Plug & Worx!

Laptop Eyes
(Foto: CC0)
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Oh, war das jedes Mal eine Nervenprobe, wenn wir damals unter Windows uralt ein neues Spiel oder ein neues Device installierten! Der Ton kam erst nicht, die Treiber benahmen sich seltsam, der Speicher musste kunstvoll konfiguriert werden. Es war spannend – würde es überhaupt je laufen? Man konnte sich ja nicht einfach Rat im Netz holen, das gab es noch nicht. Jeder kämpfte allein. Dann kam Plug-and-play: Damit meinte man, dass sich alles von Zauberhand selbst tat! Das funktionierte dann sogar mit den Jahren, die user-zäh verstrichen.

Heute entwickeln sich viele Berufe des Menschen in genau dieser Weise. Früher musste man jeden Neuen erst lange einarbeiten und ihm so vieles erklären. Er benötigte viel Zeit, um zu verstehen, wie das Unternehmen tickt, erst langsam – nach Monaten – entfaltete sich seine Arbeitskraft. Die Installation eines neuen Mitarbeiters dauerte eben lange, seine Treiber mussten vielfältig angepasst werden.

Ein neuer Taxifahrer musste ja erst die Straßen der Großstadt kennen, ein Postbote die speziellen Adressen der Hinterhäuser und der versteckt Lebenden. Heute ist das anders: Plug & Worx. Der Taxifahrer bringt sein Navi mit, es kennt die neue Stadt wie die alte davor. Der Postbote wird von seinem allwissenden Gerät gesteuert – wie das Bahnpersonal auch. Viele Berufe werden zur Flachbildschirmrückseitenberatung – Bank-„Berater“ und Autoverkäufer scheinen nur noch für uns zu surfen und uns die Auskünfte ihrer Software grundlos begeistert und absolut zuversichtlich vorzulesen. Soll der Verkäufer nun Volvo statt Ford verkaufen? Er bekommt eine andere Software. Wechselt der Berater von HP zu Dell? Er bekommt einen anderen VPN-Anschluss, es kann ja sogar sein, dass beide Firmen den von AT&T benutzen, dann reicht fast eine neue Einwahl-ID.

„Die Plug & Worx-Berufe, bei denen man eigentlich sofort loslegen kann, nehmen unaufhaltsam zu. Gleichzeitig sinken dort die Gehälter. Das wollen die Effizienz- und Industrialisierungsmanager ja so!“

Gunter Dueck

Die Plug & Worx-Berufe, bei denen man eigentlich sofort loslegen kann, nehmen unaufhaltsam zu. Gleichzeitig sinken dort die Gehälter. Das wollen die Effizienz- und Industrialisierungsmanager ja so! Die Berater sollen dieselbe Methodik mit denselben PowerPoints oder derselben Auskunftssoftware an den Kunden bringen. Aber sie werden damit eben auch industrialisiert. Sogar in der „WirtschaftsWoche“ wird schon die Stirn gerunzelt über angesehene Beratungshäuser, deren Folien und Fragebögen man ersurfen kann. Die Mechaniker bekommen von der Auto- und Flugzeugsoftware gesagt, welche Teile ausgetauscht werden sollen. Bald teilt unsere Apple Watch dem Arzt mit, was unser Körper verschrieben haben muss. Der Briefträger kann zum schmalen Mindestlohn irgendwo zu defekten Stellwerken oder Hochspannungsanlagen hingeschickt werden, er setzt dort eine Google-Brille auf und wählt einen Experten an, der durch die Brille schaut und sagt, wo welche Schraube wie gedreht werden soll.

Hilfe – die Welt funktioniert zunehmend zu gut! Wir werden zu schlecht bezahlten Robotern! Wir brauchen wieder Dinge, die wir nicht so gut beherrschen, damit echte Experten gefragt sind. Deswegen gibt es bald Industrie 4.0, was noch nicht einmal zu Ende gedacht ist, geschweige denn funktioniert. Deshalb sollten wir uns über so etwas wie selbst fahrende Autos, die CarBots, freuen, die niemanden mehr zur Routine degradieren – wir werden uns viele Jahre lang mit den Finessen eines Verkehrssystems die Hirne zermartern dürfen. Wir sollten uns vorfreudig mit Biotech, Meditech, Nanotech, Was-weiß-ich-Tech anfreunden – oder wir gehören zur jetzt noch stark wachsenden Armee der „ready-to-use“ „Plug & Worx“- Halbindustrialisierten.

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