Man muss nicht studieren, um glücklich zu werden. Es kommt darauf an, den eigenen Weg zu finden. Unser derzeitiges Bildungswesen sei da aber keine große Hilfe, meint Studienabbrecher und Bildungsrebell Ben Paul, der sich mit seinem Anti-Uni-Blog an alle wendet, die vom System enttäuscht sind.
Produktion: Timur Diehn
Postproduktion: Christian Slezak
für den Bildungskanal des Stifterverbandes
Ich stelle quasi nur die Frage: Brauchst du die Universität für das, was du vorhast?
Ich habe sie für mich so beantwortet, dass ich sie für das, was ich vorhabe, nicht unbedingt brauche. Hab' irgendwann gemerkt, nachdem ich herausgefunden habe, was so meine obersten drei Grundwerte sind, die da sind Freiheit, Unabhängigkeit und Hingabe, habe ich gemerkt: Okay, vielleicht liegt es daran, dass ich mir nicht vorstellen kann, für jemand anderes zu arbeiten. Ich würde zudem nicht nur gerne Unternehmer sein, sondern ich möchte auch etwas verändern. Und als Unternehmer kann ich im Endeffekt was kreieren, was ich gerne in der Welt sehen möchte. Und um den Bogen zurück zur Uni zu spinnen: Wie kann ich lernen, Unternehmer zu werden? An der Uni habe ich das nicht gefunden. Ich habe mir supersuperviele Unis in ganz Europa angeschaut und habe keine Universität gefunden, die mir wirklich hands-on einerseits das Wissen und andererseits den Freiraum gegeben hat, um Dinge anzuwenden und irgendwie unternehmerisch tätig zu werden. Also habe ich gesagt: Ich mach das selbst, ich suche mir Mentoren, habe meine eigenen Projekte gestartet, habe mir so ein Umfeld selbst gebaut, in dem ich die unternehmerischen Fähigkeiten, die ich entwickeln wollte, einigermaßen so, wie ich mir das vorgestellt habe, entwickeln konnte. Das heißt, für mich sage ich: Ich brauche keine Uni unbedingt, und, ja, ich glaube, auch ganz viele ... also, das ist das eine. Und das andere ist: So wie Universität heute funktioniert, ist sie einfach nicht angemessen, so. Also, Universitäten sind ähnlich wie das Schulsystem einfach so ein traditionelles System, was ziemlich starr ist, was sich langsam verändert, und eben, wenn wir uns anschauen, wie schnell sich die Wirtschaft verändert, wie schnell sich unser gesellschaftliches Bewusstsein verändert, dann ist dieses starre System einfach nicht in der Lage, sich schnell genug anzupassen. Das heißt, die Leute, die wir ausbilden in den Universitäten, die sind eigentlich gar nicht, die werden eigentlich gar nicht dafür ausgebildet für das, was wir heute brauchen, werden nicht damit ausgestattet, was sie heute brauchen, sondern mit dem, immer noch durch diese gleiche Mühle geschleift, mit Wissen und Allgemeinbildung und was weiß ich für Jobs, die es heute gar nicht mehr gibt, sondern die es vor 20, 30, 40 Jahren gab.
Wir merken, es passiert was Cooles, und es bewegt sich was. Trotzdem, wir würden gerne noch so viel mehr machen. Aber trotzdem eben diese Widerstände zu spüren, trotzdem zu merken, es geht vielleicht nicht so schnell wie wir gerne hätten, trotzdem zu merken, okay, es gibt krasse Leute, die uns aufhalten wollen, die an dem alten System festhalten wollen, weil sie davon einfach profitieren, weil sie es nicht ändern wollen, weil sie einfach auf Teufel komm raus den Status quo erhalten wollen. Und mir geht's dann oft so, dass ich dann denke: Krass, vielleicht haben die ja Recht, vielleicht geht diese Veränderung wie ich sie mir vorstelle, doch gar nicht so wie ich sie mir vorstelle. Vielleicht muss ich mich da doch anpassen, was dann dazu führt, dass ich dann manchmal denke: Okay, hm, vielleicht bin ich doch einfach nur zu illusorisch und zu idealistisch, um dann eigentlich, wenn ich zu so einem Event wie hier komme, festzustellen: Nein, überhaupt nicht, es ist voll gut, da so idealistisch zu sein, weil genau das eigentlich so die meiste Kraft freisetzt. Und es braucht eben länger als wie vielleicht denken und braucht einfach auch ein Stück Durchhaltevermögen an der Stelle. Und ich find's superschwer, mich da immer daran zu erinnern und nicht wieder, quasi wenn ich eine Zeitlang auf diesem Pfad bin und denke, okay, Veränderung ist möglich, nicht immer so wieder ein bisschen abzuschweifen, mich anzupassen und zu denken: Okay, es ist doch nicht möglich, und ich muss mich anpassen. Das ist so eine persönliche Herausforderung, die ich immer wieder erlebe, und was ich so ein bisschen auch, wo ich das Gefühl habe, dass wir auch da einfach, indem wir uns gegenseitig Halt geben und wie jetzt in so 'nem Rahmen einfach da voll viel bewegen können, einfach durch so einen gemeinsames Bewusstsein: Ja, es geht was, und wir können was verändern.
Ich habe bei mir gemerkt, dass ich mich unglaublich weiterentwickelt habe, wenn ich tiefe Fragen gestellt habe, wenn ich nicht davongelaufen bin, wenn ich mich Ängsten gestellt habe, wenn ich auch, wenn es einen gewissen Widerstand gab zwischen dem, was ich gedacht habe und gemacht habe, dem, was ich gedacht habe, einfach nachzuforschen und immer so einen Riesendrang mit der Zeit entwickeln, nachdem ich mich von der Schule erholt habe, zu verstehen, also irgendwie Drang nach Erkenntnis, ich will Dinge auf den Grund gehen, ich will schauen, was steckt dahinter, und möchte das gerne weitergeben. Und wie erfolgreich das sein wird? Keine Ahnung. Am Anfang war es mir auch ziemlich wichtig, und ich wollte irgendwie auch Dinge machen, die auch die Medien aufgreifen und irgendwie die, keine Ahnung, hab' mich so ein bisschen danach ausgerichtet, und habe dann gemerkt, dass das nicht wirklich funktioniert, sondern das ich eigentlich was machen möchte, woran ich glaube, und ich sehe bei supervielen Leuten oder bekomme superviel Feedback von den Leuten, die meinen Blog lesen, dass da was ankommt. Also, ich habe vor Ende 2014 eine kleine Rundmail rumgeschickt an die Leute, die meinen Blog lesen, mit einer kurzen Frage, mit der ich einfach nur gefragt habe: Was hat sich bei euch in 2014 dadurch, dass ihr meinen Blog gelesen habt und dass ihr die Artikel gelesen habt, was sich hat bei euch konkret verändert? Und ich hatte innerhalb von wenigen Stunden über 400 E-Mails mit Leuten, die mir teilweise ausführlich in mehreren Absätzen geschildert haben, was sich bei ihnen konkret verändert hat. Das waren Leute, die die Uni abgebrochen haben und ein Praktikum abgebrochen haben und damit superglücklich sind, da waren Leute dabei, die endlich einen Mentor gefunden haben. Da waren Leute dabei, die endlich zu einer bestimmten Veranstaltung gegangen sind und da Gleichgesinnte gefunden haben und superverschiedene Sachen. Das war für mich so ein Zeichen: Okay, krass, anscheinend passiert zumindest so ein bisschen was da draußen, und das reicht mir aus, um weiterzumachen.
Je früher wir Menschen quasi dazu bringen, sich diesen Fragen zu stellen, desto besser. Und deswegen finde ich auch, dass quasi das, was gerade passiert, das kontraproduktiv, was gerade im normalen Schulsystem passiert ist: Wir stopfen Leute voll mit Allgemeinbildung, und es ist eigentlich genau das Gegenteil von: Wir stellen ihnen Fragen und schauen, was bei ihnen da ist, sondern wir setzen ihnen was vor und geben ihnen gar keinen Raum, Fragen zu stellen oder zu erforschen. Und deswegen bin ich so ein großer Kritiker dieses klassischen Schulsystems.
Die Frage, die ich stelle, ist: Warum tust du das, was du tust? Und was dann passiert, ist oftmals einfach so: Kurze Stille, Leute gucken mich an, haben große Augen und dann fällt die Kinnlade so ein bisschen runter, und viele denken erstmal nach oder wollen nochmal wissen: Was hast du da gerade gesagt? Und dann geht es los. Dann geht's los, dass sie anfangen, darüber nachzudenken. Und viele sagen: Gute Frage, weiß ich gar nicht. Oder: um später viel Geld zu verdienen. Oder um Anwalt zu werden. Und dann entwickelt sich meistens ein spannendes Gespräch darüber, was es für verschiedene Antwortmöglichkeiten auf diese Frage gibt. Und es ist für mich großartig zu sehen, wie es bei Leuten so einen Denkprozess in Gang setzt und wie sie anfangen, zu hinterfragen: Was ist meine Motivation? Warum mache ich diese Dinge? Bin ich auf dem richtigen Weg oder sollte ich mich vielleicht ein bisschen intensiver damit beschäftigen?
Heute ist es so: Viele Leute kommen aus der Schule raus und stellen sich mit 18, 19 vielleicht zum ersten Mal die Frage, aber haben gar nicht so wirklich die Zeit, sich wirklich mit der Fragen auseinanderzusetzen, weil dann schnell dieser Druck da ist: Okay, ich muss schnell an die Uni, ich muss schnell meine Professuren finden und meinen Beruf machen. Das heißt, je mehr wir das vorverlagern können mit sechs, sieben, acht, neun Leuten, öh, sechs, sieben, acht, neun Jahren, den jungen Menschen in freier Umgebung sich genau diesen Fragen zu widmen und auch auszuprobieren einfach. Wie geil ist es denn, wenn ich mit sechs anfange, meinen Traumberuf zu finden und da einfach anfange, Erfahrungen zu sammeln, was mir gefällt und was nicht, was ich gut kann und was nicht anstatt erstmit 18 oder 19? Ist doch großartig! Da habe ich viel mehr Zeit.
Gerade passiert so ein Trend hin zu alternativen Schulformen. Das ist schon mal, ich finde, eine sehr positive Entwicklung, dass einfach mehr Eltern merken und ich bekomme superviele E-Mails auch von Eltern, die mir sagen: Hey, ich weiß nicht genau, ob ich mein Kind in die Schule schicken soll oder nicht, und die sich da einfach Gedanken darüber machen. Und das finde ich schon großartig. Das ist schon dieser erste Schritt, einfach kritisch zu überlegen: Was mache ich jetzt wirklich? Dann kenne ich Familien, die ihre Kinder überhaupt nicht zur Schule schicken, die damit supergute Erfahrungen machen, andere machen damit nicht so gute Erfahrungen. Und da ist es so ein bisschen auch so'n Ausprobieren, aber im Endeffekt geht's weniger um die konkreten Strategien, sondern mehr um die Prinzipien, die dahinterstehen. Und die Prinzipien sind eigentlich universell anwendbar, das heißt, die Prinzipien kann man in jedem System im Endeffekt installieren. Dafür muss nur das System merken, dass es mit den Prinzipien besser funktioniert als mit dem, was gerade da ist. Und das sehe ich so ein bisschen als meine Aufgabe an, gute Fragen zu stellen, versuchen herauszufinden, was sind diese Prinzipien, und dann Wege zu finden, den Entscheidungsträgern glaubhaft zu machen, dass es mit diesen Prinzipien für alle Beteiligten eigentlich besser funktioniert.