„Unser Baby entwickelt sich prächtig. Es schläft durch, schreit nicht viel rum, es ist pflegeleicht.“ Später: „Unser Kind ist unser Stolz. Es ist intelligent und sehr brav, fast schon zu brav. Aber gut, wir haben keine Probleme.“ Später: „Wir haben in der Familie über seine Berufswahl nachgedacht. Guter Verdienst bei hoher Sicherheit. Staatsdienst oder ein großes Unternehmen, klar. Was studiert man da am besten?“
„Unser Kind fordert uns sehr. Es schläft kaum, wir gehen auf dem Zahnfleisch.“ Später: „Es fasst alles an, macht viel kaputt, zwängt sich überall dazwischen und will essen, was wir essen, partout keinen gesunden Designbrei. Extrem neugierig; außerdem wünschten wir, es hätte nicht so viel Energie. Das überfordert uns! Es schreit sofort, wenn es seinen Willen nicht bekommt! Wie fangen wir das ein?“
Kennen Sie das? Oft wird das erste Kind ziemlich brav, was wir Eltern uns selbst zuschreiben. Tolle Erziehung! Zur Strafe bringt uns der liebe Storch dann eins von der zweiten Sorte. Dann versuchen wir es echt mit Erziehung und scheitern im Schnitt. Es gibt eben Kinder, die ganz leicht zu dressieren sind, und andere, die vor Energie und vor eigenem Willen strotzen. Ich selbst gehöre zu einer selteneren Randsorte, die etwas ängstlich auf das Welttheater schaut, sich einige Zeit vermeintlich anpasst und sich dann mit zunehmender Selbstständigkeit aus dem täglichen Wahnsinn davonzustehlen versucht. Freiheit! Die kann man natürlich auch erreichen, wenn man sich anpasst: Dann hat man im gewährten Rahmen alle Freiheit. Man kann alternativ um mehr Raum kämpfen, das gibt Dauerzoff mit den Eltern und allen späteren Stellvertretern, den Lehrern, Chefs und Würdenträgern, die aus Systemgründen oder einfach nur so – und das ist der eigentliche Punkt – kollektiv das Dressierte zu vertreten scheinen.