Sonderpublikation aus dem Projekt "Monitor Lehrerbildung"
Die berufliche Bildung ist ein entscheidender Standortfaktor für die deutsche Wirtschaft und ihre Innovationskraft. Sie genießt weltweit großes Ansehen, insbesondere aufgrund ihrer dualen Ausrichtung: In dieser Variante absolvieren Auszubildende in Deutschland den praktischen Teil ihrer Ausbildung im Betrieb und den theoretischen Teil in der Berufsschule. Die Qualität der Berufsausbildung steht und fällt damit auch mit der Qualität der Lehrkräfte an den beruflichen Schulen. Hier bestehen jedoch erhebliche Herausforderungen. Die offensichtlichste ist quantitativer Natur: Für die beruflichen Schulen bestehen seit Jahrzehnten erhebliche Nachwuchsprobleme bei vollständig ausgebildeten Lehrkräften, insbesondere in den gewerblich-technischen Fächern, die trotz einer Reihe von Maßnahmen bislang nicht behoben sind.
Die Diskussion um quantitative Herausforderungen darf jedoch nicht losgelöst von qualitativen Fragestellungen geführt werden. Die Ursachen für den konstanten Lehrkräftemangel und die Probleme bei der Sicherstellung des Lehrkräftenachwuchses in den gewerblich-technischen Fächern lassen sich im Kern auf eine mangelnde Attraktivität und einen geringen Bekanntheitsgrad sowohl des betreffenden grundständigen Studiums als auch des Berufsbildes an sich zurückführen.
Gegenüber einer Tätigkeit als Ingenieur, die schon mit einem Bachelorabschluss exzellente Berufsaussichten mit guten Verdienst- und Aufstiegschancen bietet, ist das Lehramt für viele technisch interessierte Schulabgänger häufig keine erwägenswerte Option. In den beruflichen Fachrichtungen Wirtschaft und Verwaltung sowie Gesundheit und Pflege sieht es anders aus – dort bestehen keine so gravierenden Nachwuchsprobleme und das Lehramt scheint als attraktive Option neben weiteren Berufsfeldern bestehen zu können. Da die grundständig bzw. vollständig ausgebildeten Lehrkräfte in den gewerblich-technischen Fachrichtungen allein den Lehrkräftebedarf schon seit geraumer Zeit nicht einmal annähernd decken können, weichen mittlerweile viele Länder auf Seiteneinsteiger aus, die etwa ein ingenieurwissenschaftliches Studium, jedoch keine oder kaum formal erworbene pädagogischdidaktische Kompetenzen mitbringen. Diese müssen dann berufsbegleitend während der Lehrtätigkeit erworben werden. Maßnahmen wie diese werden jedoch nicht systematisch daraufhin untersucht, ob sie mit Einbußen bei der Qualität des Unterrichts einhergehen.
Der Rückgriff auf Seiteneinsteiger sollte kein Dauerzustand sein. Es braucht vielfältigere, konsequenter als bisher auf Qualität ausgerichtete Ansätze bei der Gestaltung der Lehrerbildung in den gewerblich-technischen Fächern. Eine Möglichkeit sind etwa alternative Zugangswege zum Lehramt neben dem grundständigen Lehramtsstudium, die Flexibilität mit Qualitätssicherung verbinden.
Die Berufsaussichten für Ingenieure werden in Deutschland aller Voraussicht nach auch zukünftig exzellent bleiben. Das Lehramt muss also mittelfristig eine lohnenswerte Alternative darstellen, wenn geeignete Personen (Schulabgänger oder Berufserfahrene) zu diesem Studium motiviert werden sollen. Der Altersschnitt in den Kollegien sorgt in den nächsten zehn bis 15 Jahren zusätzlich für einen hohen Ersatzbedarf und wird das Nachwuchsproblem weiter verschärfen. Da eine grundständig ausgebildete Lehrkraft für eine berufliche Schule erst etwa siebeneinhalb Jahre nach Aufnahme des Studiums in den Schuldienst eintreten wird, besteht jetzt dringender Handlungsbedarf.
Diese Broschüre leistet einen Beitrag dazu, das Problem der Lehrkräftegewinnung in den gewerblich-technischen Fächern in den Fokus zu rücken und ein Bewusstsein für dessen strukturelle Ursachen schaffen. Anhand von Daten, die im Monitor Lehrerbildung im Herbst 2016 erhoben wurden, wird dargestellt, warum und wo Handlungsbedarf besteht. Außerdem werden verschiedene Initiativen von Hochschulen und Ländern als Praxisbeispiele präsentiert. Abschließend werden konkrete Lösungsansätze zur Steigerung der Attraktivität des beruflichen Lehramtes in den gewerblich- technischen Fächern formuliert.