Frühjahr 2015. Attacken auf Geistesmenschen. Angesehene Professoren an angesehenen deutschen Universitäten fühlen sich bedroht. Durch ihre eigenen Studierenden. Doch dieses Schauspiel findet nicht unmittelbar in den Vorlesungssälen statt, sondern im virtuellen Raum, auf anonymen Blogs – den sogenannten Watchblogs im Cyberspace. Hier findet die Vernetzung der Dinge statt. Der physische Hörsaal ist dabei zur reinen Peripherie verkommen. Die eigentlich spannende Debatte, die kritische Auseinandersetzung – wie man sie in Universitäten eigentlich vermutet – findet plötzlich nur noch rein virtuell und unter anonymer Urheberschaft statt.
Jedes Wort und jedes Nichtwort dieser Dozenten in ihren seit Jahren etablierten Vorlesungen wird fortan in diesen Blogs auf die digitale Goldwaage gelegt. Jede Theorie und nicht erwähnte Theorie, jede Person und nicht erwähnte Person, jeder nicht erwähnte Kulturkreis, jede nicht erwähnte Perspektive in Form von fehlenden Literaturangaben wird als ignorante Haltung einiger „weißer alter Männer“ interpretiert, die angeblich dem Chauvinismus, Rassismus oder sonstigem Ismus in die Hände spielt. Doch ein echter Austausch, eine gemeinsame Reflexion findet bis heute offenbar nicht statt.
Das Schauspiel muss auf die betroffenen Professoren wie eine futuristische und bizarre Hetzjagd wirken. Vielleicht vergleichbar mit einer Episode der fabelhaften britischen Technik-Dystopie „Black Mirror“. Dort trug sich Folgendes zu (Spoiler-Alarm): Eine Frau wacht auf. Sie weiß weder, wer sie ist, noch, wo sie ist. Plötzlich wird sie von einer Bande schreiender Vermummter mit Knüppeln durch einen ihr unbekannten Ort gehetzt. Nebendran stehen jede Menge Passanten und Hausbewohner. Doch was tun die, statt zu helfen? Sie gaffen nicht nur, sie filmen stumm und unnachgiebig – fast schon genüsslich – das Geschehen mit ihren Smartphones. Unfassbar. Beklemmend. Als Zuschauer empfindet man dabei natürlich umgehend Empathie für das Opfer. Doch dann erfolgt eine überraschende Wende.