Wirtschaftsdaten im akademischen Einsatz

Ein Anwendungsfall aus der Versicherungs- und Finanzmathematik
mit Impulsen darüber hinaus

Wirtschaftsdaten im akademischen Einsatz (Cover)
Wirtschaftsdaten im akademischen Einsatz (Cover)
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  • Akademische Forschung und Lehre hat in vielen Fällen keinen Zugang zu Daten aus der Wirtschaft, was die empirische Wissenschaft und praxisnahe Lehre einschränkt und damit mittelfristig auch für Unternehmen Nachteile hat.
  • Rechtliche Vorbehalte hemmen den Datenteilungsprozess frühzeitig und vergrößern die Lücke zwischen Potenzial und Verfügbarkeit.
  • Das Datenbankprojekt der deutschen Gesellschaft für Versicherungs- und Finanzmathematik (DGVFM) stellt beispielhaft dar, wie rechtliche Herausforderungen überwunden und eine zukunftsweisende Kooperation zwischen Versicherungsindustrie und Wissenschaft geschaffen werden kann.
  • Das Projekt stärkt Synergien mit anderen Dateninitiativen und trägt zur aktiven Mitgestaltung der datenpolitischen Entwicklung bei.

 
Als Basis für die (Weiter-)Entwicklung von unternehmensinternen Methoden und Modellen steht den internen Entwicklerinnen und Entwicklern der eigene Datenbestand selbstverständlich zur Verfügung. In der akademischen Forschung und Lehre hingegen haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oft keinen Zugang zu realen Wirtschaftsdaten. Stattdessen greifen sie auf veraltete Informationen, Datensätze aus anderen Ländern oder fiktive Daten zurück – oder sie verlagern ihre Forschung auf andere Bereiche, in welchen Daten leichter zugänglich sind. Dies führt zu einem Mangel an empirischer Forschung in bestimmten Branchen, was für alle Beteiligten großes Verbesserungspotenzial birgt. Außerdem wird in der Lehre die Gelegenheit verpasst, Studierenden durch die Arbeit mit realen Wirtschaftsdaten spannende Einblicke in spezifische Berufsfelder zu ermöglichen, obwohl dies die Sichtbarkeit und Attraktivität dieser Branchen als Arbeitgeber erheblich steigern.

Trotz der Bedeutung der in Unternehmen verfügbaren Daten bestehen erhebliche Barrieren hinsichtlich ihrer Zugänglichkeit und ihrer Nutzung für die wissenschaftliche Gemeinschaft. Ein zentraler Punkt dabei sind laut Erhebungen des Stifterverbandes1 rechtliche Beschränkungen, die von Datenschutzgesetzen bis hin zu Bestimmungen zum Schutz geistigen Eigentums reichen. Sie hemmen frühzeitig die Datenteilungsprozesse, schon in der Anbahnungsphase, also vor der konkreten Konzeption und Abwägung eines solchen Prozesses. Die Lücke zwischen dem theoretischen Potenzial dieser Daten und ihrer tatsächlichen Verfügbarkeit für Forschungszwecke wird dadurch vergrößert.

Bilaterale Kooperationen zwischen Unternehmen und wissenschaftlichen Institutionen haben dennoch eine lange Tradition. In diesen Partnerschaften ist der Datenaustausch zwar üblich, wird jedoch eher als projektspezifisches Werkzeug betrachtet und vertraglich durch strikte Nutzungsbedingungen geregelt. Projekte, die auf eine breite Datenfreigabe abzielen, sind selten, jedoch entscheidend, um den Datenzugang über konventionelle Kooperationsrahmen hinaus zu erweitern.

Dieses Papier beleuchtet das Beispiel des Datenbankprojekts der Deutschen Gesellschaft für Versicherungs- und Finanzmathematik (DGVFM). Dabei werden vor allem die rechtlichen Herausforderungen in den Blick genommen und zugleich praktikable Lösungsansätze vorgestellt. Das Beispiel soll als Wegweiser für Organisationen und Forschungseinrichtungen mit ähnlichen Herausforderungen dienen und Anhaltspunkte bieten, um diese zu meistern.

 

AUS DEM INHALT

  • Wirtschaftsdaten für Forschung und Lehre nutzbar machen
  • Das DGVFM-Datenbankprojekt als Wegbereiter für effektiven Datenaustausch
  • Rechtliche Herausforderungen und Lösungen: Datenschutz, Geheimnisschutz, Kartellrecht, Immaterialgüterrecht
  • Übertragung des Modells auf andere Bereiche
  • Chancen und Möglichkeiten des Datenteilens
     

DIE AUTORINNEN UND AUTOREN

  • Kai Hoff, Wissenschaftlicher Referent im Stifterverband
  • Dr. Verena Reiter, Referentin der Deutschen Gesellschaft für Versicherungs- und Finanzmathematik (DGVFM)
  • Prof. Dr. Matthias Scherer, Professor für Risk and Insurance an der TU München; Mitglied im Vorstand der DGVFM
  • Dr. Marc Hilber LL.M., Rechtsanwalt, Partner in der Sozietät Oppenhoff
  • Dr. Axel Grätz, Rechtsanwalt, Associate in der Sozietät Oppenhoff
  • Marco Degginger, Rechtsanwalt, Junior Partner in der Sozietät Oppenhoff
  • Sabrina Hanhoff, Wissenschaftliche Referentin im Stifterverband
     

DATAGROUP BUSINESS 2 SCIENCE

Der Stifterverband hat mit der "Datagroup Business 2 Science" eine Initiative gestartet, deren Ziel es ist, den Datenaustausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zu stärken, um mehr Innovationen für die Gesellschaft voranzubringen. Mehr als 100 Organisationen haben sich daran bislang beteiligt. Seit 2023 engagiert sich die DGVFM in der Datagroup, um durch deren Netzwerk Partner und Unterstützung für ihr Datenbankprojekt zu erhalten. Durch die Vernetzung von Akteuren aus verschiedenen Sektoren fördert die Initiative das Verständnis der aktuellen Situation, macht Herausforderungen sichtbar und bietet anhand praktischer Beispiele Lösungsansätze an. Das Projekt der DGVFM, eine versicherungs- und finanzmathematische Datenbank aufzubauen, dient als Pilotprojekt innerhalb dieser Initiative und kann als Orientierung für Fachgesellschaften, wissenschaftliche Institutionen und Unternehmen dienen. Zudem leistet die Datagroup einen Beitrag zu datenpolitischen Diskussionen, wie der Debatte um das Forschungsdatengesetz, unterstreicht dabei die Wichtigkeit der Datenverfügbarkeit für Forschung und Innovation und unterstützt mit konkreten Handreichungen die Entwicklung politischer Maßnahmen in diesem Bereich.