Helge Fabritius’ Karriere begann, wie man sich das bei einem typischen Biologen vorstellt: Schon als Kind liebte er den Umgang mit Tieren auf dem Land bei seinen Großeltern – und diese Liebe hielt an. An der Universität Ulm begann er sein Biologiestudium mit Schwerpunkt Zoologie. In seiner Diplomarbeit beschrieb er die „Morphologie und Systematik sessiler Rotatorien“, das sind vielzellige Tiere, die nicht die Fähigkeit besitzen, ihren Aufenthaltsort zu wechseln. Es war die Arbeit eines klassischen Biologen. „Leider ist zoologische Systematik kaum noch gefragt“, sagt Fabritius. Und damit nahm seine Karriere eine ungewöhnliche Wende.
Impact of Science
Den Hummer im Kreuzverhör

Mal Silikon, mal Plastik
Dierk Raabe, Direktor am MPIE, hatte allerdings auch Wissenschaftler beschäftigt, die die Schale von Hummern erforschten. Obwohl die Forscher viel über anorganisches Material und Chemie wussten, fehlte ihnen der besondere Blick des Biologen. Nach Helge Fabritius’ Besuch bot ihm Raabe eine Postdoc-Stelle an – der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit. Aus dem Team wurde eine offizielle Forschergruppe, Fabritius ist inzwischen Gruppenleiter. Die Gruppe passte die Methoden der Materialwissenschaften so an, dass man damit biologisches Material untersuchen kann, etwa, indem die Hummerschalen noch in feuchtem Zustand analysiert werden. „Das ist ein großer Unterschied: Im feuchten Zustand fühlen sich Teile der Schale wie Silikon an, im trockenen jedoch wie Plastik“, sagt Fabritius.
Aus den Daten der Materialanalyse erstellen die Experten für computergestütztes Materialdesign am MPIE Modelle, mit denen sich die mechanischen Eigenschaften biologischer Strukturen simulieren lassen. Helge Fabritius und seine Kollegen können darin einzelne Parameter verändern, um die Auswirkungen auf die Materialeigenschaften zu testen. „Wir sind eine der wenigen Forschergruppen, die die Eigenschaften komplizierter Materialien wie des Exoskeletts der Krebse vom Molekül bis zur fertigen Struktur simulieren“, sagt Fabritius. „Dabei konnten wir zeigen, dass von allen getesteten Parameterkombinationen die Struktur und Zusammensetzung des natürlichen Materials die bestmöglichen Eigenschaften hat.“
Inzwischen untersucht Fabritius auch die Exoskelette von Käfern, die das Licht unterschiedlich reflektieren und so besondere Farbeffekte hervorrufen. Der Biologe Fabritius ist somit in Düsseldorf der Tierwelt treu geblieben. Nur den Weg dorthin hätte er wohl nicht vorausgeahnt.
