Ausgabe 2018
Die fortschreitende Digitalisierung hat viele unserer Lebensbereiche in den vergangenen Jahren verwandelt: WhatsApp, Facebook, MyTaxi, AirBnB, Amazon und Wikipedia haben starken Einfluss auf unser Kommunikations- und Konsumverhalten. In der Bildung und insbesondere im Weiterbildungsbereich ist zwar noch kein Akteur in Sicht, der den Markt in vergleichbarer Weise verändern wird. Doch eine Reihe von Akteuren hat sich bereits auf den Weg gemacht, Teile des Marktes neu zu definieren. Der Weiterbildungsmarkt ist, dies zeigt die vorliegende Studie, noch relativ traditionell orientiert. Er ist einer der wenigen Bereiche, in denen die Digitalisierung zwar im Aufwind, aber dennoch in einem relativ frühen Stadium ist. Dies bedeutet für die Anbieter von Weiterbildung – Unternehmen wie Hochschulen –, dass sie nun die Gelegenheit haben, den Wandel aktiv zu gestalten und mit neuen Formaten am Markt zu reüssieren. Diese Studie zeigt: Dieses Zeitfenster sollten Unternehmen und Hochschulen nutzen.
Die HHL Leipzig Graduate School of Management, der Stifterverband sowie der E-Learning-Anbieter Lecturio haben den Trendmonitor Weiterbildung ins Leben gerufen, um den Status quo und neue Trends in der Weiterbildung in Deutschland zu beleuchten. Hierbei betrachtet die Befragung sowohl die Nachfragerseite – also Unternehmen – als auch Hochschulen als Anbieter wissenschaftlich fundierter Weiterbildung. Insgesamt haben sich 245 Unternehmen und 184 Hochschulen beteiligt. Wir möchten mit diesem Report ein Instrument schaffen, das den Status quo kontinuierlich dokumentiert und nachverfolgt, welche Trends und Ansätze sich in Deutschland durchsetzen. Der Trendmonitor soll über die nächsten Jahre zum Verständnis und zur Sichtbarmachung der Veränderungen im Weiterbildungsmarkt beitragen.
Mit Blick auf die Unternehmensperspektive gibt der Trendmonitor Weiterbildung Antworten auf die folgenden Fragen:
Spiegelbildlich hierzu werden die Perspektiven der Hochschulen als wichtige Anbieter von betrieblichen Weiterbildungsveranstaltungen dargestellt. Hochschulvertreter wurden zu folgenden Inhalten befragt:
Die Untersuchung bietet erstmals die Möglichkeit, den Status quo und die Entwicklungsperspektiven der Weiterbildung aus Unternehmens- beziehungsweise Nachfragersicht und aus Hochschul- beziehungsweise Anbietersicht miteinander zu verbinden.
Aus der Hochschulbefragung lassen sich folgende Schlüsselergebnisse in Thesenform zusammenfassen:
1. Präsenzformate dominieren die wissenschaftliche Weiterbildung – Blended Learning nimmt allerdings zu
Bisher dominieren Präsenzformate bei der wissenschaftlichen Weiterbildung, allerdings nimmt die Nutzung von sogenannten Blended-Learning-Formaten zu. Reine Onlineformate werden von Hochschulen dagegen in geringem Umfang eingesetzt.
2. Mobilem Lernen und adaptivem Onlinelernen werden große Zukunftspotenziale zugesprochen
Während bisher nur jede zweite Hochschule systematisch Onlineplattformen für den Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmern anbietet, werden hohe Steigerungsraten bei dem Ausbau von kooperativen Online-Plattformen, mobilen und adaptiven Lerntools erwartet.
3. Kooperationen zwischen Unternehmen und Hochschulen sind im Weiterbildungsbereich ausbaufähig
Bei der noch zögerlichen Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen gibt es eine Reihe von Verbesserungspotenzialen. Eine stärkere Kongruenz zwischen den Erwartungen von Unternehmen an den Weiterbildungs-Content von Hochschulen und den angebotenen Inhalten kann die Zufriedenheit wie auch die Teilnahmebereitschaft von Mitarbeitern an den betrieblichen wissenschaftlichen Weiterbildungsprogrammen positiv beeinflussen.
4. Weiterbildungskooperationen kommen nicht zustande oder scheitern aufgrund von Ressourcenmangel und fehlendem Unternehmensinteresse
Ressourcenbarrieren und mangelndes Interesse von Unternehmensseite halten Hochschulen aktuell davon ab, den Kontakt mit Unternehmen aktiv aufzunehmen und auszubauen. Oftmals ist eine Anschubfinanzierung notwendig, um Kooperationen mit Unternehmen als Einnahmequelle erschlie-ßen zu können.
5. Weiterbildung im Bereich Digitalisierung wird von den Hochschulen als Wachstumsmarkt eingeschätzt
Die höchsten Wachstumsraten im Weiterbildungsangebot erwarten die Hochschulen bei Problemstellungen, die sich rund um den Bereich der Digitalisierung ergeben. Im Zusammenhang mit der Digitalisierung wird auch der Vermittlung von Managementfähigkeiten und sogenannten Soft Skills eine große Nachfrage bescheinigt.
Aus der Unternehmensbefragung lassen sich folgende Schlüsselergebnisse in Thesenform zusammenfassen:
1. Betriebliche Ziele der Weiterbildung: Mitarbeiterbezogene Ziele kommen bisher kaum zum Tragen
Weiterbildungsziele von Unternehmen sind primär auf die Beschleunigung von Einarbeitungs- und Veränderungsprozessen sowie die Erhöhung der Arbeitsproduktivität ausgerichtet. Hier dominiert somit der Unternehmensbezug. Angesichts der hohen Bedeutung des lebenslangen Lernens für Mitarbeiter sollten mitarbeiterbezogene Ziele über regelmäßige Feedbackgespräche identifiziert und stärker berücksichtigt werden.
2. Betriebliche Weiterbildung zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität wird zunehmend erkannt
Immer öfter werden Weiterbildungsprogramme auch als Profilierungsfaktor für die Gewinnung neuer Mitarbeiter eingesetzt. Allerdings gibt es hier einen Nachholbedarf, sie auch adäquat in der nach innen und nach außen gerichteten Kommunikation einzusetzen.
3. Strategisches Denken ist in der betrieblichen Weiterbildung noch nicht sehr ausgeprägt
Die betriebliche Weiterbildung weist Defizite bei der Übersetzung von Weiterbildungszielen in mittelfristig ausgerichtete Weiterbildungsstrategien auf. Ad-hoc-Maßnahmen anstelle einer klar formulierten Weiterbildungsstrategie lassen sich nicht mit dem Anspruch einer kontinuierlichen Weiterbildungsphilosophie verbinden.
4. Alltagsaufgaben bilden Barrieren für eine strategische Ausrichtung der Weiterbildung
Alltagsaufgaben halten Unternehmen noch in starkem Maße davon ab, ihre Weiterbildungsstrategie zu konkretisieren. Hier gilt es, zeitliche wie finanzielle Freiräume für die Konkretisierung und Umsetzung von Weiterbildungsstrategien zu schaffen, um die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu sichern.
5. Personalabteilungen und/oder Geschäftsführung verantworten Weiterbildungsprogramme – Mitarbeiterverantwortung ist auch gefragt
Die Weiterbildung wird überwiegend von der Personalabteilung und/oder der Geschäftsführung verantwortet. In diesem Zusammenhang ist auch die Mitarbeiterpartizipation zunehmend gefragt, sodass eine Verknüpfung von Top-down- und Bottom-up-Ansätzen notwendig ist. Auch die Schaffung von individuellen und informellen Lernräumen ist notwendig, die auf Selbsterkenntnis und Selbstbestimmung der Mitarbeiter bei der Nutzung von Weiterbildungsprogrammen setzen.
6. Digitale Weiterbildungsangebote befinden sich noch in den Kinderschuhen
Klassische intern oder extern organisierte Präsenzseminare dominieren derzeit das Weiterbildungsangebot. Der durchschnittliche Nutzungsgrad von E-Learning-Angeboten in der betrieblichen Weiterbildung ist insbesondere bei KMU noch sehr gering. Hier zeichnet sich in den nächsten Jahren ein erheblicher Nachholbedarf ab. LMS sind erst bei einem Drittel der Unternehmen im Einsatz und die Zufriedenheit mit entsprechenden Systemen hält sich in Grenzen. Es besteht ein erhebliches Potenzial zur Erhöhung der Nutzerzufriedenheit.
7. Digitalisierung stellt neue Anforderungen an Fachwissen und Soft Skills
Die Digitalisierung durchdringt alle Branchen. Unternehmen sehen einen steigenden Weiterbildungsbedarf sowohl beim Fachwissen (Informatik, IT, Medien) als auch bei den intra- sowie interpersonalen Soft Skills. Kreativität, Veränderungsbereitschaft, Selbstmanagement und Teamarbeit im hierarchiefreien Raum werden zunehmend gefordert und beeinflussen die persönliche Karriereentwicklung und den Unternehmenserfolg.
8. Unternehmen sind für Weiterbildungsangebote von Hochschulen grundsätzlich offen
Unternehmen bieten vielfach eigene Schulungen an, nutzen aber auch die Dienste von privaten Anbietern und Hochschulen. Bei vergleichbaren Angeboten bevorzugen mehr Unternehmen Hochschulen gegenüber privaten Anbietern.
9. Erfolgskontrolle von Weiterbildungsmaßnahmen gehört nicht zum Standard
Jedes zweite Unternehmen verzichtet auf Erfolgskontrollen in der Weiterbildung und kann damit über die direkten Wirkungen der Weiterbildungs-aktivitäten keine Auskunft geben. Auch hier gibt es einen Nachholbedarf, um die betriebliche und individuelle Weiterbildung effizienter ausrichten zu können.
10. Digitalisierung bestimmt die Zukunft der betrieblichen Weiterbildung
Die Digitalisierung dominiert als Zukunftstrend die betriebliche Weiterbildung in den nächsten Jahren, angefangen von E-Learning-Systemen über Online-offline-Verknüpfungen bis hin zu Formen des digitalen Learning on the Job oder Just-in-time-Lernens.
Manfred Kirchgeorg, Silko Pfeil, Tobias Georgi, Sebastian Horndasch, Stefan Wisbauer:
Trendmonitor Weiterbildung
Ausgabe 2018
Essen: Edition Stifterverband 2018
ISBN: 978-3-922275-75-3