Kein Transfer ohne Kommunikation

"Die Bedeutung von Kooperation in der Wissenschaft wird gerade bei den großen Transformationsthemen der Gesellschaft entscheidend sein."

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Kein Transfer ohne Kommunikation (Video)
Kein Transfer ohne Kommunikation (Video)
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Kooperative Forschung im Sinne von Kooperationen zwischen akademischer und industrieller Forschung ist eine wichtige Säule des Wissenschaftsstandorts Deutschland. Im Diskurs um die Weiterentwicklung und Professionalisierung der Wissenschaftskommunikation steht sie jedoch selten im Fokus. Das ist erstaunlich, weil der Transfer von Wissen zwischen Disziplinen, Institutionen und unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen ein elementarer Bestandteil der Wissenschaftskommunikation ist und dazu auch Kooperationen akademischer und industrieller Forschung gehören.

Welche Rahmenbedingungen erfüllt sein müssen, damit der produktive Dialog zwischen akademischer und industrieller Forschung gelingt, wurde mit Schlüsselakteurinnen und Schlüsselakteuren aus unterschiedlichen Feldern am 4. September 2024 im Fraunhofer-Forum in Berlin in Workshops diskutiert. Mit einem hochkarätig besetzten Podium kamen in dieser Veranstaltung verschiedene Perspektiven an der Schnittstelle von akademischer und industrieller Forschung und aus dem Transfer zusammen.

Die Veranstaltung wurde vom Fonds der Wirtschaft für Wissenschaftskommunikation gefördert und von Wissenschaft im Dialog in Kooperation mit dem Stifterverband und der Fraunhofer-Gesellschaft durchgeführt.

Sprecherinnen und Sprecher im Video sind:
●  Volker Meyer-Guckel, Generalsekretär, Stifterverband
●  Stefanie Molthagen-Schnöring, Vizepräsidentin Forschung und Transfer, HTW Berlin
●  Swantje Behnken, Forscherin, Unternehmen
●  Caroline Zhu, Forscherin, Universität Duisburg-Essen
●  Götz Schönfeld, Leiter von neext, Drees & Sommer

 

Transkript des Videos

(Volker Meyer-Guckel)
Die heutige Veranstaltung hat Kommunikationsexpertinnen und -experten aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammengebracht. Wir haben über den Transfer gesprochen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft und welche Rolle Kommunikation für Kooperationsformen zwischen den beiden Stakeholderkreisen bedeutet.

(Stefanie Molthagen-Schnöring)
Wissenschaftskommunikation ist ja einerseits ein Transferfeld. Das heißt: Neben beispielsweise Ausgründungen oder Kooperationen mit Unternehmen kann man Wissenschaftskommunikation als einen eigenen Transferpfad verstehen. Gleichzeitig werden alle anderen Transferpfade oder -felder, also zum Beispiel die Kooperation mit Unternehmen, ohne Kommunikation gar nicht funktionieren. Das heißt: Die Wissenschaftskommunikation ist an dieser Stelle im Prinzip so wie eine Querschnittsfunktion zu denken.

(Volker Meyer-Guckel)
Die Bedeutung von Kooperationen für wirtschaftliche Entwicklung, für wissenschaftliche Entwicklung, die wird nicht hinreichend kommuniziert. Wenn wir auf die großen Treiber für wissenschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung schauen, und ich nehme mal als Beispiel große Datenmengen und KI, dann ist ja klar, dass diese Datenmengen nicht aus der Wissenschaft selbst generiert werden können, sondern dafür braucht es Daten von Patienten, von Verwaltungen, von Mobilitätsdienstleistern oder Energiebranchen. Und das legt ja schon nahe, dass die zukünftige wissenschaftliche Entwicklung eng verflochten ist mit dem, was Kooperationspartner liefern können. Und deshalb wird die Bedeutung von Kooperation in der Wissenschaft gerade bei den großen Transformationsthemen der Gesellschaft entscheidend sein.

(Swantje Behnken)
Ich komme hierher mit der Großindustrieperspektive. Aber ich habe gesehen in diesem Dialog: Wir kommen zwar von unterschiedlichen Perspektiven, aber tatsächlich sehen wir sehr viel die gleichen Probleme und Herausforderungen. Die eine Perspektive ist halt die akademische Seite, die öffentliche Forschung, die Verbände usw., die natürlich erstmal auf dem Papier andere Ziele verfolgen mit Forschung, als wir es in der Industrie als wirtschaftliches Unternehmen tun. Und hier den gemeinsamen Grund zu finden, wo wir beide Nutzen davon haben und gleichzeitig auch beide soziale Verantwortung tragen, das ist der spannende Teil für mich. Und das heißt vor allem geht es hier um Kommunikation, früh dafür zu sorgen, dass es erstens transparent ist, was der einzelne Partner erreichen möchte und dann aber auch, dass man sich darauf einigt, wie kann man die Forschung machen, so dass beide Seiten am Ende davon profitieren.

(Caroline Zhu)
Für mich war ganz relevant, nochmal die industrielle Perspektive heute näher kennenzulernen. Das spielte in meinem Alltag auch immer eine ganz große Rolle, weil ich eben als Forscherin auch in der Kooperation mit Unternehmen bin und da eben gemeinsam den Wissensprozess gestalte. Eine Erkenntnis, die ich heute nochmal mitgenommen habe, die bei mir selber vielleicht weniger im Fokus vorher war in der Kommunikation, ist das Thema Innovationsstärke, die wir in der Gesellschaft noch mehr kommunizieren können. Für mich ist es immer wichtig, die eigene Integrität irgendwie zu zeigen und transparent zu gestalten, wie funktionieren eigentlich die Prozesse in der Forschung, aber eben auch die Stärke, die durch die Kooperation zwischen Industrie und Wissenschaft besteht, dass wir die auch noch mal mehr kommunizieren und sichtbar machen.

(Stefanie Molthagen-Schnöring)
Die Herausforderung im Transfer ist, dass wir zum Teil ja unterschiedliche Logiken haben in den Systemen Wissenschaft und Wirtschaft. Die Wirtschaft ist häufig an schnellen Lösungen interessiert, die möglichst dann auch noch effizient und kostengünstig sind. Und in der Wissenschaft, da zählt häufig eher die Erkenntnis, der Prozess. Und insofern müssen wir diese beiden Logiken häufig erst mal in Einklang bringen. Dann haben wir unterschiedliche Sprachen. Das heißt, dass häufig die Welt der Wissenschaft doch in einer etwas komplizierteren Sprache kommuniziert und die Wirtschaft an der Stelle dann sagt: Was heißt es denn eigentlich jetzt für uns?

(Götz Schönfeld)
Wissenschafts- und Wirtschaftskommunikation kommt einer Dolmetscherfunktion gleich. Wir brauchen den Dolmetscher, der die komplexen Sachverhalte verständlich für Gesellschaft und Wirtschaft kommuniziert, um sie aufzugreifen, um gemeinschaftlich damit Zukunft zu entwickeln.

(Swantje Behnken)
Wir haben uns darüber viel unterhalten, wie können wir es schaffen, dass man die gegenseitige Sprache besser spricht. Und hier war zum Beispiel Talentflow ein großes Thema heute. Das heißt: Wie können wir es schaffen, dass Karrierepfade gemischter zwischen Industrie und Forschung sind? Denn die einfachste Möglichkeit, einander wirklich zu verstehen, ist, wenn man mal in den Schuhen des anderen eine Weile gegangen ist.

(Volker Meyer-Guckel)
Wir haben viele Kooperationsprogramme, viele Förderprogramme für Kooperationsbeziehungen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, aber die sind unkoordiniert. Wir haben keine nachhaltige Finanzierung, so wie wir das in der Forschung haben mit der DFG oder mit der Lehre mit der Stiftung für Hochschullehre. Das brauchen wir auch für den Transfer, das ist wichtig. Und wir brauchen Rahmenbedingungen, die Kooperationen förderlich machen. Also, im Beamtenrecht Reformen, im Besserstellungsverbot Reformen, in der Möglichkeit, dual promovierende oder duale Postdocs wirken zu lassen an unterschiedliche Stätten. Das alles ist nicht geregelt und dafür wird sich der Stifterverband einsetzen, dass wir diesen Bereich weiter stärken.

(Swantje Behnken)
Ein Punkt, der heute immer wieder genannt wurde und auftrat von allen Seiten, war Bürokratieabbau. Dass wir die Programme, die uns helfen, Kollaborationen und Kooperationen aufzubauen, einfacher machen wollen und haben müssen auch, damit sie wirklich zustande kommen und auch häufig sind, dass für beide Partner Aufwand und Nutzen im Gleichgewicht stehen.

(Stefanie Molthagen-Schnöring)
Das Verständnis von Transfer hat sich in den letzten Jahren ja durchaus verändert, und viele junge Wissenschaftlerinnen, die fragen heute geradezu nach, ob sie auch in Transferkooperationsprojekten aktiv werden können. Gleichzeitig ist in dem System Wissenschaft die Reputationslogik häufig noch sehr stark ausgerichtet auf klassische Publikationen. Und ich denke, da muss sich dass System Wissenschaften jetzt in den nächsten Jahren auch die Frage stellen: Was ist denn eigentlich das, was wir hier wertschätzen? Wo wollen wir auch unsere Anreize setzen? Da ist noch viel Potenzial, aber es wird, wie gesagt, auch aus der Wissenschaft immer mehr nachgefragt, genau in diesen Kooperationen gemeinsam mit Praxispartnerinnen an Innovationen für unsere Gesellschaft zu arbeiten.