Wie die Zukunftsstrategie zukunftsfähig wird

 
Andrea Frank, stellvertretende Generalsekretärin des Stifterverbandes, zieht ein erstes Zwischenfazit zur "Zukunftsstrategie Forschung und Innovation" der Bundesregierung.

Erstveröffentlichung in Research.Table am 10. Oktober 2023

 

In der deutschen Wirtschaft herrscht Flaute. Die Bestellungen an die Industrie sind um zwölf Prozent gefallen. Entsprechend negativ sind die Prognosen. So rechnet beispielsweise das ifo-Institut mit einem Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent in diesem Jahr. Das ist nicht nur ein vorübergehendes konjunkturelles Problem. Vielmehr steht unsere Wirtschaft vor tiefgreifenden transformativen Aufgaben bei Mobilität, Energie, Digitalisierung – und Studien wie das World Competitiveness Ranking weisen hier auf eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hin. Angesichts dieser trüben Aussichten liegt die Hoffnung auf einen Aufbruch in Forschung und Innovation. Dafür braucht es eine gemeinsame nationale Anstrengung, die Prioritäten setzt und Kräfte entlang von klaren Missionen bündelt. 

Die Bundesregierung hat als Antwort darauf im Februar 2023 die Zukunftsstrategie vorgelegt. Also ist es Zeit für ein erstes Zwischenfazit. Die Strategie sei der Kompass, mit dem die Forschungs- und Innovationspolitik der Bundesregierung neu und zielgenauer ausgerichtet werde. Sie bündele ressortübergreifend Anstrengungen und Ressourcen, setze spürbar Akzente für den Umgang mit den Herausforderungen. So der öffentlich formulierte Anspruch. Der "Kompass" wurde schon bei seiner Veröffentlichung im Februar ergänzt um eine 15-seitige Sammlung von sogenannten strategieähnlichen Maßnahmen aller Ressorts inklusive des Versuchs, diese Vielfalt den Missionen zuzuordnen. Das zeigt: Von einer gemeinsamen, fokussierten und orchestrierten Anstrengung sind wir noch weit entfernt.

Gleichzeitig gibt es in der Zukunftsstrategie spannende Elemente, die Potenzial hätten, die Steuerung und Prioritätensetzung in der Forschungs- und Innovationspolitik neu zu denken: Die Missionsteams als ressortübergreifende Task Forces – nicht als koordinierende Arbeitsgruppen – sind eine vielversprechende Idee; die konkreten – auch quantitativen – Ziele lassen hoffen. Und auch das Begleitgremium Forum #Zukunftsstrategie ist diesmal nicht in erster Linie mit Funktionsträgern, sondern mit Expertise entlang der Missionen besetzt. 

Aber die Missionsteams wurden nicht als neue starke Governance aufgesetzt, die Ziele nicht priorisiert, und so bleibt von außen der Eindruck, dass es eher eine Gesamterzählung der Aktivitäten ist als eine Umsetzungsstrategie, die Prioritäten setzt. Das Forum #Zukunftststrategie hat nun seine Arbeit aufgenommen und muss es richten. Die Erwartung ist klar: keine Grundsatzpapiere auf Hochglanzpapier, sondern Handlungsorientierung und Umsetzungsvorschläge.

Ich wünsche mir mehr Mut – sowohl zur Anwendung eines neuen methodischen Ansatzes als auch zum Übergang vom "Diskutieren" zum "Umsetzen".

Andrea Frank (Foto: Damian Gorczany)
Foto: Damian Gorczany

Andrea Frank

Stellvertretende Generalsekretärin des Stifterverbandes

Es ist an der Zeit, hier mutiger zu sein. Rückläufige Ressourcen müssen so gebündelt werden, dass unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit in Forschung und Innovation gesichert wird. Dabei spielen drei Aspekte eine wesentliche Rolle:  

  • Vielstimmigkeit in der Beratung und Silodenken im Handeln überwinden: Zukunftsrat, Allianz für Transformation, Forum #Zukunftsstrategie – mindestens drei von der Politik eingesetzte Gremien diskutieren die Frage, was für eine erfolgreiche Transformation notwendig ist. Papiere und Empfehlungen sind ausreichend formuliert, es braucht kluge Umsetzungsideen. Ich befürchte, hier kommen die Gremien – auch aufgrund ihrer begrenzten Mandate – an ihre Grenzen. Statt Diskussionen benötigen wir ein an gemeinsamen Roadmaps orientiertes und orchestriertes Handeln.  Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat hier einen wichtigen Vorschlag eingebracht. Sie empfiehlt in ihrem Gutachten 2023, die Verantwortung in einem ständigen Regierungsausschuss für Forschung und Innovation ressortübergreifend zusammenzuführen. Dann gäbe es einen legitimierten Ort für die Orchestrierung – für Abstimmung und Koordination, Überprüfung, Monitoring und Anpassung. Vor allem gäbe es eine gemeinsame strategische Verantwortung und Verbindlichkeit. Das gefällt mir an dem Vorschlag. Strategien könnten so wirksam zusammengeführt werden. Aktuell scheint das trotz des ressortübergreifenden Charakters der Zukunftsstrategie nicht immer der Fall. Das zeigt sich beispielsweise im wichtigen Handlungsfeld Datenpolitik, in dem das Forschungsministerium und weitere Ressorts ihre einzelnen Projekte und Strategien vorantreiben.
     
  • Chance für gemeinsames Handeln von Bund und Ländern in der Innovations- und Forschungspolitik endlich nutzen: Bei allen Überlegungen bewegen wir uns aktuell lediglich auf der Ebene des Bundes. Aber auch auf der Landesebene entstehen Forschungs- und Innovationstrategien. Eine Analyse hat gezeigt: Es werden überall ähnliche Schwerpunkte in der Förderung gesetzt, ein gemeinsames Zielbild ist nicht zu erkennen. So haben wir vielleicht am Ende viele kleine regionale Zentren wie beispielsweise für KI, aber national keine kritische Masse, um international mitreden zu können. Wo ist der Dialograum, in dem nationale Schwerpunkte verhandelt werden? Wo ist die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern, im Interesse eines starken nationalen Forschungs –und Innovationsstandortes?
     
  • Umsetzung gemeinsam durch Roadmapping beschleunigen: Neben gemeinsamer strategischer Verantwortung und Verbindlichkeit braucht es aber auch Beschleunigung in der Umsetzung. Hier scheinen wir geradezu festzustecken in bisherigen Routinen. Warum nicht einfach einmal eine andere Methode des politischen Handelns ausprobieren? Der Stifterverband schlägt Roadmapping als Beschleunigungsansatz vor. Roadmaps beschreiben mögliche Entwicklungspfade vom Status quo zum Ziel. Am Ende geht es um den richtigen Fokus unserer Anstrengung. In der Beschleunigungsformel für Deutschland definieren wir drei Faktoren für den Umsetzungserfolg von Zukunftsmissionen: mutige und klar definierte Roadmaps, Fokus auf Katalysatoren, die die Roadmaps befördern, und eine mit wirklichem Mandat ausgestattete Orchestrierung.

Und das bringt mich zurück zum Forum #Zukunftsstrategie. Der Ort der mandatierten Orchestrierung scheint bei allen Gremien, die es aktuell gibt, zu fehlen. Ich wünsche mir mehr Mut – sowohl zur Anwendung eines neuen methodischen Ansatzes als auch zum Übergang vom "Diskutieren" zum "Umsetzen". Viel Zeit bleibt nicht. In 18 Monaten beginnt der nächste Wahlkampf!