Wie zu erwarten, wurde „Flüchtlinge“ zum Wort des Jahres 2015 gewählt. Die Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) schreibt dazu: „Das Substantiv steht nicht nur für das beherrschende Thema des Jahres, sondern ist auch sprachlich interessant. Gebildet aus dem Verb ‚flüchten’ und dem Ableitungssuffix ‚-ling’ (Person, die durch eine Eigenschaft oder ein Merkmal charakterisiert ist), klingt ‚Flüchtling’ für sprachsensible Ohren tendenziell abschätzig. Analoge Bildungen (…) sind negativ konnotiert, andere (…) haben eine deutlich passive Komponente.“
Beide Zuschreibungen passen zwar ins Bild eines irgendwie problematischen Wortes, sind aber für „Flüchtlinge“ durch nichts begründet. Aller Wahrscheinlichkeit nach treffen sie nicht zu. Das Wort ist alt und, wie Sprachwissenschaftler sagen, lexikalisiert im Sinne von „nicht mehr transparent“. Diese Eigenschaft teilt es mit zahlreichen anderen Wörtern wie Findling, Liebling, Zwilling, Stichling, Sämling, Frühling, die keineswegs negativ konnotiert sind. Die passive Komponente tritt bei Ableitungen von bestimmten transitiven Verben auf wie bei prüfen – Prüfling, säugen – Säugling, impfen – Impfling. Das Verb „flüchten“ gehört nicht zu dieser Gruppe. Unter den über 300 Wörtern mit der Endung -ling findet jeder, was er gerade braucht.