Studie zur Digitalisierung an Hochschulen: Große Potenziale bleiben ungenutzt

Die Digitalisierung ist laut Hochschulleitungen ein wichtiger strategischer Pfeiler für die Zukunft der deutschen Hochschulen. Aktuelle Themen wie die rasante KI-Entwicklung erzeugen zusätzlichen Handlungsbedarf. Der aktuelle Monitor Digitalisierung 360° vom Hochschulforum Digitalisierung liefert umfassende Einblicke in den Stand der Digitalisierung an deutschen Hochschulen. Fazit: Es gibt weiterhin viele strukturelle Herausforderungen.

04.11.2024

Fast alle Hochschulen (93,5 Prozent) haben eine Strategie zur Digitalisierung in Studium und Lehre. Diese wird von Lehrenden berücksichtigt, sofern bekannt - doch das trifft auf weniger als die Hälfte (46,5 Prozent) zu. Zudem fehlen ihnen Zeit und Unterstützungsstrukturen für die Weiterentwicklung der Lehre. Julius-David Friedrich, Projektleiter des Hochschulforums Digitalisierung für das CHE Centrum für Hochschulentwicklung, fordert daher: "Die digitale Transformation sollte mehr als ein Lippenbekenntnis der Hochschulleitungen sein. Sie verlangt klare Strukturen, finanzielle Zusagen sowie langfristiges Denken und Handeln."
 

Infrastruktur: IT-Ausstattung verbessert, Fachkräfte fehlen
Die Zahlen zur Finanzierung von Digitalisierungsprojekten weisen auf eine Mischkalkulation aus Haushalts- und Drittmitteln hin. Knapp 80 Prozent der Hochschulen stellen Gelder aus der Grundfinanzierung zur Verfügung. Mehr als 90 Prozent der Mitarbeitenden in Rechen- und Didaktikzentren geben zugleich an, dass Support-Stellen auch durch befristete Fördergelder finanziert werden. 38,5 Prozent der Hochschulleitungen berichten, dass es schwierig sei, IT-Fachkräfte zu finden. Deutlich verbessert hat sich dagegen die technische Infrastruktur an den Hochschulen. Nur noch 6,6 Prozent der Hochschulleitungen betrachten die Ausstattung generell als unzureichend. Doch es bleiben weiterhin Lücken. Ein typisches Problem: mangelnde Steckdosen in den Lernräumen.
 

Künstliche Intelligenz: Nutzung trotz Skepsis
Seit der Einführung von KI-Systemen wie ChatGPT wird an Hochschulen über deren Rolle im Bildungswesen diskutiert. Der Monitor Digitalisierung 360° gibt Einblicke, wie sich die neue Technologie auf Studium und Lehre auswirkt. So waren Hochschulen zunächst vor allem auf die Vermeidung akademischen Fehlverhaltens in Prüfungen bedacht. Kompetenzen im Umgang mit KI hingegen wurden Studierenden zufolge nur in 15,5 Prozent der Lehrveranstaltungen behandelt. Lehrende haben Interesse an der Vermittlung von Zukunftskompetenzen, doch nur an einem Fünftel der Hochschulen sind erste Maßnahmen dazu umgesetzt, beispielsweise in Form von Lehrplänen oder Zertifikatsprogrammen. Jannica Budde, Senior Projektmanagerin für das Hochschulforum Digitalisierung für das CHE Centrum für Hochschulentwicklung, resümiert: "Künstliche Intelligenz verändert Bildungsprozesse bereits heute – Hochschulen müssen ihre Curricula anpassen, um Zukunftskompetenzen zu fördern und Studierende auf die digitalen geprägte Welt vorzubereiten." Eine weitere Erkenntnis des Monitors: Nicht nur viele Studierende nutzen ChatGPT, sondern auch ein Großteil der Hochschullehrenden – in den meisten Fällen für die Vorbereitung von Lehrveranstaltungen.
 

Studierende fordern Interaktion
Bezüglich der Lernpräferenzen von Studierenden ergibt sich nach dem Ende der Corona-Maßnahmen ein gemischtes Bild. 2022 wünschten sich 64,6 Prozent der Studierenden, dass hybride Lehre, die auch eine Online-Teilnahme ermöglicht, ein fester Bestandteil des Hochschulalltags sei. In der aktuellen Befragung waren es nur noch 51,3 Prozent. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Studierende zurück zur traditionellen Frontalvorlesung wollen. "Der Monitor Digitalisierung 360° zeigt, dass analog und digital schon lange keine Gegensätze mehr sind", sagt Oliver Janoschka, Geschäftsstellenleiter des Hochschulforums Digitalisierung beim Stifterverband. "Für bessere Kommunikation und stärkere Zusammenarbeit brauchen wir moderne Lernräume und digitale Formate gleichermaßen. Das entspricht dem größten Wunsch der Studierenden: Mehr Interaktion in der Hochschullehre!" In Bezug auf die Nutzung digitaler Endgeräte haben sich die Präferenzen der Studierenden verschoben: Inzwischen lernen sie häufiger mit Tablets als mit Smartphones.
 

Ein Blick in die Zukunft
Für die kommenden Jahre zeigt der Monitor klare Handlungsfelder auf. Für eine weitere Verbesserung der Infrastruktur müssen nachhaltige Finanzierungsmodelle gefunden werden, um langfristige Digitalisierungsprojekte zu stützen. Nur so könne der Weg von der Strategie zur gelebten Praxis wirklich gelingen, betonen die Autorinnen und Autoren der Studie.

 

Der Monitor zum Stand der Digitalisierung in Studium und Lehre an deutschen Hochschulen wurde als "360-Grad-Befragung" angelegt. Zwischen November 2023 und März 2024 wurden vier verschiedenen Zielgruppen – Hochschulleitungen (n=93), Support (n=246), Lehrende (n=729) und Studierende (n=1.084) – zu didaktischen Formaten, räumliche Infrastruktur, konkreten Unterstützungsangeboten bis hin zu strategischen Entwicklungen an deutschen Hochschulen befragt, um einen möglichst ganzheitlichen Blick auf das Thema zu erhalten. Durch die geplante Wiederholung der Befragung in zirka zwei Jahren wird nicht nur ein punktueller Ist-Stand abgebildet, sondern es werden auch Veränderungen und sich abzeichnende Entwicklungen aufgezeigt. Die Datenerhebung wurde vom mmb Institut im Auftrag des Hochschulforum Digitalisierung/CHE Centrum für Hochschulentwicklung durchgeführt.

Das Hochschulforum Digitalisierung vernetzt seit 2014 Akteure aus Hochschulen, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, macht Entwicklungen sichtbar und erprobt innovative Lösungsansätze. Als gemeinsame Initiative des Stifterverbands, des CHE Centrum für Hochschulentwicklung und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) wird das HFD durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Pressekontakt

Michael Siegel (Foto: Damian Gorczany)

Michael Siegel

ist Kommunikationsmanager im Hochschulforum Digitalisierung.

T 0162 7460773