Genau an der Stelle, wo ich heute am Verkaufstresen stehe, stand einst mein Urgroßvater. Mehr als 110 Jahre ist das her. 1907 gründete er das Unternehmen, er war der erste Bürstenmacher bei uns in der Familie. Es muss hier damals schon so gerochen haben wie heute: ein angenehm milder Duft nach Holz und Tierhaar. Bis in die 1960er-Jahre hinein waren es goldene Zeiten für die Firma, mein Urgroßvater und später mein Opa beschäftigten mehrere Gesellen, sie belieferten die Bamberger Brauereien, die Bayerischen Staatsbahnen und Haushalte in der weiteren Umgebung.
Um ehrlich zu sein: Als Kind konnte ich mit dem Bürstenmacherhandwerk nie viel anfangen. Ich habe Informatik studiert, weil ich dachte, dass ich da einen sicheren Job bekomme. Aber richtig erfüllend fand ich meine Aufgaben nicht. Meine Mutter wollte den Laden schon noch ein paar Jahre fortführen, aber ein Nachfolger war nicht in Sicht. Sie ermutigte mich, es auszuprobieren. Ich kam ins Grübeln. Soll das Bürstenmacherhandwerk wirklich in Vergessenheit geraten? Soll auch hier in unser Haus aus dem 16. Jahrhundert ein Ein-Euro-Ramschladen einziehen? Nein, das wollte ich nicht.
Also sattelte ich um: Sechs Stunden brauchte ich für meine erste Bürste, inzwischen sitzen die Handgriffe, und ich schaffe es in zwei Stunden – viel Aufwand für ein Produkt, das man auch im Supermarkt kaufen kann. Aber das ist natürlich nicht dasselbe. Wir fertigen Stubenbesen aus Rosshaar und Staubpinsel aus Ziegenhaar, weil das sehr gut den Staub bindet, dazu Schuhputzbürsten, Kleiderbürsten, Rasierpinsel. Viele Bürsten, die wir verkaufen, mache ich nicht selbst – aber die besonders wertvollen Exemplare stammen aus unserer Werkstatt.