Alle vertrauen auf Ampeln, aber viele fremdeln mit der Vorstellung, das Lenkrad im Fahrzeug einer algorithmischen Steuereinheit zu überlassen. Sind wir noch nicht reif für diese neue Technik?
Ich will da jetzt keine Volkspsychologie betreiben. Was ich aber beobachte ist, dass Technik immer auch Ängste auslösen kann. Man weiß, dass Flugzeuge im Verhältnis zu anderen Verkehrsmitteln sehr sicher sind, und geht doch mit einem mulmigen Gefühl an Bord, weil eben doch vereinzelt Flugzeuge abstürzen. Vielleicht ist das genetisch bei uns tief verwurzelt, dass wir in archaische Muster zurückfallen, wo wir mit allen Sinnen kontrollieren wollen, was wir tun und was unsere Umgebung tut. Und wenn man uns dabei ein stückweit besinnungslos macht, weil man uns Teile der Kontrolle nimmt, kriecht das Unwohlsein in uns hoch. Auch das autonome Fahren kann solche Urängste mobilisieren, denke ich. Man stellt sich den Prozess ferngesteuert vor und sich selbst sozusagen als Gefangener dieses fremdgesteuerten Raumes.
Verstehen wir das autonome Fahren noch nicht richtig?
Ja, diese neue Technologie wird von vielen noch missverstanden. Man stellt sich einen autonom fahrenden Roboter auf vier Rädern vor, der durch eine Umwelt fährt, die so aussieht wie heute. So, als würde sich nur das Fahrzeug als ein Peak der technologischen Entwicklung ins autonome Fahren hinein verändern und der gesamte Rest bliebe stumpf auf seinem jetzigen Entwicklungstand stehen. Aus meiner Sicht ist das ein gedanklicher Fehler, der wahrscheinlich auch dazu führt, dass viele das Konzept autonomes Fahren noch falsch bewerten. Unsere Kinder werden uns in einigen Jahren fragen: Aber ihr seid nicht ernsthaft ohne Sensorik in die uneinsichtige Kurve gefahren? Und wir werden antworten: doch! Mit dem Coffee-to-Go in der Hand …
Car-to-Car-Kommunikation und Maschine-to-Car-Kommunikation werden uns in zehn Jahren mit Informationen versorgen, die Autofahrer heute nicht haben.
Genau: Dann werden nicht nur Staus ins Cockpit gemeldet, sondern auch vereiste Straßenstücke, ein Reh am Straßenrand oder eine rutschige Ölspur voraus. In einer Verkehrswelt voller Sensoren, neuer Kommunikationsnetzwerke und in Echtzeit zugänglichen Daten- und Informationspools ist dann höchstwahrscheinlich ein tödlicher Unfall, wie wir ihn jetzt gesehen haben, schon gar nicht mehr denkbar – nicht, weil die Steuerung im Fahrzeug sich isoliert derart weiter entwickelt hat, sondern weil die Peripherie der Außenwelt smarter geworden ist.
Bekommen wir nach Smart Home und Smart Grid jetzt den Smart Straßenbelag?
Wenn man mutig ist, kann man sich so ein Szenario gut ausmalen: Dröger Beton und Teer werden mit mikrofeiner Sensorik, kleinsten RFID-Tags und eingelassenen magnetischen Kleinstpartikeln nachts sozusagen zu einer leuchtenden Piste, die unseren Autopiloten sicher nach Hause leitet, während wir schon dösen.
Eine solche smarte Infrastruktur muss großflächig entwickelt werden. Welche Hürden tun sich hier womöglich auf? Was hören Sie diesbezüglich aus Ihrem Umfeld als Jurist und Industrieanwalt?
Zunächst einmal wird die smarte Peripherie ein autonomes Fahren unterstützen müssen, das nicht Teil einer Schwarmintelligenz ist. Und schon zeichnen sich Wünsche der Wirtschaft ab, die vielleicht nicht erfüllt werden können, wie beispielsweise, dass es zur IT-Orientierung überall den perfekten weißen Randstreifen geben wird oder die immer blank geputzten seitlichen Reflektoren am Straßenrand. Da mag die Technik viele Wünsche an die Peripherie haben, auch an kommunale Reinigungsleistungen, aber darauf kann sich die technische Industrieentwicklung nicht verlassen – also wäre es am besten, wenn das autonome Fahrzeug auch ohne diese unterstützende Infrastruktur zurechtkommen kann.
Unstrittig dürfte sein, dass autonomes Fahren ohne eine permanente Konnektivität zu einem Online-Datendienst nicht auskommen wird, seien es jetzt GPS- oder Clouddaten.
Der nächste Mobilfunkstandard 5G ist in der Tat zentrales Thema. Ich beobachte, dass die Automobilindustrie diesen Entwicklungsprozess gerne als Wasserstandsmelder nimmt, wenn sie selbst bewertet, wie verlässlich der autonome Fahrbetrieb zum gegebenen Zeitpunkt überhaupt sein könnte – wenn es ihn schon großflächig gäbe.
Wir kennen das vom Smartphone: abreißende Verbindungen, Funklöcher. Selbstfahrende Fahrzeuge werden damit umgehen müssen.
Die Frage, ob der Fahrer immer in Echtzeit mit verlässlichen Auskünften darüber versorgt wird, ob er sich gerade in einer konstanten und verlässlichen Netz- und Cloudverbindung befindet oder eben nicht, ist aus juristischer Sicht sehr interessant. Bekommt er oder sie die Information, augenblicklich in den Handfahrbetrieb umstellen zu müssen, vom Hersteller oder vom Netzbetreiber oder ist dies eine Aufgabe der kommunalen Verkehrspolitik? Wer haftet, wenn diese Information nicht beim Fahrer ankommt?