Wir brauchen nicht neue Projekte, sondern neue Wege der Skalierung

 
Der Stifterverband hat die Zukunftsmission Bildung gestartet. Das Ziel: Alle Akteure für eine bessere Bildung zusammenzubringen. Andrea Frank, Mitglied der Geschäftsführung des Stifterverbandes, gibt drei Impulse, wie die Bildungstrendwende gelingen kann.

Erstveröffentlichung in Table Research am 14. Februar 2024

 

Anfang Februar 2024 war es so weit: Bund und Länder haben sich auf das Startchancen-Programm geeinigt. 20 Milliarden Euro für 4.000 Schulen in herausfordernder Lage. Damit werden am Ende rund zehn Prozent aller Schülerinnen und Schüler erreicht. Ziel ist es, die Basiskompetenzen – Schreiben, Lesen, Rechnen – zu stärken. Ein absolut notwendiges Signal für mehr Chancengerechtigkeit! Aber am Ende ist es ein teurer Tropfen auf den heißen Stein.

Bereits die letzte große Investition in Schulen – der Digitalpakt – hat gezeigt, Geld allein löst das Problem der Digitalisierung an Schulen nicht. Es braucht Lehrkräfte, Schulleitungen, Schulträger, außerschulische Partner, neue Wege in der Lehrkräftebildung, um das Lernen gemeinsam grundsätzlich weiterzuentwickeln. Es ist eine systemische Frage. Wir müssen an vielen Stellschrauben drehen, um am Ende sicherzustellen, dass Schülerinnen und Schüler mit den notwendigen Kompetenzen die Schule verlassen.

Das Potenzial einzelner Aktivitäten kann sich nur entfalten, wenn sie Teil einer gebündelten nationalen Bildungsroadmap werden.

Andrea Frank (Foto: Stifterverband)

Andrea Frank

Stellvertretende Generalsekretärin des Stifterverbandes

Neben den großen staatlichen Förderprogrammen haben in den letzten Jahren auch viele private Akteure mit eigenen Anstrengungen, Ideen und Ressourcen wertvolle Impulse für das Bildungssystem in Deutschland gegeben. Laut einer Schätzung auf Grundlage des ZiviZ-Survey sind etwa 5.700 Stiftungen in Deutschland schwerpunktmäßig im Bildungsbereich aktiv. Sie geben insgesamt mindestens 2,5 Milliarden Euro im Jahr für Bildung aus. Dazu kommen noch viele gemeinnützige Bildungsinitiativen.

Aber wir müssen erkennen, dass sich das Potenzial dieser einzelnen Aktivitäten nur entfalten kann, wenn sie – anders als bisher – Teil einer gebündelten nationalen Bildungsroadmap werden, an deren Umsetzung staatliche Bildungsverantwortliche und private Akteure gemeinsam arbeiten und ein zukunftsfähiges Bildungssystem gestalten. Wie kann die Bildungswende gelingen?

 

Mal wird zu viel, mal zu wenig gesteuert

Wir brauchen nicht mehr Geld, wir brauchen vor allem förderliche Rahmenbedingungen: Das bedeutet, die teilweise bestehende Überregulierung zu reduzieren und gleichzeitig die Steuerung zu erhöhen.

  • Beispiel Untersteuerung: Auch die beste digitale Infrastruktur an Schulen nützt wenig, wenn Lehrkräften die nötigen Kompetenzen fehlen, um digitale Technologien für guten und lernwirksamen Unterricht zu nutzen. Bis heute ist es für fast ein Viertel aller Lehramtsstudierenden möglich, das Studium erfolgreich abzuschließen, ohne Kompetenzen für die digitale Welt erworben zu haben. Die Länder nutzen ihre Steuerungsmöglichkeiten bisher kaum aus. Es fehlen verbindliche Vorgaben in den Lehrkräftebildungsgesetzen oder zumindest klare Verabredungen in den Zielvereinbarungen.
     
  • Beispiel Überregulierung: Nach der Einführung der Bachelor-/Masterstudiengänge im Lehramtsbereich wäre es konsequent, die bestehenden Strukturvorgaben für die Lehramtsstudiengänge deutlich zu reduzieren und lediglich festzulegen, welche Kompetenzen für den Eintritt in den Vorbereitungsdienst nachzuweisen sind. Wie jedoch die Studiengänge im Einzelnen gestaltet sind, ob mit längeren oder kürzeren Praxisphasen, schon im Bachelor- oder erst im Masterstudium, ob zwei Unterrichtsfächer parallel oder nacheinander studiert werden, könnte getrost dem Wettbewerb der Hochschulen überlassen werden. Der Blick in die Medizinerausbildung zeigt, dass eine Experimentierklausel qualitätssteigernd wirken kann.

 

Mehr Verständigung zwischen den Ländern

Wir brauchen einen umsetzungsorientierten und wirkungsvollen Dialog mit den Ländern. In Fragen des Bildungssystems haben die Bundesländer die relevanten Hebel in der Hand. Die Anstrengungen für ein Pflichtfach Informatik als Grundlage für digitale Kompetenzen zeigen dies beispielhaft: Mit zahlreichen Studien und Länder-Dialogrunden hat sich der Stifterverband gemeinsam mit der Gesellschaft für Informatik und ShetransformsIT dafür eingesetzt, Informatik flächendeckend als Pflichtfach an Schulen in Deutschland einzuführen. Zwei Bundesländer sind dieser Empfehlung gefolgt, drei weitere wollen das in den kommenden Jahren tun. Der Hebel ist gewaltig: Während bei Projektstart im Schuljahr 2020/21 nur 37 Prozent der Schülerinnen und Schüler ein Minimum an Informatikkompetenzen erworben haben, sind es 2023/24 bereits rund 59 Prozent.

Ein wirkungsvoller Dialog umschließt vor allem drei Dinge:

  • Es gibt einen Fokus auf konkrete Empfehlungen und daraus abgeleitete Potenziale für Umsetzungspartnerschaften. Diese unterstützen die Politik im Rahmen gemeinsam geteilter Ziele.
  • Es werden anhand von erprobten Lösungen Entwicklungspfade aufgezeigt und ein Erfahrungstransfer zwischen den unterschiedlichen politischen Akteuren im Bildungsbereich ermöglicht.
  • Es wird an förderlichen Rahmenbedingungen gearbeitet, damit Partnerschaften größtmögliche systemische Wirkung erzielen.

 

Gute Projekte auf andere Regionen übertragen

Wir brauchen starke Umsetzungsallianzen zur Skalierung bereits erprobter Pilotprojekte: Viele private Initiativen – und auch staatliche Förderprogramme – haben gezeigt, dass es geht. Wir brauchen nicht neue Projekte, sondern neue Wege der Skalierung: Erfolge guter Projekte verstehen und diese auf andere Regionen übertragen, eine Koalition mit neugierigen und willigen Regionen und Ländern suchen und umsetzen. Solche Allianzen brauchen wir für zentrale Herausforderungen im Bildungssystem.

Die im Vorstand des Stifterverbandes engagierten Unternehmen und Unternehmensverbände haben daher die Gemeinschaftsinitiative Zukunftsmission Bildung gestartet. Hier lassen wir uns von den beschriebenen Prinzipien leiten. Denn eines ist klar: Ein "Weiter so" ist nicht möglich. Die Menschen, die in den nächsten 15 Jahren in unseren Schulen und Hochschulen ausgebildet werden, gestalten Deutschland bis zur nächsten Jahrhundertwende. Wohlstand, Wettbewerbsfähigkeit und der Zustand unserer Demokratie hängen davon ab, dass mehr junge Menschen die Kompetenzen erwerben, die sie in einer Welt im Wandel orientierungs- und handlungsfähig machen.