Der Preis wurde jährlich im Rahmen der Helmholtz-Jahrestagung übergeben und abwechselnd vom Stifterverband und der Helmholtz-Gemeinschaft mit 50.000 Euro dotiert. Vertreterinnen und Vertreter von mindestens zwei Fachrichtungen mussten an den Arbeiten mitgewirkt haben. Der Namensgeber des Preises, Erwin Schrödinger (1887-1961), war Physik-Nobelpreisträger, hat aber gleichzeitig auch die Entwicklung der Biologie nachhaltig beeinflusst.
Ausgezeichnet wurde ein internationales Team am Helmholtz-Institut Mainz (HIM): Mit der kostengünstigen und außerordentlichen Verstärkung der Magnetresonanzsignale haben die Expertinnen und Experten eine Technik entwickelt, die vielversprechend in der Analytik genutzt werden kann.
Die Kernspinresonanz gehört zu einer Standardmethode der Analytik, um die Struktur und Dynamik von Materialien und lebenden Objekten zu ermitteln. Inklusive der Kernspintomographie wird die Methode unter anderem in der Chemie, der Biochemie und der Medizin eingesetzt. Bei beiden Verfahren eignen sich Flüssigkeiten besonders gut als Kontrastmittel für die Untersuchung. Allerdings stoßen die bisherigen Methoden an ihre Grenzen: Die Wechselwirkung von Kernspins mit ihrer Umgebung ist sehr schwach, und die Methoden weisen daher eine geringe Empfindlichkeit auf. Hier setzt die Neuentwicklung an: Zur Überwindung dieser Einschränkung haben die Forscherinnen und Forscher eine Reihe von sogenannten "Hyperpolarisierungstechniken" entwickelt. Dabei handelt es sich um chemische und physikalische Verfahren, mit denen Atome und Moleküle so präpariert werden können, dass ihre Magnetresonanzsignale um einen Faktor von etwa einer Million verstärkt werden, und dies auch noch kostengünstig.
Hyperpolarisationstechniken sind sehr aufwendig und können zurzeit nur in wenigen Kliniken weltweit eingesetzt werden. Möglich wurde dieses Projekt erst durch die Kooperation des Teams aus Chemikern, Physikern, Ingenieuren, Biologen und Mitarbeitern aus der klinischen Praxis. Das Team setzt sich zusammen aus Expertinnen und Experten aus Deutschland, England, Italien, und den USA. Beteiligt sind das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung, das Helmholtz-Institut Mainz, die Technische Universität Darmstadt, die Technische Universität Kaiserslautern, die Universität Southampton und die Universität Turin. Das Helmholtz-Institut Mainz, an dem die Preisträgerinnen und Preisträger forschen, wird gemeinsam vom GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt und von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz getragen.
"Das Ziel unserer wissenschaftlichen Arbeit ist es, sowohl für den medizinischen Anwendungsbereich als auch für Forschungszwecke einfach herzustellende, sichere und langlebige hyperpolarisierte Moleküle zur Verfügung zu stellen", sagt Dmitry Budker, Professor für Experimentelle Atomphysik am Exzellenzcluster PRISMA+ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und Sektionsleiter am Helmholtz-Institut Mainz (HIM). "Unsere Methode stellt dabei einen großen Schritt und eine entscheidende Verbesserung dar. Erreichen konnten wir dies durch die fachbereichs- und länderübergreifende Zusammenarbeit. Wir sind sehr froh und stolz, dass unsere langjährige und intensive Forschungszusammenarbeit mit dem renommierten Erwin-Schrödinger-Preis ausgezeichnet wird."
"Die beeindruckende Forschungsarbeit dieses internationalen Gewinnerteams zeigt erneut, was Wissenschaft bewegen kann, wenn sie über Disziplinen hinweg und Landesgrenzen hinaus zusammenarbeitet", sagt Otmar D. Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft. "Die enorme Verstärkung der Magnetresonanzsignale stellt eine entscheidende Verbesserung für den medizinischen Anwendungsbereich dar. Ich gratuliere den Preisträgerinnen und Preisträgern sehr herzlich."
"Dem international besetzten Forschungsteam ist es herausragend gelungen, Expertise aus den verschiedenen Bereichen der Naturwissenschaften erfolgreich zusammenzubringen", sagt Michael Kaschke, Präsident des Stifterverbandes. "Mit diesem hochengagierten, interdisziplinären Ansatz konnte die Analytik in der Magnetresonanztomographie für Medizin und Forschung auf entscheidende Weise verbessert werden. Genau diese herausragenden Projekte wollen wir mit diesem Preis würdigen und sichtbar machen."
Die Preisverleihung fand am 21. September 2022 im Rahmen der Helmholtz-Jahrestagung in Berlin statt. "Der Wissenschaftspreis des Stifterverbandes prämiert wissenschaftlich oder technisch innovative Leistungen, die in Grenzgebieten zwischen verschiedenen Fächern der Medizin, Natur- und Ingenieurwissenschaften erzielt worden sind. Diese Neugier und der Wille, sich über Grenzen hinweg zusammen zu tun, zeichnen auch unsere heutigen Preisträgerinnen und Preisträger aus", sagte Prof. Dr. Michael Kaschke, Präsident des Stifterverbandes, in seiner Laudatio.
Von der Helmholtz-Gemeinschaft produziertes Video-Porträt der Preisträger
Neuer Therapieansatz für Parasitenkrankheiten
Michael Sattler, Helmholtz Zentrum München
Ralf Erdmann, Ruhr-Universität Bochum
Grzegorz Popowicz, Helmholtz Zentrum München
Vishal Kalel, Ruhr-Universität Bochum
Maciej Dawidowski, Medizinische Universität Warschau (ehem. Helmholtz Zentrum München)
Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München erhielten den Erwin-Schrödinger-Preis für ihre Bemühungen, Parasitenkrankheiten wie die Chagas-Krankheit mit einem neuen Wirkstoff zu heilen. Ursprünglich in tropischen Regionen beheimatet, breiten sie sich zunehmend in kühleren Gebieten wie Nordamerika und Europa aus. Gegenwärtig gibt es keine Heilungsmöglichkeiten, und verfügbare Medikamente linderen die Symptome nur mit starken Nebenwirkungen.
Bei der Chagas-Krankheit stechen Raubwanzen Menschen in die Haut und übertragen den Parasiten über die Stichwunde. Nach der ersten Infektion bricht die Chagas-Krankheit oftmals erst nach einer langen Latenzzeit (Jahre bis Jahrzehnte) aus. Zunächst äußert sie sich durch grippeähnliche Symptome, kann jedoch durch Komplikationen am Herzen und im Magen-Darm-Bereich bis zum Tod führen. In manchen Fällen kommt es noch viele Jahre später zu Komplikationen wie Herzmuskelentzündungen. Größte Herausforderung ist es, Infizierte ohne Symptome ausfindig zu machen und frühzeitig zu behandeln. Die Krankheit kann sich auch zwischen Menschen über Kontakt mit Blut von Infizierten übertragen.
Das Forschungsteam arbeitet seit Jahren interdisziplinär an der Entwicklung eines neuen Medikaments gegen Parasitenkrankheiten wie Chagas.und feierte bereits erste Erfolge: In einem innovativen therapeutischen Ansatz entwickelten die Wissenschaftler ein kleines Molekül, das zielgerichtet Proteine des Chagas-Parasiten blockiert, die für dessen Zuckerstoffwechsel verantwortlich sind, und den Parasiten somit abtötet. Um am Menschen zum Einsatz zu kommen, muss der Wirkstoff weiterentwickelt und letztendlich auf seine Wirksamkeit und Sicherheit in klinischen Studien getestet werden. Der neue Ansatz sollte auch die Bekämpfung weiterer Parasitenkrankheiten wie Leishmanosen oder der afrikanischen Schlafkrankheit ermöglichen.
Von der Helmholtz-Gemeinschaft produziertes Video-Porträt der Preisträger
Sonnenlicht effizienter in Strom verwandeln
Alexander Colsmann
Michael J. Hoffmann
Tobias Leonhard
Holger Röhm
Alexander D. Schulz
Susanne Wagner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Dem Wissenschaftler-Team ist es gelungen, Expertise aus den Bereichen der Optoelektronik und der Keramischen Werkstoffe so zusammenzubringen, dass sie ein vertieftes Verständnis der Perowskit-Solarzellen ermöglichen. Mit solchen neuartigen Materialien in künftigen Solarzell-Generationen kann Sonnenlicht noch effizienter in elektrischen Strom umgewandelt werden – und das mit einem Material, das technisch einfach zu verarbeiten und kostengünstig ist. Zudem eröffnen sie ein neues Forschungsfeld, den Einsatz halbleitender Keramik in der Optoelektronik. Die daraus resultierenden Anwendungen haben das Potenzial, eine große gesellschaftliche Herausforderung wie die Erzeugung nachhaltiger Energie entscheidend voranzutreiben.
Von der Helmholtz-Gemeinschaft produziertes Video-Porträt der Preisträger
Prostatakrebs erkennen und therapieren
Matthias Eder, Universität Freiburg, DKTK und DKFZ
Michael Eisenhut, DKFZ (emeritiert)
Uwe Haberkorn, Universitätsklinikum Heidelberg und DKFZ
Klaus Kopka, DKFZ
Dass die Entdeckung das Zeug zu einem großen Erfolg hat, merkte Uwe Haberkorn schon früh. "Wir testeten gerade einen neuen Wirkstoff, mit dem sich Prostatakrebs besser erkennen lassen sollte", erinnert sich der ärztliche Direktor der Abteilung Nuklearmedizin am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. "Und auf einmal sagten mir die Strahlentherapeuten und Urologen, dass sie für die Diagnostik nur noch mit diesem neuen Wirkstoff arbeiten wollen." Viel schärfer und klarer erkennbar waren die Aufnahmen von den Krebszellen auf ihren Bildschirmen als bei allen vorherigen Methoden. Gerade einmal sieben Jahre liegt dieser Moment zurück; heute haben weltweit bereits mehrere hunderttausend Patienten von der Heidelberger Erfindung profitiert.
Der Ausgangspunkt der Entdeckung: PSMA, das Prostata-spezifische Membran-Antigen, ist auf der Oberfläche gesunder Prostatazellen vorhanden, ein Vielfaches mehr aber auf Prostatakrebszellen. Im restlichen Körper kommt das Protein kaum vor. Diesen Umstand hat sich ein interdisziplinäres Forscherteam aus Heidelberg zunutze gemacht und ein kleines Molekül entwickelt, das einerseits an diesem Antigen andockt und sich andererseits mit verschiedenen schwach radioaktiven Substanzen, so genannten Radionukliden, markieren lässt. Injizieren die Forscher das Molekül in die Blutbahn eines Patienten, so bleibt es gewissermaßen an den Prostatakrebszellen hängen. Der radioaktive Anteil des Moleküls sorgt dafür, dass die Ansammlungen des Moleküls an den Krebszellen sichtbar werden. In sogenannter Positronen-Emissions-Tomographie (PET), erkennen die Ärzte dank dieser Markierungen selbst kleinste Herde von Prostatakrebszellen.
Neben dem Nuklearmediziner Uwe Haberkorn gehören zum Forscherteam auch zwei Chemiker und ein Biotechnologe. "Genau diese Kombination unterschiedlicher Fachrichtungen hat unsere Arbeit erst möglich gemacht – und den Durchbruch in dieser kurzen Zeit", sagt Klaus Kopka. Der Abteilungsleiter im Bereich Radiopharmazeutische Chemie am DKFZ spricht von einer "Erfindergemeinde", die hinter dem Projekt steht. Zu ihr zählen neben Kopka und Haberkorn auch der Chemiker Michael Eisenhut (DKFZ, emeritiert) sowie der Biotechnologe Matthias Eder (Universitätsklinikum Freiburg und DKTK).
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist das Erfolgsrezept des Projekts: "Wir Radiopharmazeuten zum Beispiel sind natürlich weltweit auf Kongressen im Kontakt mit Nuklearmedizinern", sagt Matthias Eder – "aber entscheidend war bei diesem Projekt der Kontakt vor Ort. Wir haben gemeinsame Seminare veranstaltet, über unsere Ergebnisse diskutiert und waren so nah beieinander, dass wir uns problemlos auch zwischendurch einmal zusammensetzen konnten."
Mit ihrer Entwicklung, die mit einem Gedankenspiel unter Kollegen in Heidelberg begann, konnten Mediziner in aller Welt inzwischen ihren Patienten neue Hoffnung machen. Uwe Haberkorn kommentiert diese Erfolge in aller Bescheidenheit: "Natürlich freut man sich", sagt er, "wenn es etwas taugt, was man entwickelt hat."
Video zu den Preisträgern im YouTube-Kanal der Helmholtz-Gemeinschaft
Riesige Datenmengen aus winzigen Zellen
Prof. Dr. Dr. Fabian Theis, Helmholtz Zentrum München und Technische Universität München
Prof. Dr. Timm Schroeder, ETH Zürich in Basel
Dr. Carsten Marr, ebenfalls Helmholtz Zentrum München
Dr. Laleh Haghverdi, EMBL-EBI Hinxton
Das Forscherteam hat mehrere Methoden entwickelt, um Zellpopulationen differenzierter zu beschreiben. Damit können sie unter anderem vorhersagen, wie sich einzelne Blutzellen entwickeln und erklären, warum sie das tun. Diese Erkenntnisse der grundlegenden Zellforschung erleichtern es beispielsweise, Autoimmunerkrankungen oder Leukämien besser zu verstehen und künftig optimal behandeln zu können. Dafür arbeitete das Team mit großen Datenmengen aus der zeitaufgelösten Einzelzellmikroskopie, mit genomischen oder proteomischen Daten einzelner Zellen sowie mit Algorithmen und Methoden aus der Mathematik und dem maschinellen Lernen.
Revolution in der Petrischale
Martin Bastmeyer, Karlsruher Institut für Technologie
Christopher Barner-Kowollik, Karlsruher Institut für Technologie
Martin Wegener, Karlsruher Institut für Technologie
Der dreidimensionale Druck ist ein weltweiter Trend, der in immer mehr Anwendungsgebieten zum Einsatz kommt, etwa der Spielzeug- oder Automobilindustrie. Im Mikro- und Nanobereich könnte er vor allem bei der künstlichen Herstellung von biologischem Gewebe ("Tissue Engineering") neue Erkenntnisse bringen, zum Beispiel bei der Fertigung von 3-D-Designer-Petrischalen: Drei Wissenschaftler des KIT haben eine Methode entwickelt, um flexible und dreidimensionale Mikrogerüste aufzubauen, in denen sie Zellkulturen in einem maßgeschneidertem Milieu züchten und erforschen können.
Quantenkryptographie hebt ab
Dipl.-Ing. Martin Brechtelsbauer, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Dr. Stefan Frick, Ludwig-Maximilians-Universität München
Christian Fuchs, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Dr.-Ing. Dirk Giggenbach, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Dipl.-Ing. Joachim Horwarth, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Dipl.-Ing. Florian Moll, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Dr. Sebastian Nauerth, Ludwig-Maximilians-Universität München
Bernd Oeste, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Dr. Markus Rau, Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. Harald Weinfurter, Ludwig-Maximilians-Universität München
Ein abhörsicherer Informationsaustausch rund um den Globus – das ist die Vision der beiden ausgezeichneten Forschergruppen. In dem Projekt "Air-ground Quantum Key Distribution" ist es den Teams gelungen, die Methode der Quantenkryptographie zum Fliegen zu bringen. Funktionierte diese Verschlüsselungstechnik bisher nur in der Glasfaser und damit mit begrenzter Reichweite, so konnten die Wissenschaftler das Verfahren mit fliegenden Objekten erfolgreich testen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um mit diesem Verfahren in einem nächsten Schritt eine sichere Datenübertragung über Satelliten und damit weltweit zu ermöglichen.
Allein gegen das Fett
Prof. Dr. Matthias Tschöp, Helmholtz Zentrum München
Prof. Dr. Richard DiMarchi, Indiana University
Dr. Kerstin Stemmer, Helmholtz Zentrum München
Dr. Brian Finan, Helmholtz Zentrum München
Ein einzelnes Molekül kann Hoffnungsträger für Millionen Menschen werden: Forscher haben zwei Hormone, die im Darm gebildet werden, zu einem einzigen Molekül zusammenfügt. Diese Hormonkombination wirkt an den Rezeptoren der Insulin-stimulierenden Hormone und kann so bei Patienten mit Adipositas oder Typ-2-Diabetes den Blutzuckerwert senken. Durch den neuen therapeutischen Ansatz könnten in den kommenden Jahren beide Krankheiten, die die Vereinten Nationen und die WHO zu den größten medizinischen Herausforderungen für die moderne Gesellschaft zählen, erfolgreich behandelbar werden.
Viehhaltung in Steppen- und Präriegebieten reduziert die Emission von Treibhausgas
Forscherteam um Klaus Butterbach-Bahl vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass großflächige Beweidung zur stetig wachsenden Lachgaskonzentration in der Atmosphäre und damit zur globalen Erderwärmung beiträgt. Doch im Gegenteil: Dass Viehhaltung in Steppen- und Präriegebieten die Emission des Treibhausgases verringert, konnte ein fünfköpfiges Forscherteam um Klaus Butterbach-Bahl in einer Langzeitstudie nachweisen.
Entwicklung eines gedankengesteuerten Roboter-Arms
Prof. Dr. Patrick van der Smagt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Prof. Dr. John P. Donoghue von der Brown University, USA
Das von van der Smagt und Donoghue entwickelte Assistenz-System ist weltweit einzigartig: Querschnittsgelähmte Patienten können allein durch ihre Gedanken einen Greifarm steuern. Dafür haben die Forscher eine lernende Software entwickelt, die Signale aus dem Gehirn des Patienten in Steuerungssignale für den Greifarm übersetzt. 2011 gelang es einer Patientin, die seit 15 Jahren vom Hals abwärts gelähmt ist, mit der neuen Armprothese einen Strohhalm zum Mund zu führen. So konnte die Patientin erstmals seit ihrem Schlaganfall wieder selbstständig trinken. Zur Steuerung des Greifarms musste sie kein aufwendiges Training absolvieren, sondern sich nur vorstellen, ihren eigenen Arm entsprechend zu bewegen. Diese Vorstellung erzeugte Signale im motorischen Kortex, dem Bereich des Gehirns, der für die Steuerung der Bewegung zuständig ist. Ein kleines, mit der Brown University entwickeltes Implantat im Schädel der Patientin leitete diese Signale weiter.
Molekulares Echtzeit-Bildgebungsverfahren für Tumorzellen
Prof. Vasilis Ntziachristos, Institut für biologische und medizinische Bildgebung am Helmholtz Zentrum München
Prof. Gooitzen Michell van Dam, University Medical Center Groningen
Operationen und endoskopische Eingriffe werden bis heute größtenteils vom menschlichen Auge geleitet. Die Sicht in den Körper ist dabei sehr begrenzt, denn selbst mit modernen Techniken kann der Chirurg nur in obere Gewebeschichten schauen. Sehr kleine, verborgene Tumore bleiben praktisch unsichtbar. Die neue Technik basiert auf einer Echtzeitkamera, die Fluoreszenz im Gewebe erfassen kann. Dadurch lassen sich winzige Tumore im Innern des Körpers aufspüren, ohne dabei umliegendes Gewebe zu verletzen. Nun können die Chirurgen schon während der Operation die Ergebnisse auswerten.
Entwicklung eines Arsendetektors
Professor Dr. Hauke Harms, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ
Dr. Mona C. Wells, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ
Professor Dr. Jan-Roelof van der Meer, Universität Lausanne (Schweiz)
Arsen ist hochgiftig und gerät in manchen Regionen der Erde durch die geologischen Verhältnisse oder Bergbauaktivitäten ins Trinkwasser. Bisher waren aufwändige chemische Analysen nötig, um die Arsenbelastung zu ermitteln, aber nun gibt es ein neues biologisches Testverfahren, das preiswert zuverlässige Aussagen trifft und auch von Laien fachgerecht angewendet werden kann. Das Verfahren basiert auf Erkenntnissen aus der Mikrobiologie und nutzt gentechnisch veränderte Bakterien als so genannte Bioreporter. In den letzten Jahren haben die Wissenschaftler das Verfahren in Messkampagnen in Vietnam und Bangladesch erprobt und gezeigt, dass der sogenannte ARSOlux-Test auch im Einsatz robuste Ergebnisse zeigt. Die Wissenschaftler haben das patentierte Verfahren nun bis zur Marktreife weiterentwickelt und planen ein Unternehmen zu gründen, das ab 2011 die Messgeräte und dazu passenden Testkits produzieren und vertreiben wird.
Werkstoff zur Herstellung von Wirbelsäulenimplantaten
Dr. Martin Bram, Forschungszentrum Jülich
Dr. Hans-Peter Buchkremer, Forschungszentrum Jülich
Prof. Dr. Detlev Stöver, Forschungszentrum Jülich
Dr. Thomas Imwinkelried, Synthes (Schweiz)
Die Jülicher Experten haben ein patentiertes Herstellungsverfahren entwickelt, um maßgeschneiderte Poren in High-Tech-Werkstoffen zu erzeugen. In enger Zusammenarbeit mit Dr. Thomas Imwinkelried vom Schweizer Unternehmen Synthes haben die Wissenschaftler das Verfahren für Titan optimiert, bis die Poren genau die richtige Größe hatten, um die Besiedelung mit Knochenzellen und das Einwachsen des Knochens zu ermöglichen. Auf diese Weise wird das Implantat binnen kurzer Zeit fest im Körper verankert und sorgt für Stabilität und Schmerzfreiheit. Trotz der hohen Porosität erfüllt das Implantat alle Anforderungen, die unter starken, dauerhaften und wiederholten Belastungen im menschlichen Bewegungsablauf auftreten. Die Firma Synthes, der Weltmarktführer in Osteosynthese sowie Kiefer- und Wirbelsäulenchirurgie, übernahm die für die Markteinführung notwendigen Tests ausgehend von Zellkulturversuchen bis hin zu den klinischen Vorstudien. Synthes vertreibt die Implantate mit dem Jülicher Know-how unter dem Markennamen "PlivioPore".
"Schaltplan" für Proteine des Menschen entwickelt
Prof. Dr. Erich E. Wanker, Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin (MDC)
Dr. Ulrich Stelzl, Max-Planck-Institut für molekulare Genetik
Dipl.-Ing. Christian Hänig, Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin (MDC)
M.Sc. Gautam Chaurasia, Humboldt-Universität zu Berlin
Dr. Matthias Futschik, Humboldt-Universität zu Berlin
Den Forschern war es gelungen eine Karte aufzubauen, auf der 3 200 Proteinwechselwirkungen zwischen 1 700 Proteinen dargestellt sind. Außerdem konnten sie 195 Proteine und ihre Kooperationspartner identifizieren, die mit verschiedenen Krankheiten in Verbindung gebracht werden und 342 bisher nicht charakterisierte Proteine bekannten Signalwegen zuordnen.
Die umfangreichen Untersuchungen zu menschlichen Proteinwechselwirkungen waren nur mit einer speziell entwickelten Technik möglich, dem so genannten automatisierten Hefe-2-Hybrid-System. Bei dieser Methode werden Hefezellen eingesetzt, um die Bindungspartner der Proteine zu identifizieren. "Was früher mühsam mit der Hand durchgeführt werden musste, wird jetzt durch ein Robotersystem blitzschnell abgearbeitet", erklärt Wanker. "Wir hätten es sonst niemals geschafft, über 25 Millionen einzelne Experimente durchzuführen, um zu
überprüfen, ob bestimmte Proteinpaare miteinander zusammenarbeiten."
Analyse der Strategien von Bakterien in komplexen, natürlichen Umgebungen
Dr. Burkhard A. Hense, Helmholtz Zentrum München
Dr. Christina Kuttler, Helmholtz Zentrum München
Prof. Dr. Johannes Müller, Helmholtz Zentrum München und TU München
Dr. Michael Rothballer, Helmholtz Zentrum München
Prof. Dr. Anton Hartmann, Helmholtz Zentrum München
Dr. Jan-Ulrich Kreft, Universität Bonn
Auch Bakterien "reden" miteinander: Sie senden chemische Botenstoffe aus, die von Artgenossen aufgenommen werden. Doch was haben sie sich zu sagen? Und wie leiten sie daraus ab, was sie tun müssen? Denn bakterielle Gemeinschaften sind zu erstaunlich komplexen, kollektiven Handlungen imstande. Sie können zum Beispiel einen Biofilm bilden oder Stoffe produzieren, um unter widrigen Bedingungen zu überleben. Entdeckt wurde die mikrobielle Kommunikation zunächst unter stark vereinfachten Bedingungen im Labor. So begannen Kulturen des Leuchtbakteriums Vibrio fischeri stets ab einer bestimmten Zelldichte zu leuchten. Dieser Schwellenwert - Quorum - wurde offensichtlich als Startschuss für die chemische Leucht-Reaktion verstanden (Quorum Sensing). Allerdings hatte diese Erklärung einen Schwachpunkt: Von der Leucht-Reaktion ihrer Artgenossen profitierten eben auch solche Bakterien, die ihren Stoffwechsel schonten. Solche "Schmarotzer" würden sich jedoch über kurz oder lang stärker vermehren und damit das kooperative Phänomen zum Erliegen bringen.
Die andere Erklärung kommt ohne Kooperation aus: Denn die Bakterien könnten auch einfach aus der Konzentration der Signalmoleküle ableiten, wie viel freier Raum in ihrer unmittelbaren Umgebung zur Verfügung steht (Diffusion Sensing). Allerdings vernachlässigt diese Theorie die Bedeutung der räumlichen Verteilung der Bakterien in ihrem Lebensraum.
Nun hat eine Gruppe aus Biomathematikern und Biologen vom Helmholtz-Zentrum GSF und der Universität Bonn gezeigt, dass Bakterien in natürlichen Umgebungen, die weitaus komplexer sind, eine Gesamtstrategie nutzen, die sich nur in einfachen Extremfällen auf Diffusion Sensing oder Quorum Sensing reduzieren lässt. Erst mit dieser Gesamtstrategie, dem "Efficiency Sensing" können Bakterien feststellen, ob sich in ihrer Umwelt der Energieaufwand lohnt, um Antibiotika zu produzieren oder einen Biofilm zu bilden. Die Wissenschaftler untersuchten dafür den Lebensraum an Wurzeloberflächen im Boden, die so genannte Rhizosphäre. Hier findet sich ein hochkomplexes und kleinräumig verzahntes Gemisch aus Feststoffen, Gelen, Flüssigkeiten und Gasen, in denen zahllose Organismen und Lebensgemeinschaften kreuz und quer miteinander "palavern".
Zehnmal heißer als das Innere der Sonne: Wissenschaftler entwickeln neuartige Heizung für den Fusionstestreaktor ITER
Dr. Hans-Dieter Falter, Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP)
Dr. Werner Kraus, Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP)
Dr. habil. Ursel Fantz, Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP)
Dr. Peter Franzen, Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP)
Dr. Eckehart Speth, Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP)
Bei der Kernfusion soll die Energie gewonnen werden, die bei der Verschmelzung von zwei Wasserstoffatomen zu Helium frei wird - ein Prozess, der auf der Sonne schon seit Ewigkeiten funktioniert. Dazu muss der Brennstoff - ein Wasserstoff-Plasma - zunächst auf über 100 Millionen Grad aufgeheizt werden. Um diese technische Herausforderung zu meistern, werden schnelle Wasserstoffatome in das Plasma geschossen, wo sie beim Zusammenstoßen ihre Energie abgeben. Die Atome werden zunächst als geladene Teilchen beschleunigt und vor dem Eintritt in das Plasma wieder neutralisiert.
Die internationale Testanlage ITER (lat. "der Weg"), die in Cadarache/Südfrankreich gebaut wird, ist der nächste große Schritt der weltweiten Fusionsforschung. Mit 500 Megawatt erzeugter Fusionsleistung soll ITER erstmals zeigen, dass ein Energie lieferndes Fusionsfeuer möglich ist. Damit verbunden sind neue Anforderungen an das Heizverfahren: Zum Beispiel müssen für die Großanlage die Teilchen noch drei- bis viermal schneller sein als bisher, damit sie tief genug in das Plasma hinein fliegen können. Deshalb kann man nicht mehr mit positiv geladenen Ionen arbeiten. Diese lassen sich umso schlechter neutralisieren, je schneller sie sind - bei den für ITER gewünschten Geschwindigkeiten von 9000 Kilometern pro Sekunde fast gar nicht mehr. Möglich ist dies nur mit negativen Ionen, die jedoch sehr schwierig zu handhaben sind. Gelungen ist das dem ausgezeichneten Wissenschaftlerteam aus den Disziplinen Plasmaphysik, Oberflächenphysik und Elektrotechnik mit der Entwicklung einer Hochfrequenz-Ionenquelle zur Plasmaheizung mit negativen Ionen.
Hirnschrittmacher bringt Nervenzellen zur Vernunft
Prof. Dr. Dr. Peter A. Tass, Forschungszentrum Jülich
Prof. Dr. Volker Sturm, Universität Köln
Trennung von Nanoröhren unterschiedlichen Typs
Marcel Mayor, Chemiker, FZK
Frank Hennrich, Chemiker, FZK
Ralph Krupke, Physiker, FZK
Heiko Weber, Physiker, FZK
Die Preisträger entwickelten ein seit langer Zeit gesuchtes Verfahren zur Trennung von winzigen Kohlenstoffröhrchen, die in der Nanotechnologie eine wichtige Rolle spielen. Und: Es gelang ihnen, den elektrischen Strom durch einzelne organische Moleküle zu vermessen. Durch systematische Zusammenarbeit hat das Karlsruher Team damit zwei grundsätzliche Probleme gelöst, die das gesamte Arbeitsgebiet der Nanotechnologie betreffen. Zusammen ebnen ihre Arbeiten den Weg zu einer künftigen Nanoelektronik, bei der winzige Schaltkreise in der Größe von Millionstel Millimetern gebaut werden könnten. Dieser Elektronik im kleinsten Maßstab wird etwa in der Computer-, Satelliten- oder Medizintechnik eine wichtige Rolle vorausgesagt. Sie würde es ermöglichen, winzige Chips zu bauen und damit die Rechenleistung auf kleinstem Raum entscheidend zu verbessern. Die Kohlenstoffröhrchen der Karlsruher könnten dabei als "Drähte" fungieren und die organischen Moleküle als Speichermedien dienen.
The dynamics of Ca2+ in living cells
Dr. Martin Falke, HMI
Prof. Dr. Patricia Camacho, University of Texas, San Antonio
Prof. Dr. James Lechleitner, University of Texas, San Antonio
Kalzium spielt eine Schlüsselrolle in der Zellkommunikation. Wellen von Kalzium übertragen je nach ihrer Frequenz unterschiedliche Signale in der Zelle. Ihr periodisches Auftreten kann zu komplexen Mustern wie Spiralen führen. Damit ist Kalzium einer der wichtigsten intrazellulären Botenstoffe. Kalziumsignale steuern auch Vorgänge am Anfang und am Ende des Lebens, von der Befruchtung von Eizellen und bis hin zum Zelltod; sie steuern die Wundheilung und synchronisieren Leberzellen. Durch die Arbeiten von Falcke, Camacho und Lechleiter lässt sich die Entstehung der Wellenmuster mathematisch fassen, was zu einem neuen Verständnis der Funktionsweise einzelner Zellbestandteile führt. Ein Zusammenhang zwischen Mustern von Kalziumkonzentrationen und intrazellulärer Signalübertragung war Biologen schon längere Zeit bekannt. Doch erst durch die Einbindung des theoretischen Physikers wurde es möglich, die Beziehung zwischen den Mustern und dem Verhalten von Zellbestandteilen aufzuklären.
Effizienzsteigerung bei der Herstellung von Öl-Wasser-Mischungen
Dr. Jürgen Allgaier, Forschungszentrum Jülich
Prof. Dr. Gerhard Gompper, Forschungszentrum Jülich
Prof. Dr. Dieter Richter, Forschungszentrum Jülich
Dr. Thomas Sottmann, Universität Köln
Prof. Dr. Reinhard Strey, Universität Köln
Mikrobielle Quecksilberentfernung
Dr. Irene Wagner-Döbler, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
Prof. Dr. Wolf-Dieter Deckwer, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
Prof. Dr. Kenneth Nigel Timmis, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
Wegweiser der Immunabwehr
Prof. Dr. Reinhold Förster, Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin (MDC)
Dr. Elisabeth Kremmer, Helmholtz Zentrum München
PD Dr. Dr. Martin Lipp, Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin (MDC)
Prof. Dr. Eckhard Wilhelm Wolf, Universität München
Vorbereitung, Entwicklung und klinische Einführung der Krebstherapie mit Ionenstrahlen
Prof. Dr. Gerhard Kraft, GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung
Dr. Wolfgang Enghardt, Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR)
PD Dr. Dr. Jürgen Debus, Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ)