Andrea Frank, stellvertretende Generalsekretärin des Stifterverbandes, plädiert für einen Kulturwandel im Umgang mit Daten in Forschung und Innovation. Das geplante Forschungsdatengesetz sollte dafür einen passenden rechtlichen Rahmen bieten.
Erstveröffentlichung in Table Research am 11. Januar 2024
Die Datenmenge und die Zugänge zu vorhandenen Daten steigen unaufhörlich. Doch die Forschung in Deutschland profitiert immer noch nicht ausreichend von den Möglichkeiten offener und geteilter Daten. Das ist ein Verlust, sowohl für die akademische Forschung als auch für wirtschaftliche Innovationen. Zwei Beispiele: Gesellschaftliche Erkenntnisse können in der Gesundheits- und Wirtschaftsforschung durch die Analyse öffentlicher Registerdaten erzielt werden. Neue Geschäftsmodelle in der KI-Entwicklung und Versicherungswirtschaft wären durch die Nutzung von Unternehmensdaten möglich.
Als die Bundesregierung mit dem Koalitionsvertrag das Forschungsdatengesetz und das Dateninstitut ankündigte, wuchs in der Wissenschaft die Hoffnung auf neue Datenzugänge. Zwei Jahre später zeigt sich: Die Ausgestaltung bleibt deutlich hinter den Erwartungen der Forschung zurück. Das Dateninstitut konzentriert sich auf einzelne Leuchtturmprojekte, statt als Katalysator für sektorübergreifende Dateninitiativen zu wirken. Zudem verzögert sich das Forschungsdatengesetz und wird vermutlich auch nicht die erwarteten zusätzlichen Datenströme aus der Wirtschaft generieren.
Letzteres ist vielleicht auch nicht nötig, denn die Diskussion hat sich weiterentwickelt. Es geht inzwischen weniger um den erzwungenen, möglichst umfassenden Zugang zu Unternehmensdaten, der auch von der Wirtschaft, oft zu Recht, skeptisch betrachtet wird. Vielmehr geht es jetzt um die Frage, welche Forschung welche Daten benötigt. Es geht also um einen Abgleich von Angebot und Bedarf sowie den dafür notwendigen rechtlichen, technischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen.
Die Ansprüche und Erwartungen verschiedener Forschungsfelder in der Wissenschaft unterscheiden sich stark. Einige fokussieren sich auf öffentliche und amtliche Daten, andere arbeiten eng mit Unternehmensdaten. Eine dritte Gruppe hat hingegen bisher wenig Kontakt zu Datenquellen außerhalb ihres eigenen Umfelds.
Regulierungsmaßnahmen könnten vor allem in Bezug auf öffentliche Daten wirksam werden und so der ersten Gruppe zugutekommen. Sie kämpfen häufig mit der zu späten Bereitstellung, mit schlecht aufbereiteten oder gar fehlenden öffentlichen Daten. Bürokratische und technische Hürden erschweren den Zugang und die Verknüpfung zusätzlich. Ein Beispiel hierfür sind Handelsregisterdaten. Sie dürfen bislang nur auf Einzeldatenbasis abgefragt werden und müssen für eine wissenschaftliche Auswertung oft durch kostenintensive externe Dienstleister aufbereitet werden. Darüber hinaus erlaubt das Bundesstatistikgesetz Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nur bestimmte Verknüpfungen verschiedener Datensätze selbst vorzunehmen. Das Forschungsdatengesetz könnte eine weitreichende Nutzung öffentlicher Daten ermöglichen.
Die zweite Gruppe, die sich vorrangig auf Daten aus Unternehmen konzentriert, könnte ebenfalls von einer praxisnahen Gestaltung des rechtlichen Rahmens profitieren. Hier geht es nicht darum, Unternehmen zum Teilen ihrer Daten zu verpflichten. Im Vordergrund steht, einen praxisnahen und leicht anwendbaren Rahmen für Datenteilungsprojekte zu schaffen. Wesentlich sind die Förderung der Datenverknüpfbarkeit und die Verbreitung von FAIR-Prinzipien (Findable, Accessible, Interoperable, Reusable), die sektorspezifisch und mit universellen Schnittstellen ausgestaltet sein müssen. Zudem sollten bestehende Datenpools, Datentreuhänder und Infrastrukturen nicht nur effektiv genutzt, sondern kontinuierlich weiterentwickelt und ausgebaut werden. Das Ziel ist, langfristige und sektorübergreifende Kooperationen mit gegenseitigem Mehrwert zu unterstützen. Das Forschungsdatengesetz könnte diesen Prozess beschleunigen.
Die dritte Gruppe, bisher weniger vertraut mit externen Datenquellen, hat ganz andere Ansprüche. Hier gibt es viele spezialisierte Forschungsfelder, die mit einem Mangel an Daten konfrontiert sind. Gerade in den Geistes- und Sozialwissenschaften werden nicht-akademische Daten selten genutzt, wie auch aktuelle Befragungen des Stifterverbandes bestätigen (Hochschul-Barometer 2023). Ein erweiterter Datenzugang und die Förderung von Vernetzung könnten in bislang datenarmen Feldern die Forschungs- und Entwicklungslandschaft bereichern und sowohl Innovationen als auch wissenschaftlichen Fortschritt vorantreiben. Dazu bedarf es aber eines Kulturwandels, sowohl in der Wirtschaft, wo die Daten bereitgestellt werden, als auch in der Wissenschaft, wo die Daten genutzt werden.
Das Forschungsdatengesetz sollte für alle drei Gruppen in der Wissenschaft neue Lösungswege entwickeln. Dafür sind komplexe Herausforderungen zu bewältigen: Das neue Gesetz muss an bestehende nationale Regelwerke wie das Bundesstatistikgesetz und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz anknüpfen, gleichzeitig aber auch europäische Vorgaben wie den EU Data Act berücksichtigen und neue Entwicklungen ermöglichen.
Wenn mehr Daten zu mehr Innovation führen sollen, müssen wir mit Blick auf einen steigenden internationalen Wettbewerb die aktuelle Chance für die Gestaltung eines wegweisenden Forschungsdaten-Ermöglichungsgesetzes nutzen. Dies bedeutet:
Diese Schritte sind wesentlich, damit Deutschland im internationalen Wettbewerb das Potenzial von Daten für Forschung und Innovation erfolgreich nutzen kann.