Ich habe in den letzten 20 Jahren viele Bücher und andere Texte gemeinsam mit Koautorinnen und Koautoren geschrieben. Die Zusammenarbeit fühlt sich wie eine Erweiterung meiner Denkmöglichkeiten an und ich kann schon kurz nach dem Schreiben nicht mehr sagen, welche Idee oder Textstelle von wem stammt. Das geht auch anderen Autoren so; in „Schreibende Staatsquallen“ habe ich für einen Vortrag ein paar Beispiele zusammengetragen. Die Beispiele waren schwer zu finden, weil es nicht viel Literatur über die Details des Zusammenarbeitsvorgangs gibt. Und sie waren leicht zu finden, weil in der kleinen Gesamtmenge solcher Auskünfte oft von diesen Effekten die Rede ist.
Noch interessanter, weil noch seltener beschrieben, sind die Gründe für das Ende der Zusammenarbeit. (Wer zu wenig Zeit hat, das ganze Buch zu lesen, kann hier ein knapp einstündiges Interview mit dem Autor Michael Lewis sehen, in dem dieser Aspekt relativ ausführlich behandelt wird.) Selbst der Wissenschaftsbetrieb, in dem Kollaboration schon lange der Normalfall ist, kommt mit Einzelautoren besser zurecht als mit Paaren oder Gruppen. Wenn unklar ist, von wem eine Idee stammt, ist auch nicht klar, wen man dafür befördern, wem man Preise aushändigen, wem man Stellen anbieten soll. Amos Tversky war extrovertierter als Daniel Kahneman, und in der öffentlichen Wahrnehmung schrieb man ihm den Großteil der gemeinsamen Leistungen zu.
1977 erhielt Tversky Stellenangebote aus Stanford und Harvard. Keine der beiden Universitäten interessierte sich für Kahneman. 1984 bekam Tversky einen sehr gut dotierten „Genius Grant“. Die Pressemitteilung erwähnte nur Arbeiten, die beide gemeinsam verfasst hatten. Kahnemans Name kam darin nicht vor. Kurze Zeit später wurden Tversky ein Guggenheim Fellowship, eine Einladung in die National Academy of Sciences und diverse Ehrendoktorgrade amerikanischer Universitäten zuteil. Kahneman arbeitete weitgehend unbeachtet an der University of British Columbia in Vancouver.
Der Harvard-Psychiater Miles Shore hat Kahneman und Tversky in dieser Zeit für ein Buch über besonders produktive Arbeitspartnerschaften interviewt und Michael Lewis das Material zur Verfügung gestellt. Dadurch ist das Ende der gemeinsamen Arbeit gut dokumentiert: „‚The spoils of academic success, such as they are—eventually one person gets all of it, or gets a lot of it,‘ [Kahneman] said. ‚That’s an unkindness built in. Tversky cannot control this, though I wonder whether he does as much to control it as he should.‘"
Amos Tversky ist nicht blind für das Problem, fühlt sich aber unschuldig: „‚The credit business is very hard,‘ said Amos. ‚There is a lot of wear and tear, and the outside world isn’t helpful to collaborations. There is constant poking, and people decide that one person gets the short end of the stick. It’s one of the rules of balance, and joint collaboration is an unbalanced structure. It is just not a stable structure. People aren’t happy with it.‘"
Die Zusammenarbeit endet, die Freundschaft zerbricht an der ungleichen Außenwahrnehmung. Ein ähnlich gelagertes Problem mit dem Wunsch der Außenwelt, aus der Kollaboration ein einfaches Einpersonenprojekt zu machen, beschreibt Almut Klotz in ihrem im Sommer 2016 posthum erschienenen Buch „Fotzenfenderschweine“: „Wir traten als Duo auf und wurden auch so gesehen. Allerdings stand in den meisten Ankündigungen und Flyern, dass‚ die ehemalige Lassie-Sängerin Almut Klotz ihr neues Buch präsentiert, begleitet von Reverend Ch. D‘. Also wieder diese unheimliche Ausgrenzung. Die immergleiche Formulierung brachte uns schnell zu ihrer Quelle: Es stand so im Pressetext unseres Verlags. Da tickte Reverend noch mal richtig aus. Zu Recht. Wie bitter ist es, vom eigenen Verlag so gedisst zu werden. Im Nachhinein muss ich sagen, dass man viel härter hätte reagieren müssen. Wir haben nur beim Verlag angerufen und gefordert, den Text sofort zu ändern. Eigentlich hätte man denen einen Kübel Scheiße in die Verlagsräume kippen sollen; in den Verlagsraum, um genauer zu sein."