Bildung und insbesondere das lebenslange Lernen sind faktisch die Zukunftsressourcen für Deutschland und werden in der öffentlichen Debatte zunehmend auch als solche wahrgenommen. Genauso erkennen Kommunen in Bildung einen Standortvorteil, der die Attraktivität vor Ort erhöht. Zugleich ist die bildungspolitische Diskussion in Deutschland immer noch weitestgehend auf formale Bildungsorte (Kita, Schule, Hochschule, Berufsbildung) beschränkt.
Sportvereine und Sportverbände sind mehr als Orte der Freizeitgestaltung. Sie bieten zahlreiche Lehr- und Lerngelegenheiten und übernehmen damit wichtige Funktionen, die die Angebote des öffentlichen Bildungssystems ergänzen.
Sportvereine leisten vielfältige Beiträge für eine ganzheitliche und lebenslange Bildung. Sie sind Orte, an denen auf umfangreiche Weise gelernt und gelehrt wird, und zwar ein Leben lang. Besonders wertvoll sind ihre Bildungsbeiträge für jene Menschen, die nicht (mehr) am formalen Bildungssystem teilhaben. Dennoch werden sie von Politik und Öffentlichkeit nicht hinreichend als Bildungsakteure wahrgenommen. Dadurch gehen auch wertvolle integrative Potenziale verloren. Diese Bildungsleistungen müssen gesellschaftspolitisch besser (an)erkannt werden. Engagementpolitik muss stärker auch aus einer bildungspolitischen Perspektive betrachtet werden.
Gerade junge Menschen erwarten einen persönlichen Nutzen als Gegenleistung für ihr Engagement. Qualifizierungen zu erwerben, hat sich dabei als starkes Engagementmotiv herausgestellt. Deshalb ist es wichtig, den im Engagement erworbenen Qualifikationen eine höhere gesellschaftliche Anerkennung zu geben. Diese Notwendigkeit wird auch im europäischen Kontext gefordert. Die Aufnahme zivilgesellschaftlicher Bildungsleistungen in die Bildungsberichte des Bundes und der Länder ist hierfür ein wichtiger Schritt, ebenso wie die Einordnung der non-formalen Qualifikationen der Zivilgesellschaft in den Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR).
Die Vereine brauchen längerfristiges Engagement, um ihre Bildungspotenziale besser nutzen zu können. Denn Lernprozesse, wie zum Beispiel das Erlernen einer Sportart oder komplexer Bewegungsformen, brauchen Zeit. Deshalb setzt das Engagement als Trainerinnen und Trainer und Übungsleiterinnen und -leiter im Sportverein auch die Bereitschaft für ein längerfristiges Engagement voraus. Engagementpolitische Unterstützungsmaßnahmen müssen daher wieder verstärkt das langfristige Engagement in den Fokus nehmen.
Damit Sportvereine ihr Bildungspotenzial entwickeln können, benötigen sie ausreichende Ressourcen. Denn neben dem "Kerngeschäft" – also der Organisation von sportlichen Aktivitäten, der Abwicklung des Vereinsbetriebs und dem Erhalt der Sportstätten – braucht es Freiräume. Die Zusammenarbeit mit anderen Bildungsakteuren in der Kommune, die Erarbeitung von Konzepten oder auch die bewusste Entwicklung der eigenen Möglichkeiten benötigen Zeit, Kreativität und Entwicklungsräume.
Die Datenbasis für das Policy Paper bildete zum einen das ZiviZ-Survey 2017, eine repräsentative Befragung von Vereinen und anderen gemeinnützigen Organisationen in Deutschland, an der 1.170 Sportvereine teilgenommen haben. Zum anderen griffen die Autorinnen auf die Daten aus dem Sportentwicklungsbericht 2019 zurück, für den insgesamt rund 20.000 Sportvereine befragt wurden.
Jana Priemer, Gudrun Schwind-Gick:
Sportvereine – Bildungsakteure der Zivilgesellschaft
Herausgeber: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
Erschienen im März 2020