Leistungsträger sind zehnmal besser

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Foto: iStock/Jirsak
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Ganz früh am Morgen. Klingeling.
„Ja? Entschuldigung, ich bin noch im Bademantel.“ – Da steht ein Mann vor der Tür, dessen Arbeitszeug man deutlich die Spuren schwerer Arbeit von mehreren Tagen ansieht.
„Ich bin von Firma X. Das Gästeklo. Ist das hier richtig?“ 
„Ach ja, das Wasser läuft immer ein bisschen. Ich hatte deswegen vor zehn Tagen bei Ihnen angerufen.“ 
„Bei mir nicht. Ich habe nur den Auftrag. Ja gut. Ich schaue einmal.“ Werkel, werkel. Laute Geräusche. Tappt nass ins Wohnzimmer.
„Der Schwimmer.“ – „Ist das schlimm?“
„Nein, der Schwimmer muss neu. Ich komme morgen wieder.“ – Morgen? Nichts. Übermorgen. Klingeling.
„Ja? Ach, der Schwimmer?“
„Muss mal schauen, ob dieser hier passt. Moment. Moment ... Nö. Mist. Ich komme morgen wieder. Lassen Sie am besten alles so stehen.“
Irgendwann ist alles repariert. Puh.

Ganz früh am Morgen. Klingeling auf dem Smartphone.
Eine SMS: „Ich komme wegen der Gästetoilette in 90 Minuten bei Ihnen vorbei. Ist es genehm? Sie hatten gestern Abend angerufen. Gibt es ein Etikett am Klo, eine Marke, ein Fabrikat? Bitte ein Handyfoto, wenn es geht.“ 
Schickt ein Foto. Klingeling.
„Kommen Sie rein!“ 
Nach zwei Minuten: „Der Schwimmer muss ausgetauscht werden, ich habe einen mit. Danke für das Foto.“ 
Zehn Minuten später: „Das war’s. Ich habe gleich auch alles sauber gemacht.“ 
„Okay, vielen Dank.“ 
„Tropft sonst noch was? Der Duschkopf ist oft schlecht.“ 
„Ja, das stimmt! Schauen Sie einmal. Wir haben einen mit Silberschlauch, ich hätte gerne einen in Weiß.“ 
„Besorge ich Ihnen. Matt oder glänzend? Welche Länge? Ist die hier gut?“ 
„Ja.“ 
„Schauen wir oben auch?“ 
Nach einigen Reparaturen und Neubestellungen eine vorsichtige Frage: „Haben Sie auch Ahnung von Ölheizungen? Die sollen ja verboten werden.“ 
„Sehen wir uns das an?“ 
„Gerne, hier hinunter.“ 
„Machen Sie regelmäßig Wartungen?“ 
„Äh ...“
Das Haus wird generalüberholt, alle sind glücklich.

„Wenn man mitzählt, welche Unglücke die Unfähigen erzeugen und wie viele Kunden sie final vergrätzen, dann kommt eventuell heraus, dass sie ihrem Unternehmen per saldo enorm schaden.“

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Gunter Dueck (Foto: Michael Herdlein)
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Gunter Dueck

Hopp oder Top

Diesen Unterschied versteht absolut jeder, oder? Aber die meisten Leute lesen zur Sicherheit Bestseller über Empathie, den Kunden im Mittelpunkt und über das Sieger-Gen, das jeder lernen kann; außerdem Fachliteratur, wie man Schwimmer optimal schnell in Gästeklos einbaut. Ich habe zur Sicherheit gesurft, wie groß der Leistungsunterschied zwischen großartigen und mauen Leuten sein könnte, zwischen toll und na ja. Da gibt es wohl viele Schätzungen, die natürlich auch vom Beruf abhängen. Es sieht so aus, dass bei einfachen Arbeiten (zum Beispiel beim Putzen) die Top-Performer nur doppelt so gut sind, aber bei höheren Aufgaben fünf- bis zehnmal effektiver. Top-Verkäufer machen zehn- bis zwanzigmal mehr Umsatz als Anfänger. Bei Wissenschaftlern oder Künstlern ist der Faktor sicherlich noch viel höher, weil viele ja nur für die Tonne oder den Schredder arbeiten, in dem zum Beispiel die meisten Masterarbeiten landen (nein, sie stehen in der Bibliothek, klar). Sie wissen es. Professoren, die sich schämen könnten, loben ihre unermüdlichen Bemühungen um derzeit noch zweckfreie Grundlagenforschung. Literaturagenten halten mehr als 99 Prozent der eingereichten Manuskripte für Mist. Wenn Sie Leistungsunterschiede in vollen Zügen genießen wollen: Schauen Sie zur Probe noch die erste Runde von „Deutschland sucht den Superstar“ oder von „Germany's next Topmodel“ an.

Sie wissen ganz genau (Sie lesen schließlich MERTON!), dass es ebenso wundervolle Programmierer, Gründer und Ingenieure gibt, und eben andere. Daher habe ich das Beispiel mit dem Klempner gewählt. Sie sollen sehen, dass die Leistungsträger ÜBERALL zehnmal besser sind, wenn man ihre erbrachte Leistung auf der Rechnung ansieht. Wenn man aber noch mitzählt, welche Unglücke die Unfähigen erzeugen und wie viele Kunden sie final vergrätzen, dann kommt eventuell heraus, dass sie ihrem Unternehmen per saldo enorm schaden. 

Gunter Dueck (Illustration: Irene Sackmann)
Gunter Dueck (Illustration: Irene Sackmann)
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Direct Dueck

Gunter Dueck besitzt die Gabe, einen in innere Jubelstürme ausbrechen zu lassen. Das gelingt ihm, wenn man ihn als Vortragenden auf der Bühne erlebt, aber auch mit seinen Texten und Büchern, mit seinen Interviews. Er schafft es auf ganz außergewöhnliche Weise die Dinge auf den Punkt zu bringen: Oft schleicht er sich erst an ein Thema heran, um dann umso hartnäckiger ein Problem herauszuarbeiten. Seine Thesen trägt er zumeist ruhig und gelassen vor, und doch sind sie oft – das merkt man manchmal erst später – messerscharfe Fallbeile. Dann erheben sich – siehe oben – die inneren Jubelstürme. Und oft jubeln ihm die Menschen nicht nur innerlich zu: Auf großen Tagungen wie der re:publica ist er ein unumstrittener Star. Umso schöner, dass er das MERTON-Magazin mit einer regelmäßigen Kolumne bereichert. Er nennt sie „Direct Dueck“, was auf ein paar schöne scharfe Fallbeile in Textform hoffen lässt. 

Alle MERTON-Kolumnen von Gunter Dueck

Was passiert zum Beispiel, wenn eine Stümperstudie als Masterarbeit in der Presse erscheint, nach deren unsinnigen Empfehlungen sich Menschen tatsächlich richten? Wenn Ärzte falsch behandeln? Wie beziffern Sie es, wenn schlechte Lehrer Seelen verkümmern lassen? Wenn Sie den Schaden von schlechter Arbeit mitzählen, sind Leistungsträger irre viel besser, mehr als zehnmal.

„Wenn Sie den Schaden von schlechter Arbeit mitzählen, sind Leistungsträger irre viel besser, mehr als zehnmal.“

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Gunter Dueck (Foto: Michael Herdlein)
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Gunter Dueck

Was zeichnet Leistungsträger aus? Schauen Sie doch einfach hin! Trauen Sie sich das nicht zu, so wie der professionelle Klempner zu arbeiten? Was hindert Sie? Eigentlich nichts, aber ... Warum sind dann die Topakademiker wieder zehnmal besser als die anderen Oberschlauen? Warum werden die übrigens so schlecht bezahlt? Die besten Leute (zum Beispiel Ingenieure im Maschinenbau) bekommen vielleicht 50 Prozent mehr als die sehr durchschnittlichen. Warum nicht zehnmal mehr? Im Vertrieb ist das so. Dort wird unter Umständen „uncapped“ nach Umsatz bezahlt, das erzeugt ab und an Millionäre. Manager finden auch, dass sie zigmal besser bezahlt werden müssen, eigentlich gleich ohne Rücksicht auf die Leistung; es war schließlich kühn und mutig, den Konkurrenten zu kaufen.

Und schließlich: Warum bilden die Unternehmen ihre Experten nicht in Professionalität aus, wenn sie dabei so hohe Leistungssteigerungen ernten können? Was kostet ein Jahr „Ins-Silicon-Valley-Schicken“ gegenüber „30 Jahre Hochleistung“ danach? Warum verschleißt man die Leute mit Überstunden? Damit kann man nur so 25 Prozent für einige Zeit rauspressen ... Wer schaut auf Faktor 10? Ist der Faktor 0,5 der ganz Leistungsschwachen angeboren, oder was?

[Damit ich nicht der Polemik verdächtigt werde, hier noch ein Link mit Kennzahlen zum Thema.]

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