Wie fühlt sich Krieg an? Virtual-Reality-Brillen wie Oculus Rift sind längst nicht mehr nur etwas für Science-fiction oder Gaming, sondern bieten Chancen für den Journalismus. Daniel Schäfer, Produzent von interaktiven Formaten für Internet und TV, sieht auch neue Perspektiven für die Bildung: Dass man mit Virtual Reality besser lernen kann, dafür gibt es einen einleuchtenden Grund.
Autorin: Corina Niebuhr
Produktion: Webclip Medien Berlin
für den YouTube-Kanal des Stifterverbandes
Was sich entwickelt, das weiß wirklich keiner. Weil, das ist eigentlich das Interessante, wenn wir nur mal ein paar Jahre zurückgehen, ins Jahr 2007: Niemand hat wirklich das iPhone kommen sehen.
Das iPhone hat einen völlig neuen Markt letzten Endes eröffnet und hat alte Märkte mehr oder weniger in sich zusammenbrechen lassen. Und so ist es eigentlich permanent zu beobachten, dass wir immer wieder innerhalb kurzer Iterationen Sachen aufkommen sehen, von denen vorher keiner wusste, dass es sie geben wird. Großes Thema ist ja jetzt dieses Virtual Reality mit Oculus Rift und auch Projekten von anderen Herstellern. Oculus Rift ist im Grunde genommen schon, ja, seit den Achtzigern immer wieder ein Thema gewesen in Sci-Fi-Filmen, oder auch Ende der Neunziger gab es wirklich so einen Hype um dieses Thema. Da gab es dann große Virtual-Reality-Arenen, wo man das dann aufsetzen konnte. Ich kenn das noch, weil in der Stadt, aus der ich komme, gab es so eine Anlage. Und jetzt plötzlich im Jahr 2015 kommen plötzlich Geräte heraus, die bezahlbar sind. Für wenige hundert Euro plus Gaming-PC, der auch nicht so teuer ist, kann ich mir jetzt Virtual Reality nach Hause holen. Und vor vier, fünf Jahren war das eigentlich nicht klar, dass da jetzt der nächste Boom kommt. Und mit Virtual Reality bieten sich jetzt sehr interessante Möglichkeiten an für Unterhaltung, Exploration, aber natürlich auch Bildung, weil ich Welten aufmachen kann, die wirklich begehbar sind und diese starke Inversion auch dazu führt, dass ich mich sehr gut erinnere an Inhalte. Also, das ist eine Erfahrung, die wir in der Forschung mit Virtual Reality jetzt gemacht haben, dass man sich wirklich sehr gut erinnert. Also, man hat diese Brille auf, man geht in eine digitale Welt rein, und man kann selbst Tage danach noch sehr genau sich daran erinnern, so als wäre das doch tatsächlich passiert.
Ich sehe halt sehr viel Potenzial auch wirklich in diesen Schnittmengen, wo Videogames und Journalismus ineinander fusionieren und Sachen abbilden, die mir als Zuschauer oder Nutzer ein besseres Bild der Wirklichkeit geben können. Da gibt es ja diesen Titel "This War Is Mine", wo man die Rolle übernimmt von Leuten, die in einem Krieg leben müssen, also ganz normale Bewohner einer Stadt, die in einem Haus eingesperrt sind. Und draußen tobt der Krieg, und ich muss halt mit einer Gruppe von Leuten überleben und muss immer nachts raus, Lebensmittel und Medikamente besorgen, und erfahre auf eine sehr gut ausgearbeitete Art und Weise, was eigentlich dieser Kampf bedeutet, den Leute alltäglich haben, wenn sie in einem Krisengebiet eingesperrt sind und nicht wegkönnen. Und das ist eine Art von Erfahrung gewesen, fand ich, als ich das Spiel gespielt habe, die so mit klassischen Medien gar nicht möglich ist, in einer Berichterstattung oder selbst ein Artikel, der in einem Magazin oder in einer Zeitung steht, einfach so gar nicht nachvollziehbar ist, was wirklich auch diese, ich nenne es mal Mechanik, die die Leute da wirklich beschäftigen, um am Leben zu bleiben. Und dafür eignen sich Games ganz hervorragend, finde ich. Und da werden wir in Zukunft noch sehr viel sehen, glaube ich, wie wir so über Game-Mechaniken auch Zusammenhänge in der Wirklichkeit verstehen können, die vorher gar nicht so gut darstellbar waren.
In der Mathematik zum Beispiel fällt mir das auf. Also, wenn man sich anguckt, wie Mathematik gelehrt wird, wenn man wirklich dieses mathematische Procedere lernt in der Schule, und da einfach brav diese Sachen durchgeht, die aber jeder Computer viel, viel schneller machen kann. Und im Endeffekt wäre das genau so ein Schritt, der genial wäre, wenn man sagen würde: Befreit doch die Schüler von diesem statischen mathematischen Ablauf und gebt ihnen das an die Hand, was die Mathematik wirklich faszinierend macht! Aber auch das ist, was sie in Zukunft bringen werden, ist, dass sie eine lebendige Vorstellung von Mathematik haben. Und dass man auch wirklich sehr früh damit anfangen könnte, ist, Leute so mit Technologie zusammen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie ihr Leben ganz anders organisieren können, indem sie halt wirklich komplexe Mathematik verstehen. Und die ganze Arbeit, die sie sonst in der Schule machen, einfach diese Sachen runterrechnen, macht die Maschine, und sie können sich mit den Sachen beschäftigen, die für den Menschen interessant sind. Das ist für mich so ein Beispiel, wo wirklich die Möglichkeit entstanden ist, durch Computer ganz anders arbeiten zu können, also gerade in diesem mathematischen Feld, weil Mathematik ist eigentlich etwas Hochdynamisches, wenn man so einen Graph oder sowas sieht, ich weiß noch, wie schwer das für mich war in der Schule, das zu verstehen, dass sich da Sachen drin verschieben, weil man es nicht sehen konnte, und erst sozusagen nur der Einser-Streber hatte wirklich hinterher das Verständnis: Aha, da ist eigentlich etwas in Bewegung, wo ich nur irgendwelche Kreuze gesehen habe, war für den hinterher klar: Okay, das bewegt sich. Und jetzt kann ich auch mit dem Computer diesen Prozess abbilden lassen und habe sofort ein Verständnis davon, um was es geht. Und das, finde ich, ist ein enormer Zugewinn, den wir jetzt haben, um Technologie einzusetzen, um Zusammenhänge besser zu begreifen.
Ein Beispiel, was uns gerade sehr interessiert, sind komplexe Systeme. Da gab es letztes Jahr im Spiegel ein sehr gutes Interview mit Wolf Singer, das ist ein Neurologe aus Frankfurt, und der meinte, dass das etwas Elementares wird, dass Leute komplexe Systeme verstehen können, weil unsere Welt von diesem linearen-industriellen Modell in ein nichtlineares, komplexes immer mehr shiftet. Und da sind wir jetzt zum Beispiel gerade dabei, eine Anwendung zu machen, die heißt: Agents, also Agenten, und da geht es darum, einen agentenbasierten Modulator, das ist sozusagen ein System, in dem ich komplexe Systeme mathematisch nachbilden kann, für eine breite Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Und das ich sehr spielerisch mit einer Mischung aus Animationsfilmen, Game, aber auch Simulation dieser Mechanik, die in diesen komplexen Systemen drin sind, dass ich das wirklich Leuten in die Hand geben kann, und die spielerisch das entdecken können. Das ist zum Beispiel eine Entwicklung, die bei uns gerade ansteht. Da haben wir eine Prototypenphase abgeschlossen, haben halt diese mathematischen Modelle entwickelt, haben auch schon Ideen, wie so ein Animationsfilm drumherum funktioniert, der das dann erklärt.