Nils Bickhoff: Digitales Lernen – doch noch Zukunftsmusik

Nils Bickhoff: Digitales Lernen – doch noch Zukunftsmusik

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Nils Bickhoff: Digitales Lernen – doch noch Zukunftsmusik
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Wann lernen Kinder in der Grundschule mit Tablets? Bis digitales Lernen flächendeckend in Deutschland Wirklichkeit wird, ist es noch ein weiter Weg. Auch Studenten schreiben immer noch bei Vorlesungen eifrig auf Papier mit, hat Nils Bickhoff, Vizepräsident für Hochschulentwicklung an der Europäischen Fernhochschule Hamburg, beobachtet.

Produktion: Corina Niebuhr, Webclip Medien Berlin
für den Bildungskanal des Stifterverbandes

Transkript des Videos

Die große und wirklich spannende Frage im Rahmen dieser Digitalisierungsformen ist: Wann werden unsere Kinder an das digitale Ldernen herangeführt, und zwar mit anderen Methoden als mit Papier und Bleistift?

Ich persönlich sehe es immer wieder, wenn ich in Seminaren und Vorlesungen bin, dass natürlich mitgeschrieben wird und aufgeschrieben wird und dass genau so gearbeitet wird. Es gibt dann Studienhefte, die liegen auf dem Tisch, und da gibt es Eselsohren drin, und da wird unterstrichen und ich weiß nicht was. Alles das, was wir irgendwann vor 20, 30 Jahren auch mal gemacht haben, sehen Sie heute auch noch. Also, digitales Lernen ist extrem anspruchsvoll aus meiner Sicht heraus, die Digitalisierung, und es ist nicht nur die infrastrukturelle Aufbereitung über einen Campus und über Prozesse, die in Hochschulen aufgesetzt werden, das sind nur die elementaren Grundzüge, das sind die Pflichtübungen heute. Die Kür ist dann, Angebote zu definieren und dann aber auch Angebote zu finden, die zu einem echten Leernprozess führen und Akzeptanz finden. Und das ist in den nächsten 20 Jahren wahrscheinlich zu lösen, aber nicht viel früher.

Die skandinavischen Länder sind in vielen Dingen immer Vorreiter gewesen Gerade die schulische Ausbildung in den skandinavischen Ländern wird ja regelmäßig gelobt über ihren integrativen Aspekt aber auch über ihren innovativen Aspekt. Und wir sprechen dann insbesondere über den Markt hier in Deutschland in der Frage der Digitalisierung und ich glaube halt, dass das der entscheidende Aufschlagpunkt sein wird. Also, wann fangen wir an, eine Inklusion von Digitalisierung wirklich an den Grundschulen und später auch an den Gymnasien in die Lernwelt miteinzupflegen? Und ich sehe noch keine iPads oder Tablets jeglicher Couleur an Schulen, die dort entsprechende Aufgaben verrichten. Ja, es gibt Web-based-Learning-Programme, die teilweise eingesetzt werden, aber auch nur von Lehrern, die sich dafür interessieren. Da sind wir also beim Thema Lehrerqualifikation. Und das wird sich über eine Generation meines Erachtens nach erst einpflegen können ins System.

Die Hochschulen haben als allergrößte Aufgabe im Rahmen der Digitalisierung meines Erachtens nach nicht nur die Finanzierung, das ist natürlich immer eine große Aufgabe, aber die allergrößte Aufgabe ist es, die heute Lehrenden dahin zu qualifizieren, dass sie sich für solche Formate überhaupt interessieren. Und das ist etwas, was unabhängig von der Hochschulform ist und unabhängig von dem Bundesland, in dem sie ansässig sind. Wenn Sie mehrere hundert Professoren an einer Universität haben, dann werden sie heute nur einen Bruchteil finden, der sich überhaupt dafür interessiert, digitale Formate , Online-Tutorien oder ähnliches durchzu führen.

Die größte Chance liegt für mich darin, im internationalen Vergleich auch betrachtet, dasss wir in den USA derzeit immer noch diese Tendenzn haben der MOOCs, der Massen Online Open University und der Frage: Wie kann ich möglichst viele Teilnehmer bei einem Thema abholen? Das hat aber wenig mit Personalisierung, mit echtem Lernen zu tun. Hier geht es wieder nur um die Konsumption von Wissen, und falls es uns gelingen sollte, it innovativeren Formaten zu punkten, jetzt sage ich mal uns im Sinne von Europa, nicht nur von Deutschland, dann bietet sich hier auch die Möglichkeit für einen europäischen Hochschulstandort im weitesten Sinne oder für die Eurozone, da auch gegenüber anderen Nationen, was wie gesagt echte Wissensvermittlung angeht und nicht nur Konsumption, zu punkten. In den letzten zwölf Monaten habe ich immer wieder Gesprächspartner gefunden im hochschulischen Bereich, die die Entwicklung von MOOCs nicht mehr so forcieren, wie man das vor 18 oder 24 Monaten hätte machen sollen. Das heißt, es gibt schon eine kritische Relativierung des Themas und der Frage des Nutzens eines solchen Ansatzes, der ja privatwirtschaftlich sehr stark propagiert wird in Deutschland von diversen Anbietern. Die Hochschulen werden aber zunehmend kritisch. Das heißt, wenn es vor zwei, drei Jahren noch diese Welle gab ("Da müssen wir unbedingt mitlaufen und mitfahren"), treffe ich heute vermehrt Hochschulvertreter, die sagen: Das macht nicht so viel Sinn. Das ist schon mal gut, weil es zeigt, dass wir  nicht alles mitmache, was über den Atlantischen Ozean kommt, zwingend mitmachen und auch nicht zwingend mitmachen müssen und dass man neu denkt. Für mich ist entscheidend, ob wir das ganze auxch wirklich zu einem bundesweiten Thema machen und es dann auch wirklich einmal eine nicht nur durch Verbände und Einzelhochschulen getrieben Erstinitalisierung dieses Themas gibt, sondern ob sich der Bund und die Länder gemeinsam der Frage stellen: Wie sieht digitales Lernen wirklich aus? Wie sieht die Prozesskette dahin aus? Wo müssen wir anfangen? Welche Kompetenzen müssen wir vermitteln und wie können wir somit dann auch bei dem, was einer unserer Standortvorteile ist, nämlich exzellente Ausbildung und Bildung in Deutschland, wie können wir das dann auch quasi weltweit propagieren und daraus dann Teilnehmern aus anderen Ländern gewinnen?