
Engagement im Ernstfall
Zahlen und Fakten zu freiwilligem Engagement und zivilgesellschaftlichen Organisationen im Bevölkerungsschutz


Ziel der im April 2025 veröffentlichten Studie ist es, eine repräsentative Bestandsaufnahme zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie des freiwilligen Engagements im Zivil- und Katastrophenschutz vorzulegen. Dabei sollen die Strukturen, Trends und Herausforderungen aus zwei Perspektiven beleuchtet werden: Für die Analyse aus Sicht der Engagierten werden Daten des Deutschen Freiwilligensurveys genutzt, während für die Organisationsperspektive Daten des ZiviZ-Surveys herangezogen wurden. Ein Bild der räumlichen Verteilung zivilgesellschaftlicher Organisationen im Bevölkerungsschutz ermöglicht die Analyse des Vereinsregisters.
Die Studie richtet sich an Personen, die ein besseres Verständnis für freiwillig Engagierte und zivilgesellschaftliche Organisationen im Bevölkerungsschutz gewinnen möchten. Sie liefert Orientierungswissen für Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in den Organisationen selbst beziehungsweise in Dachverbänden ebenso wie in Politik und Verwaltung.
Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dabei nicht nur dazu dienen, geeignete Maßnahmen zur Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements im Bevölkerungsschutz dienen, sondern auch bei der strategischen Planung unterstützen. Darüber hinaus soll die Studie auch zur Weiterentwicklung der quantitativen und qualitativen Zivilgesellschaftsforschung beitragen, indem sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern als Grundlage für weiterführende Forschungsvorhaben dient.
Die Studie wurde von ZiviZ im Stifterverband im Auftrag des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe erstellt.
Die Studie liefert Antworten auf diese Fragen:
- Wer sind die Engagierten im Bevölkerungsschutz, was treibt sie an, wie gestaltet sich ihr Engagement und welchen Verbesserungsbedarf sehen sie beim Staat und den Organisationen?
- Wie viele im Bevölkerungsschutz tätige Vereine gibt es, wo sind sie angesiedelt und wann wurden sie gegründet?
- Wodurch zeichnen sich im Bevölkerungsschutz tätige Organisationen hinsichtlich Mitglieder- und Engagiertenzahlen, Diversität, Finanzen und ihrer Rolle in der Demokratie aus?
- Welche Implikationen ergeben sich aus den Ergebnissen für die Förderung von Engagement im Bevölkerungsschutz?
Zentrale Ergebnisse der Studie
Laut Freiwilligensurvey 2019 engagieren sich 1,76 Millionen Menschen im volljährigen Alter freiwillig im Bevölkerungsschutz. Rechnet man 14 bis 17-Jährige hinzu, dann sind es sogar 1,93 Millionen. Die Engagementquote, also der Anteil der deutschen Wohnbevölkerung, der sich im Bevölkerungsschutz engagiert, bleibt seit 1999 konstant bei drei Prozent. Das Engagement erfolgt überwiegend in Vereinen und öffentlichen Einrichtungen. Im Jahr 2022 gab es in Deutschland 21.214 Vereine, die im Bevölkerungsschutz tätig sind – das entspricht rund 3,5 Prozent aller zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland.
Im Vergleich zu anderen Feldern des freiwilligen Engagements sind die Engagierten im Bevölkerungsschutz überdurchschnittlich jung: 33 Prozent gehören der Altersgruppe 14 bis 29 Jahre an, nur fünf Prozent sind über 65 Jahre alt. Trotz eines moderaten Anstiegs des Frauenanteils bleibt das Feld mit 80 Prozent männlichen Freiwilligen stark geschlechtsspezifisch geprägt. Die kulturelle Diversität ist ebenfalls schwach ausgeprägt – 97 Prozent der Engagierten besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit.
Anstöße aus dem persönlichen Umfeld sind zentrale Einstiegspunkte für ein Engagement im Bevölkerungsschutz. Die Hauptmotive der Engagierten umfassen neben dem Wunsch, anderen zu helfen und zum Gemeinwohl beizutragen, auch die Freude an der Tätigkeit selbst.
Ein Engagement im Bevölkerungsschutz ist im Vergleich zu zivilgesellschaftlichem Engagement insgesamt eher zeitintensiv. 36 Prozent der Engagierten sind mehrere Male pro Woche tätig, 34 Prozent haben einen wöchentlichen Zeitaufwand von mehr als fünf Stunden. Die Hauptaufgaben umfassen insbesondere praktische Aufgaben, persönliche Hilfeleistungen und Öffentlichkeitsarbeit.
Freiwillig Engagierte im Bevölkerungsschutz sehen insbesondere den Staat in der Pflicht, für bessere Rahmenbedingungen zu sorgen – etwa bei der Vereinbarkeit von Beruf und Engagement, durch umfassendere Informationsangebote oder die Anerkennung der ehrenamtlichen Tätigkeit als berufliches Praktikum oder als Weiterbildung. Von den Organisationen wünschen sie sich die Bereitstellung von Räumen und Ausstattungsmitteln, erweiterte Weiterbildungsmöglichkeiten und eine unbürokratische Kostenerstattung.
Zivilgesellschaftliche Organisationen im Bevölkerungsschutz zählen mehrheitlich nur bis zu 100 Mitglieder, wobei operativ tätige Organisationen tendenziell größer sind als Fördervereine. Der Median der Mitgliederzahlen liegt bei 100 für operativ tätige Organisationen, bei Fördervereinen bei 70. Die Entwicklung der Mitgliederzahlen lässt sich positiv bewerten: 37 Prozent der operativ tätigen Organisationen und 46 Prozent der Fördervereine berichtet von steigenden Mitgliederzahlen seit 2017. Dennoch beklagt ein Großteil der Organisationen, nicht genügend Mitglieder zu haben. Die dauerhafte Mitgliederbindung innerhalb der im Bevölkerungsschutz tätigen Organisationen stellt eine geringere Herausforderung dar als die Gewinnung neuer Mitglieder unter 30 Jahren.
Der Bevölkerungsschutz wird mehrheitlich von freiwillig Engagierten getragen – nur 11 Prozent der operativ tätigen Organisationen und 3 Prozent der Fördervereine verfügen über bezahlte Beschäftigte. Dabei zählen rund drei Viertel (76 Prozent) der operativ tätigen Organisationen im Bevölkerungsschutz mehr als 20 Engagierte, in Fördervereinen liegt der Anteil bei der Hälfte (51 Prozent). Diese Zahlen bleiben seit 2017 weitgehend konstant. Während es für kurzfristige Engagements eher leicht ist, Engagierte zu gewinnen, stellt die Besetzung langfristiger Engagements, insbesondere die Besetzung ehrenamtlicher Leitungspositionen, eine große Herausforderung dar. Weiterhin bestehen große Potenziale hinsichtlich der Diversität, was die Einbindung von Frauen, Menschen mit Behinderung und Personen unterschiedlicher kultureller Prägung anbelangt.
Die meisten Organisationen im Bevölkerungsschutz verfügen über geringe finanzielle Mittel von unter 10.000 Euro – 71 Prozent der operativ tätigen Organisationen und 82 Prozent der Fördervereine. Dabei finanzieren sie sich vornehmlich selbst aus Mitgliedsbeiträgen (42 beziehungsweise 45 Prozent) und selbsterwirtschafteten Mitteln (25 beziehungsweise 18 Prozent). Externe Finanzierungsquellen spielen nur eine untergeordnete Rolle.
Zivilgesellschaftliche Organisationen im Bevölkerungsschutz sind im direkten Lebensumfeld der Engagierten verankert und spielen eine zentrale Rolle in ihren lokalen Gemeinschaften. Sie verstehen sich vor allem als Gemeinschaft Gleichgesinnter und Mitgliederorganisationen, wobei operativ tätige Organisationen – häufig traditionsreiche, ältere Strukturen – zunehmend auch mit einem Dienstleistungsverständnis auftreten. Die meisten Organisationen sehen eine finanzielle Mitverantwortung beim Staat, legen jedoch Wert darauf, ihre Arbeit weiterhin eigenständig zu leisten.
Mit einem Anteil von 76 Prozent dominieren die Feuerwehrvereine, es folgen private Hilfsorganisationen mit einem Anteil von 21 Prozent und dem Technischen Hilfswerk (THW) angegliederte Vereine mit 2 Prozent. Während Vereine der Feuerwehr und des THW als Fördervereine aufgefasst werden können, sind private Hilfsorganisationen operativ tätig. Die Gründungsdynamik im Bevölkerungsschutz zeigt seit den 1990er Jahren einen deutlichen Anstieg, vor allem bei den Feuerwehrvereinen. Diese Entwicklung wurde durch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Jahr 1996 begünstigt, die eine klare Trennung von wirtschaftlichen Einnahmen und dem kommunalen Haushalt forderte. Als Folge entstanden zahlreiche Fördervereine, um finanzielle Mittel für die Feuerwehren zu verwalten. Die Vereinslandschaft ist regional unterschiedlich ausgeprägt: Sind in Thüringen 7,1 Prozent aller Vereine im Bevölkerungsschutz tätig, liegt der Anteil in Nordrhein-Westfalen bei 1,9 Prozent. In Hamburg lassen sich 1,3 Prozent aller Vereine dem Bevölkerungsschutz zuordnen, in Berlin sind es 0,5 Prozent.
Der Bevölkerungsschutz in Deutschland basiert auf zwei zentralen Säulen: dem Zivilschutz und dem Katastrophenschutz. Während der Zivilschutz in die Zuständigkeit des Bundes fällt und Organisationen wie das Technische Hilfswerk (THW) umfasst, liegt der Katastrophenschutz im Kompetenzbereich der Länder, die Aufgaben wie den Brandschutz auf die kommunale Ebene übertragen. Ergänzt werden diese staatlichen Strukturen durch die fünf anerkannten Hilfsorganisationen Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) und Malteser Hilfsdienst (MHD), deren Gliederungen wie beispielsweise die zum DRK gehörende Bergwacht, aber auch selbstständige Organisationen wie MedAir e.V. Ihnen allen gemein ist die hohe Abhängigkeit von Ehrenamtlichen: So wird die Feuerwehr zu 94 Prozent von Freiwilligen getragen (DFV, 2024a), das THW besteht zu 98 Prozent aus freiwilligen Einsatzkräften.
Aufgrund des Klimawandels steigt bereits seit Längerem die Zahl der Einsätze von Akteuren im Bevölkerungsschutz. Laut der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) hat sich die Zahl von wetter- und klimabedingten Katastrophenlagen seit den 1970er Jahren verfünffacht. Jüngere Beispiele sind die Flutkatastrophe im Ahrtal 2021, die Waldbrände in der Sächsischen Schweiz 2022 oder das Weihnachtshochwasser 2023, das Teile Niedersachsens, Sachsen-Anhalts, Thüringens und Nordrhein-Westfalens betraf. Daher entsteht gerade im Bereich des Bevölkerungsschutzes ein zunehmender Bedarf der Mobilisierung von neuen freiwillig Engagierten sowie deren langfristiger Bindung – sei es in Freiwilligen Feuerwehren, dem Deutschen Roten Kreuz oder anderen Hilfsorganisationen.
Jedoch stehen viele Akteure im Bevölkerungsschutz vor Herausforderungen in der Gewinnung von Engagierten: Der demografische Wandel, insbesondere in ländlichen Regionen, führt immer häufiger zu Nachwuchssorgen. So mussten in manchen Teilen Norddeutschlands beispielsweise bereits Pflichtfeuerwehren eingesetzt werden, um den Brandschutz sicherzustellen. Zudem erschwert die zunehmende Mobilität der Bevölkerung eine langfristige Bindung von Engagierten. Die wachsende Informalisierung des Engagements, bei der sich Menschen eher projektbezogen oder als Spontanhelfende einbringen, gefährdet die jahrzehntelang gewachsenen Strukturen, die auf kontinuierliches Engagement setzen. Des Weiteren fällt es den intern meist recht homogenen Organisationen schwer, sich neuen Zielgruppen zu öffnen und für diese attraktiv zu sein. Wichtige Potenziale der Gewinnung neuer Engagierter – beispielsweise Frauen oder Menschen mit Migrationsbiografie – bleiben daher ungenutzt.
Angesichts dieser Entwicklungen ist der Bevölkerungsschutz zunehmend in die gesellschaftliche Debatte gerückt und auch die Politik hat Handlungsbedarf erkannt, was mit beträchtlichen Investitionen einhergeht. Ein Beispiel dafür ist das Fahrzeugbeschaffungsprogramm des THW, das in diesem Rahmen für über 100 Millionen Euro in den letzten vier Jahren 2.500 neue Einsatzfahrzeuge anschaffen konnte.
Kontakt

Dr. Peter Schubert
leitet die Geschäftsstelle
ZiviZ im Stifterverband.
T 030 322982-576

Julia Bartel
ist Programmmanagerin bei ZiviZ im Stifterverband.