Aljoscha Burchardt: Künstliche Intelligenz – Wird ein Traum wahr?

"Wir werden Technologie vielleicht mal für Dinge und Entscheidungen einsetzen, wo wir hinterher sagen: Nein, das wollen wir nicht."

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Aljoscha Burchardt: Künstliche Intelligenz – Wird ein Traum wahr? (Video)
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Die zweite Phase der digitalen Transformation der Gesellschaft hat begonnen: KI wird die Medizin, das Autofahren oder auch das Übersetzen revolutionieren. Eine schöne neue Welt? Aljoscha Burchardt vom Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz zeigt die Perspektiven auf. Und auch die Grenzen – wenn Computer ohne Aufsicht einfach mal das Falsche lernen.
 

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Autor: Timur Diehn
Produktion: Webclip Medien Berlin
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Transkript des Videos

Die Analyse von MRT-Scans nach Tumoren oder so, die klappt viel, viel besser als beim menschlichen Experten, wo der Radiologe fünf Minuten Zeit hat und die Maschine, die kann halt durch Zehntausende von Bildern und Schichten und Kontrastwerten suchen. Da ist die Maschine uns meilenweit überlegen.

Jetzt sind wir sozusagen in der zweiten Phase der digitalen Transformation. Jetzt wollen wir die Daten eben nutzen, verknüpfen, zwischen den Sprachen übersetzen, zusammenfassen und einfach den Menschen, den Wissensarbeitern zum Teil oder auch eben Leuten, die jetzt am Fließband arbeiten oder anderswo, helfen und wirklich die Technologie an die Seite stellen, die also wirklich intelligent und smart die Leute unterstützt eben auch in der digitalen Gesellschaft.

Eine Anwendung, die wir eigentlich hier in Deutschland, finde ich, noch nicht auf dem Schirm haben, das ist eben auch die Möglichkeit der sozialen Inklusion. Wir haben letztens den Digital-Index gesehen. 19 Prozent der deutschen Bevölkerung sind noch überhaupt nicht online. Die können nicht mal irgendwo eine Öffnungszeit nachschlagen, die können nicht Online-Banking machen, sich nicht informieren, nicht am Online-Diskurs, am gesellschaftlichen Diskurs, der ja stärker auch sich jetzt in die Foren und in die Online-Medien verlagert, teilnehmen. Das wird natürlich altersbedingt mit der Zeit weniger werden, aber diese Leute möchten wir auch integrieren. Und die kann man natürlich dann vielleicht mit Schnittstellen wie Chat, Bots und Ähnlichem heute integrieren, und auch Menschen, die vielleicht aus Behinderungsgründen diese kleinen Apps nicht bedienen können oder die PCs nicht bedienen können, die können wir vielleicht auch integrieren. Und das andere große Thema ist natürlich das Sprachenthema. Wir in Europa sprechen insgesamt ungefähr 60 Sprachen. Und die Sprachbarrieren sind eigentlich die solidesten Mauern, die wir in Europa noch haben. Wir haben Handelsbarrieren eingerissen, sozusagen. Man hat juristisch inzwischen die Möglichkeit, auch im Ausland einzukaufen, ohne großes Risiko zu fahren, dass man Probleme hat, wenn etwas nicht so funktioniert, wie man das gerne hätte. Aber die Sprache, die Kommunikation, findet immer noch in Sprachsilos statt. Und da kann natürlich Technologie wie das maschinelle Übersetzen, was in Zukunft dann auch online möglich wird, sozusagen der Babelfisch, die alte Phantasie von Douglas Adams, die wird uns helfen, auch zu kommunizieren, und wenn ich daran denke, dass wir in Europa vielleicht mal eine gemeinsame Außenpolitik haben werden und ganz schnell entscheiden müssen: Wollen wir bei diesem Konflikt eingreifen? Dann muss ich jetzt wissen: Was wird in Malta diskutiert? Was wird in Den Haag diskutiert? Da kann ich nicht zwei Tage warten, bis eine menschliche Übersetzung angefertigt wurde. Das muss ich jetzt wissen. Und dafür, denke ich mal, wird die Technologie dann auch zum Einsatz kommen.

Die ersten Übersetzungssysteme, die waren regelbasiert. Die bestanden also wirklich aus Vokabellisten, aus Grammatikregeln, und die haben wirklich eine Analyse des Eingabesatzes gemacht. Subjekt, Prädikat, Objekt. Haben das dann in eine andere Sprache übertragen und dann auf der anderen Seite sozusagen einen Satz entsprechend der Zielgrammatik gebaut. Und das hat aber nie skaliert. Das war immer wahnsinnig aufwendig. Da mussten Experten diese Regeln schreiben. Und das hat einfach im Massenbetrieb nie funktioniert. Und jetzt sind wir in der Lage, das rein datenbasiert zu machen. Die heutigen Systeme, die werden mit Sätzen Deutsch-Englisch zum Beispiel, Eingabe-Ausgabesätze, die von Menschen schon mal übersetzt wurden, gefüttert. 20.000 Sätze, 50.000 Sätze. Und diese Maschinen ziehen jetzt rein auf mathematisch-statistischer Basis die Information aus diesen Sätzen, die sie brauchen, um neue Sätze zu übersetzen. Die Systeme haben keine einzige Ahnung von linguistischen Regeln. Die wissen nicht, was ein Nomen, was ein Verb, was ein Adjektiv, was Plural ist, gar nichts. Und sie wissen auch nichts über die Inhalte. Sie haben keine Ahnung in dem Sinne, was auch immer Ahnung bedeutet bei Maschinen, von was sie da reden. Aber durch, sagen wir mal, statistische Manipulation von Buchstaben und Wörtern kann man jetzt eben mit geringem Aufwand eine Übersetzungsmaschine zwischen allen möglichen Sprachen bauen. Und das ist natürlich sozusagen ein kleiner Traum der Menschheit, der jetzt wahr geworden ist.

Man hat Systeme trainiert, Tiere zu erkennen auf Fotos. Das hat wunderbar funktioniert. Das hier sind Pferde, das hier sind Hunde, das hier sind Katzen. Und dann hat man sich mal angeschaut: An welchem Teil der Tiere hat die Maschine das eigentlich festgemacht, welches Tier das ist? Dann hat man gesehen: Bei dem Pferd haben die immer unten links in der Ecke geschaut, gar nicht auf das Pferd, sondern eine andere Stelle in dem Foto. Und dann hat man gesehen: Bei allen Pferdebildern war unten in der Ecke eingeblendet "www.ponyhof.de" oder irgendsoetwas Ähnliches. Dann hat die Maschine gelernt: Auf jedem Bild, wo unten in der Ecke "ponyhof.de" steht, das ist ein Pferd. Es hat sozusagen aus den Daten etwas gelernt und konnte die Aufgabe hinterher im Grunde meistern, aber hat, wenn wir so wollen, eigentlich das Falsche gelernt.

Das, was ich aus der politischen Ecke jetzt oft höre, ist natürlich das Stichwort Regulierung, Datenschutz etc. Die Frage: Wie können wir sicherstellen, dass die Roboter nicht zu stark werden oder dass Entscheidungen nicht nachher von Maschinen entschieden werden und wir nicht wissen, wer verantwortlich ist und wie die juristischen Fragen dann ausgefochten werden? Das sind die Dinge, über die ich im Moment eigentlich am meisten höre. Das ist auch so der typisch deutsche Spirit, an solche Sachen heranzugehen. Aber ich denke, das Mitmachen und Gestalten, also wirklich auch wieder ein bisschen Mut für die Zukunft zu bekommen, das fände ich eigentlich wichtig, und sich mal Visionen anzuschauen. Wie möchten wir eigentlich leben? Was stellen wir uns unter einem Smart Home vor? Was stellen wir uns unter einer Smart City vor? Alle diese Dinge, nicht nur im akademischen Umfeld, sondern breit gesellschaftlich zu diskutieren: Wie wollen wir unser Gesundheitssystem, wie wollen wir unser Pflegesystem, wie sehen wir das in fünf, zehn, 15 Jahren? Welche Technologie wollen wir dann haben in der Pflege? Das ist keine technologische Frage, ob der Pflegeroboter nun eine alte Person hochhebt, während der menschliche Pfleger oder die Pflegerin die Tablette gibt oder ob der Roboter auch das Waschen übernehmen soll, ob der Roboter auch das Betten, ob der Roboter auch die Tablette geben soll. Das müssen wir uns einfach gesellschaftlich überlegen, wie weit wir da gehen wollen. Und ich denke, wir müssen uns auch Sandkästen aufmachen, wo wir mit Technologie experimentieren, wo zum Beispiel ein Arzt seine Diagnose stellt, ein KI-System die Diagnose stellt und man dann guckt und immer wieder probiert und draufschaut: Wie kann die Zusammenarbeit passieren? Gibt es Gegenden, wo wir vielleicht sagen: Da sollte nur noch die Maschine entscheiden, die entscheidet eigentlich viel besser. Oder wollen wir vielleicht nur noch autonome Autos haben, die eben nie betrunken, nie übermüdet, nie testosterongeschwängert durch die Gegend rasen und Menschen umbringen? Die werden sicherlich auch mal Unfälle machen, aber höchstwahrscheinlich sehr, sehr viel weniger. Aber das wir uns einfach gesellschaftlich einfach auch diese Sandkästen gönnen, um auch unsere Fehler zu machen. Wir werden auch Technologie vielleicht mal für Dinge einsetzen und Entscheidungen einsetzen, wo wir hinterher sagen: Nein, das wollen wir nicht. Das hat uns nicht gefallen. Da können wir nicht hinter stehen. Das lassen wir dann wieder.

Also, wir haben am DFKI einen Leitungsbeschluss, dass wir keine Waffentechnologie bauen und auch nicht an Waffentechnologie forschen wollen, wohl aber an Technologie, die Menschen hilft, zum Beispiel nach Kriegen oder nach Erdbeben aufzuräumen, also zum Beispiel in verschüttete Gebäude, Roboter, die in verschüttete Gebäude gehen und nach Überlebenden suchen. Das ja, aber eben nicht aktiv an Kriegstechnologie. Aber es wird natürlich diskutiert, diese Technologie. Und wir haben übrigens heute auch schon Waffen, die ein Stückweit intelligent sind, wenn wir zum Beispiel an Abwehrraketen denken, die also aufgrund von Flugmustern und von Hitzeentwicklungen usw. ihre Ziele intelligent aussuchen, und diese sind nicht mehr zu stoppen. Wenn die einmal losgeschossen wurden, dann suchen die sich ihr Ziel selber aus und sprengen das in die Luft, und dasselbe gilt auch für Landminen, die es heute gibt, die gucken dann auch nach Bewegungsmustern, nach Gewicht und anderen Informationen. Also, sagen wir mal, intelligente Waffen haben wir eigentlich schon, und in diesem Kontext ist es besonders interessant, dass die Bundesregierung jetzt eigentlich intelligente Waffen im Koalitionsvertrag geächtet hat. Da müsste man sich eigentlich mal überlegen, was mit denen ist, die es bereits gibt und die wir ja auch herstellen und vertreiben. Und die andere Frage ist natürlich: Wie reagieren wir darauf, dass andere Großmächte vielleicht diese Waffen entwickeln? Das heißt, wir müssen natürlich irgendwo die Entwicklung mitverfolgen, um zu gucken, was wir als Gegenmaßnahme begreifen können.