.“ Aha, das, was die Unternehmen jetzt gut können, kann man offenbar nicht in weniger als zehn Jahren erlernen. Aber das bisschen Digitalisierung schaffen sie in drei Jahren?

Liebe Leute, mir wird ganz schlecht. Nicht einmal eine SAP-Einführung bekommen Nichtdigitale in ein paar Jahren hin. Man sagt ja nicht „SAP kaufen“ oder „SAP lizenzieren“, sondern „SAP einführen“, worunter SAP eigentlich immer das Umbauen der Geschäftsprozesse zu einem besseren Unternehmen versteht. Und dann? Viel später heißt es (ich überspitze dramatisch): „Wir haben anlässlich der SAP-Einführung gemerkt, auf wie vielen sinnlosen und unwirtschaftlichen Prozessen unser Unternehmen fußt und dass es aus erstaunlichen Gründen immer noch funktioniert hat. Es war gar nicht so einfach, diese entsetzlich komplexen Abläufe ganz genauso ins SAP zu pressen, damit wir nach der erfolgreichen Einführung exakt so weiterarbeiten können wie schon immer. Darauf sind wir ein bisschen stolz. Das SAP behindert uns nicht mehr.“

Nun also Digitalisierung! Es ist im Prinzip dazu gedacht, das Unternehmen auf neue Füße zu setzen, eventuell mithilfe von Flügeln aufzuschwingen. Viele Berufsgruppen müssen folglich durch ganz verschiedene ersetzt werden – nicht umgeschult. Der Sollzustand ist eigentlich erst zu designen, er ist jedenfalls vor der Digitalisierung nicht wirklich bekannt. Es wird ein Gang ins Ungewisse. Da versagt normales Management, weil die Methoden und Arbeitshaltungen, die Werkzeuge und Vorgehensweisen nur für das logistische Bewegen zu einem bekannten Zustand hin taugen.

Gunter Dueck
Gunter Dueck (Foto: Michael Herdlein)
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Direct Dueck

Gunter Dueck besitzt die Gabe, einen in innere Jubelstürme ausbrechen zu lassen. Das gelingt ihm, wenn man ihn als Vortragenden auf der Bühne erlebt, aber auch mit seinen Texten und Büchern, mit seinen Interviews. Er schafft es auf ganz außergewöhnliche Weise die Dinge auf den Punkt zu bringen: Oft schleicht er sich erst an ein Thema heran, um dann umso hartnäckiger ein Problem herauszuarbeiten. Seine Thesen trägt er zumeist ruhig und gelassen vor, und doch sind sie oft – das merkt man manchmal erst später – messerscharfe Fallbeile. Dann erheben sich – siehe oben – die inneren Jubelstürme. Und oft jubeln ihm die Menschen nicht nur innerlich zu: Auf großen Tagungen wie der re:publica ist er ein unumstrittener Star. Umso schöner, dass er das MERTON-Magazin mit einer regelmäßigen Kolumne bereichert. Er nennt sie Direct Dueck, was auf ein paar schöne scharfe Fallbeile in Textform hoffen lässt. 

Das Erreichen des lange Zeit und weiterhin, immer wieder aufs Neue Unbekannten wird in wolkige Worte gefasst: Wandel, Innovation, Zukunft, Aufbruch. Irgendwie ist es aber eine innere Weigerung, wirklich Neues zu lernen. Es ist ein Widerstreben, etwas zu erreichen, was mit den herkömmlichen Methoden nicht erreichbar ist (wenn es überhaupt anerkannt wird, dass dies so sein muss). Es ist die Angst, dort anzupacken, wo man als Noob anfangen muss, ohne mit hundert Jahren Erfahrung protzen zu können. Wer glaubt, das Digitalisieren mal eben so als Projekt abfackeln zu können, ist ein Noob (schnell googeln: a person who is inexperienced in a particular sphere or activity, especially computing or the use of the internet). Und wer glaubt, das auf den ersten Anhieb gleich agil hinzubekommen oder noch schneller, wenn er es „agile“ ausspricht, der – ach nein, das ist ein anderes Thema.

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