Forschergestalten: Hanns Hatt

"Ich hatte ja das Glück, in meinem Forscherleben eine ganze Reihe von wirklich bahnbrechenden Entdeckungen zu machen. Und so etwas macht richtig süchtig."

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Forschergestalten: Hanns Hatt (Video)
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Riechen kann man nicht nur mit der Nase. Rezeptoren für Gerüche sind im menschlichen Körper auch im Herzen – und sogar im Darm. Hanns Hatt, Professor für Zellphysiologie an der Ruhr-Universität Bochum, will herausfinden, wie diese Sensoren funktionieren. Wie beeinflussen Düfte unser Leben – und wie kann man es sich mit ihnen angenehmer machen?

Der Stifterverband und die Deutsche Forschungsgemeinschaft haben Hanns Hatt im Jahr 2010 mit dem Communicator-Preis ausgezeichnet.
 

Der YouTube-Kanal des Stifterverbandes:
Die Zukunftsmacher und ihre Visionen für Bildung und Ausbildung, Forschung und Technik

Ein Film von Damian W. Gorczany und Stoyan Radoslavov
für den YouTube-Kanal des Stifterverbandes
Motion Grafik: Johannes LDC Guerreiro
Musik: Lubomir Brashnenkov

 

Transkript des Videos

Ich habe mir angewöhnt, mit offener Nase durch die Welt zu gehen und nicht nur mit offenen Augen. Wo ich gehe und stehe, da rieche ich mich mal um. Wie ein Hund, der einfach überall hingeht und schnüffelt.

Es gibt keinen duftfreien Raum auf dieser Erde. Und die Nase hat einen direkten Zugang in das Emotions- und in das Gedächtniszentrum. Das heißt: Düfte prägen uns wie sonst nichts. Und deswegen versuche ich auch hier im Botanischen Garten meine Aufmerksamkeit darauf zu lenken und damit natürlich auch zu merken: Welche Düfte sind da und wie beeinflussen sie mich?

Mein Name ist Hanns Hatt. Ich bin Duftforscher an der Ruhr-Universität in Bochum. Und wir arbeiten seit 25 Jahren nun an der Wirkung von Düften auf den Menschen. Wir wollen herausfinden: Welche Bedeutung haben Düfte für uns? Und dazu untersuchen wir die Riechrezeptoren auf breiter Ebene.

Wir Menschen sind ja permanent von einer Duftwelt umgeben. Das heißt, überall, wo wir gehen, sind Duftmoleküle, die in der Luft herumschwirren und die wir eben mit der Atmung mitaufnehmen in unsere Nase. Dort finden sich 350 verschiedene Sensoren, und die reagieren auf jeweils spezifisch einzelne Duftmoleküle. Und so kann die Nase die Informationen über die duftende Welt ins Gehirn leiten und sagen: In der Atemluft war ein Vanillemolekül, ein Moschusmolekül usw. 

Was wir inzwischen wissen, ist, dass diese Rezeptoren sich über die ganzen Körper ausgebreitet haben. In der Haut oder im Darm oder in der Lunge, überall gibt es auch diese Duftrezeptoren. Die haben nur nichts mit Riechen zu tun. Dort analysieren sie chemische Stoffe, was ich auf die Haut auftrage oder was ich esse oder was ich einatme.

Wir wollen nun also verstehe: Wie funktionieren diese Rezeptoren außerhalb der Nase? Und vor allem. Wie wirken sie? Was haben sie für eine Bedeutung für die einzelnen Gewebe, wenn ich diese Rezeptoren dort durch einen Duft stimuliere?

Wir arbeiten mit original menschlichen Zellen, die wir aus menschlichem Gewebe isolieren und dann in Kultur nehmen und züchten. Wir untersuchen zurzeit gerade Schilddrüsenzellen oder Gehirntumorzellen, aber auch Magenzellen. An diesen Kulturzellen können wir nun nachschauen, welche Riechrezeptoren besitzen diese Zellen, nehmen nun den Duft für diese Rezeptoren und geben ihn auf die Zellen drauf und schauen, ob diese Zellen auch tatsächlich darauf reagieren, ob wir diesen Rezeptor aktivieren können.

Die Schwierigkeit bei der Forschung von uns ist, dass wir zwar die Rezeptoren kennen, die in den Zellen sind, aber nicht den Duftstoff, um diese Rezeptoren zu aktivieren, um dieses Rezeptorschloss sozusagen aufzusperren. Deswegen haben wir in unserer Sammlung Tausende von verschiedenen Duftmolekülen, und die geben wir auf diese Zellen drauf und schauen nun, ob irgendeiner dieser Schlüssel passt, ob ich dieses Schloss damit aufsperren kann an dieser Zelle. Das können wir dadurch zeigen, dass wir einen Farbstoff in die Zellen einschleusen, und immer wenn die Zelle erregt ist, dann verändert der seine Farbe. Dann können wir also unterm Mikroskop studieren, welche Funktion der Duft am Ende für diese Zellen hat.

Hier sieht man nämlich eindeutig eine Reaktion auf den Duftstoff.
Ist auf alle Fälle ein Calcium-Anstieg, der eben auch die ganze Zeit anhält, gell?
Genau, der hat über die kompletten drei Minuten, die ich das appliziert habe, hat's angehalten. Dann, sobald kein Duftstoff mehr da ist, gingen die Zellen auch wieder auf ihren Grundlevel zurück.
Super.

Wir stehen ja erst am Anfang in dieser Riechforschung. Wir müssten noch über die nächsten Jahrzehnte daran arbeiten, denn ich kenne solche Rezeptoren im Herzen zum Beispiel oder in der Leber des Menschen, die eine enorme Bedeutung haben. Ich kann sie aber nicht testen, weil ich den richtigen Duft nicht kenne, und deswegen wird auch die Zukunft natürlich noch eine Herausforderung sein, alle Rezeptoren zu entschlüsseln und dann natürlich die Funktion dazu.

Ich hatte ja das Glück, in meinem Forscherleben eine ganze Reihe von wirklich bahnbrechenden Entdeckungen zu machen. Und so etwas macht richtig süchtig, weil das sind solche fundamentalen neuen Erkenntnisse. Wenn man die einmal erlebt hat, dann möchte man sie immer wieder erleben. Aber ich habe auch das Gefühl gehabt, dass diese vielen Entdeckungen, die wir gemacht haben, dass die nun jetzt auch hinaus zu den Menschen getragen werden sollen. Genau wie man heute einen Beta-Blocker kauft, um den Blutdruck zu senken, wird man in 20 Jahren einen Duftrezeptor-Blocker kaufen. Also, es wird dieses ganze Potenzial, das die Riechrezeptoren haben in unserem Körper, pharmakologisch nutzbar sein, und wir können uns damit natürlich sowohl die Gesundheit verbessern, aber auch unser Leben deutlich angenehmer machen.

Ich hab' jetzt die Düfte ja mit, die wir entwickelt haben, die verschiedene Stimmungen beeinflussen sollen. Das ist der anregende Duft. Der gute Start in den Tag. Der erdende und der Schlaf und Bindung fördernde. Was meinst denn du, wann man das dann einsetzt?

Wir haben zum Beispiel ja ein kleines Projekt mit einer Firma in Hamburg, die neu gegründet ist und die versucht, das Sehen, das Hören, aber auch das Riechen in einem einzigen virtuellen System miteinzubauen. Da liefern wir quasi die Düfte zu, um die Menschen dann mit Hilfe dieser Düfte noch mehr als mit Bildern und Tönen zu entspannen, um sie von ihrem Stress zu befreien, ihnen etwas Erleichterung zu verschaffen.

Ach, toll, der Bergsee, ich möchte direkt reinfassen hier.

Mein Traum ist es ja immer, dass diese Daten, die wir produziert haben, tatsächlich auch übertragbar sind.

Wir arbeiten ja an diesen menschlichen Zellen. Das ist das, was mich vorantreibt, diese Grundlagenforschung in die Anwendung und für den Menschen weiterzuentwickeln.