Herr Kunstmann, Sie forschen seit vielen Jahren zum Wasserressourcenmanagement in Regionen mit Wasserknappheit. Ist Wasser die entscheidende Ressource auf diesem Planeten?
Nach der Luft ist Wasser die wichtigste Ressource, denn ohne Wasser gibt es kein Leben. Gleichzeitig wird die Ressource Wasser trotzdem häufig gering geschätzt, denn der Mensch ist geneigt, Wasser in ausreichender Menge als selbstverständlich anzunehmen. Dem ist aber nicht so.
Warum?
Die Verfügbarkeit der Ressource Wasser wird sich, um nur mal ein Beispiel zu nennen, ändern, weil die Weltbevölkerung nach Schätzungen der Vereinten Nationen bis Ende des Jahrhunderts von derzeit 7,8 auf fast elf Milliarden Menschen wachsen wird. Unabhängig von den Auswirkungen der Klimaveränderung wird schon allein dadurch die Wasserverfügbarkeit pro Kopf abnehmen. Die Ressource Wasser wird in vielen Teilen der Erde zum limitierenden Faktor.
Impact of Science
Der Wasser-Prophet

Worauf basieren diese Systeme?
Es handelt sich um regionale Modelle, die in ein globales Atmosphärenmodell eingebettet sind. Diese räumlich sehr grob aufgelösten Informationen verfeinern wir mit Modellsystemen derart, dass regional und lokal Entscheidungen unterstützt werden können. Dazu müssen wir beispielsweise über die Landoberfläche und den Untergrund Bescheid wissen. So können wir berechnen, wie viel Niederschlag ins Grundwasser wandert oder von Vegetation und Boden aufgenommen wird. Wir brauchen also hochwertige Daten der Landnutzung, der Vegetation, der Bodeneigenschaften oder der Geländemorphologie.
„Es ist ein Irrtum zu glauben, dass uns in Europa die Wasserverfügbarkeit in Afrika, China, Indien oder Südamerika nicht interessieren müsste, nur weil es hierzulande ganz grün aussieht. Der Wasserkreislauf ist global, Feuchtigkeit transportierende Luftmassen stoppen nicht an politischen Grenzen.“


Große Teile Deutschlands haben drei trockene Jahre hinter sich. Müssen wir uns Sorgen machen, dass wir in Zukunft nicht mehr genug Wasser haben?
In der Fläche nicht, aber in einzelnen Regionen wie Brandenburg oder Franken auf alle Fälle. Im Steigerwald in Unterfranken gibt es stellenweise nur 350 Millimeter Jahresniederschlag. Das ist weniger als die Hälfte des jährlichen Durchschnitts von Deutschland und vergleichbar mit Athen. Die Probleme im Wald erkennt auch der Laie: Die Buchenwälder zeigen massive Schäden. In den tieferen Bodenschichten herrscht extreme Trockenheit. Für die Trinkwasserversorgung sehe ich großflächig aber noch keine grundsätzlichen Probleme.
Sie plädieren für einen nachhaltigen Umgang mit Wasser. Ist das nicht selbstverständlich?
Nachhaltiges Wassermanagement müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, leider verhält sich die Gesellschaft konträr dazu. Sie nimmt nicht wahr, wie bedroht die Wasserverfügbarkeit mittlerweile ist, und schon gar nicht, dass wir über unsere Güter und Warenströme mit dem Wasserkreislauf weit entfernter Regionen verbunden sind. Es ist also ein Irrtum zu glauben, dass uns in Europa die Wasserverfügbarkeit in Afrika, China, Indien oder Südamerika nicht interessieren müsste, nur weil es hierzulande ganz grün aussieht. Der Wasserkreislauf ist global, Feuchtigkeit transportierende Luftmassen stoppen nicht an politischen Grenzen. Kaufe ich ein T-Shirt, stammt die Baumwolle aus der Türkei oder aus Burkina Faso, wo dafür Plantagen bewässert werden mussten und in den Wasserhaushalt womöglich nicht nachhaltig eingegriffen wurde. Die Aufmerksamkeit, die die Klimaforschung und die globale Erwärmung mittlerweile im öffentlichen Bewusstsein und der politischen Diskussion haben, brauchen wir auch für das Thema Wasser.
Was bedeutet Ihnen vor diesem Hintergrund die Auszeichnung?
Es freut mich außerordentlich, dass das Thema Wasserressourcen, insbesondere in der Subsahara, mit dem Preis eine größere Aufmerksamkeit erlangt hat. Die Region steht vor großen Problemen, von denen wir in Deutschland kaum etwas mitbekommen. Auch für mich persönlich bedeutet die Auszeichnung viel: Zum einen gibt es kaum Forschungspreise auf dem Gebiet der Wasserforschung, deswegen ist der Preis etwas Besonderes. Zum anderen ist es auch eine Anerkennung für die Anstrengungen, die mein Team und ich in dieser schwierigen Region auf uns nehmen und die verbunden sind mit Entbehrungen wie etwa der längeren Abwesenheit von unseren Familien während der Forschungsaufenthalte vor Ort.
Rüdiger Kurt Bode-Stiftung im Stifterverband
Die Rüdiger Kurt Bode-Stiftung im Stifterverband wurde 2009 vom Hamburger Pharmazeuten und Unternehmer Rüdiger Bode zur Förderung der interdisziplinären Forschung auf dem Gebiet der Lebens- und Naturwissenschaften errichtet. Schwerpunkt des Stiftungsprogramms ist die Vergabe des 2011 ins Leben gerufenen und mit 100.000 Euro dotierten Wasser-Ressourcenpreises, der im Dreijahresturnus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auszeichnet, die in interdisziplinärer, praxisorientierter Forschungsarbeit an der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft herausragende Strategien und Konzepte für eine nachhaltige Nutzung der globalen Wasserressourcen entwickeln. Das Preisgeld dient dazu, die Forschungsmöglichkeiten der Ausgezeichneten zu erweitern.
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