„Künstliche Intelligenz“ (KI) polarisiert. Die einen glauben daran, dass die Entwicklung der Computer in eine neue Qualität umschlägt und etwas entstehen lässt, das intelligenter als der Mensch ist. Wenn man die Presse liest, kann man schon auf diese Idee kommen: Nicht nur ist das Wort „intelligent“ in vielerlei IT-Fachausdrücken verbaut. Man liest ja auch, dass Stephen Hawking (Superhirn) und Elon Musk (Super-Ingenieur) vor ihr warnen, weil die KI solche Fortschritte macht. Wenn man aber die Quellen näher ansieht, geben sie gar nicht viel her. Elon Musks Warnung stammt aus einem TV-Interview und war genau einen Satz lang – und vor dem Hintergrund seiner Aktienkäufe ist eher unklar, wie er diese Warnung gemeint hat. Stephen Hawking formuliert nur seine Befürchtungen, dass die Menschheit im Wettbewerb gegen KI verlieren werde und begründet seine Einschätzung materiell nicht. Er initiiert einen Offenen Brief, wonach bei neuer Technologie die sozialen Folgen zu beachten sind – eine Selbstverständlichkeit und eine Reaktion auf das mehr technisch getriebene Silicon Valley und paradoxerweise ganz im Einklang mit anderen Valley-Grössen wie Jaan Tallinn (Skype) und Bill Gates (Microsoft, natürlich). Dieser Brief beschreibt die unstrittigen Fortschritte der KI auf den Gebieten Bilderkennung, Spracherkennung, maschineller Übersetzung und autonomen Fahrzeugen, ohne eine Einordnung vorzunehmen. Auch die Thesen von Facebook-Milliardär Peter Thiel sind praktisch begründungsfrei und müssen vor dem Hintergrund seiner Beteiligungen an KI-Unternehmen gesehen werden. Ein ähnliches Bild vermittelt Telekom-CEO Höttges, der „in Kürze“ den Unterschied beim „Denkvermögen“ zwischen Mensch und Maschine aufgeholt sieht, aber keine Begründung liefert – diese überraschende mentale Wendung des ehemaligen CFO, der reihenweise digitale Dienste geschlossen hat, deutet auf PR-Zwecke. Glaubt man hingegen KI-Professoren wie Wolfgang Wahlster vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) oder Klaus Mainzer (empfehlenswertes Buch „Künstliche Intelligenz – wann übernehmen die Maschinen?“), sehen sie das Überschreiten menschlicher kognitiver Fähigkeiten nicht in Gefahr. Mein Eindruck nach vielen Quellen dazu: Die KI-Berichterstattung hat Elemente eines Medienphänomens, das Medien-Celebrities begünstigt und Übertreibungen verstärkt. Die Wissenschaft, zumal die deutsche, ist da sehr viel weniger emotional. Gründe, mit einem Lobgesang auf KI noch etwas zu warten, gibt es genug.