Jana Tepe: Jobsharing 2.0

Jana Tepe: Jobsharing 2.0

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Jana Tepe: Jobsharing 2.0
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Es muss nicht immer die Vollzeitstelle sein. Arbeitnehmer wünschen sich oft weniger Arbeitszeit, und das Jobsharing-Modell eröffnet dafür neue Chancen. Doch ein Grund, der dem oft entgegensteht, heißt: Angst. Jana Tepe, Co-Geschäftsführerin der Jobsharing-Vermittlung Tandemploy, wirft einen Blick auf die Arbeitswelt von morgen.

Produktion: Timur Diehn
Postproduktion: Christian Slezak
für den Bildungskanal des Stifterverbandes

Transkript des Videos

Müssen wir so arbeiten? Würde es vielleicht auch anders gehen? Ist es gute Arbeit, wie wir uns das wünschen? Oder ist das vielleicht eigentlich der tägliche Wahnsinn, das tägliche Hamsterrad, was wir da morgens um 7 oder um 8 irgendwann sehen?

Wir sind in den letzten hundert Jahren so viel produktiver geworden, haben auch so viel automatisieren können und haben auch so viel Wissen angehäuft und Forschungsergebnisse darüber, was eigentlich gute Arbeit ist, wann Menschen produktiv sind und wann sie wirklich auch viel erreichen können. Und das nutzen wir eigentlich noch gar nicht genug. Also, es gibt dieses Wissen auf der einen Seite, aber in der Praxis hinkt es noch total, weil der Mut fehlt, die ersten Schritte zu tun, es wirklich auch umzusetzen, was man eigentlich weiß, wann Menschen produktiv sind. Und wir glauben, dass man tatsächlich mit weniger Arbeit mehr erreichen kann. Das ist auch wissenschaftlich fundiert, weil eben Teilzeitkräfte oft in drei Tagen genau das schaffen, was andere sonst in fünf Tagen schaffen, weil sie den Kopf frei haben, weil sie ganz andere Ideen kriegen, weil sie ganz anders reflektieren können, vielleicht auch Input aus anderen Lebensbereichen in den Jobn bringen, wovon man nur profitieren kann, wovor aber viele Arbeitgeber tatsächlich immer noch Angst haben. Also, die haben Angst, wenn der Arbeitnehmer nicht hundert Prozent ihnen zur Verfügung steht.

Man hat im Leben immer mal wieder Phasen, in denen man entweder mehr Zeit braucht oder sie sich einfach wünscht. Das können die verschiedensten Phasen sein. Ich glaube, die können vom Berufseinstieg bis zum Berufsausstieg immer wieder auftreten. Man ist vielleicht noch mit einem halben Bein im Studium, möchte aber schon Berufserfahrung sammeln. Man hat gerade ein Kind bekommen,  möchte wieder einsteigen, aber vielleicht nicht in Vollzeit, weil einem eben die Familie auch sehr wichtig ist. Man möchte eine Weiterbildung machen, sich eigene Projekt nebenher aufbauen. Man möchte vielleicht die Selbstständigkeit erstmal nebenher starten. Man ist vielleicht selber eingeschränkt gesundheitlich, was ja auch immer wieder passieren kann, oder man pflegt zum Beispiel seine Eltern, was auch ein immer größeres Thema werden wird in den nächsten Jahren, wofür es eigentlich viel zu wenig Antworten gibt, wie wir das denn handlen wollen. Und all diese Menschen wollen dann eben oft in ihren Jobs bleiben, also in den Jobs, die sie mögen, für die sie qualifiziert sind, einfach in ihren Wunschjobs. Und warum soll das nicht gehen?

Jobsharing ist auf jeden Fall eine Möglichkeit, Arbeit nochmal anders zu verteilen, über die Gesellschaft hinweg und auch über die Lebensphasen hinweg. Also, über die Gesellschaft hinweg, damit meine ich, dass Firmen vielleicht nicht nur den typischen Arbeitnehmer suchen, der ist im Moment um die 40, männlich, weiß, sondern auch links und rechts schauen und gucken: Was haben wir noch für Potenziale, die wir vielleicht aber gerade gar nicht nutzen können, weil diese Menschen entweder auf flexible Arbeit angewiesen sind oder ganz explizit danach suchen?

Die Interessenten für Jobsharing kommen eigentlich aus allen möglichen Branchen. Wir erleben auch tagtäglich neue Bereiche, in denen wir gedacht hätten: Das funktioniert überhaupt nicht! Also, gerade wird Jobsharing typischerweise auf Führungspositionen tatsächlich genutzt. Also, alle großen Unternehmen in Deutschland, die man so kennt, die haben Führungstandems. Und es funktioniert auch wunderbar. Das heißt, die haben natürlich auf diesen Positionen angefangen, weil da der Bedarf am größten war oder bzw. das Problem, diese Stellen zu flexibilisieren.

Man wollte die Person nicht verlieren und hat dann intern eine Lösung gesucht, wie man diese Person halten kann, hat dann intern einen Partner gesucht. Und so ist es bisher oft als Zufallsprodukt zustande gekommen, und seitdem wir jetzt mit Tandemploy dabei sind, die Leute wirklich auch offensiv darauf anzusprechen, sie ermutigen, sich in dem Modell zu bewerben, sehen wir eben, dass die verschiedensten Leute kommen, also zum Beispiel Entwickler, die gerne eine halbe feste Stelle hätten für ihre eigenen Projekte nebenbei. Das sind Marketing-Manager, die eigentlich einen großen verantwortungsvollen Bereich haben, wo wirklich hundert Prozent jemand da sein muss. Das sind Vertriebler. Wir haben erst gedacht, im Vertrieb geht Jobsharing gar nicht, weil man Kundenkontakt hat, haben dann aber Leute, die bereits im Jobsharing-Vertrieb arbeiten, gefragt: Wie macht ihr das denn? Und ja, eigentlich ist es nicht sehr erstaunlich, sie haben einfach ihren Kunden gesagt, dass sie ein Team sind und dass sie ab jetzt zwei Ansprechpartner haben und das auch ein großer Vorteil ist, weil immer jemand da ist. Und die Kunden fanden es super.

Die Arbeitswelt in 20 Jahren wird wesentlich flexibler sein müssen, einfach weil unsere Welt immer komplexer wird und man einfach noch flexibler, immer schneller reagieren muss. Und wenn man da als Firma so ein großer Tanker ist, dann, glaube ich, wird es einfach wahnsinnig schwierig. Das heißt, wir müssen Arbeit vielleicht auch in kleinere Teams runterbrechen. Es müssen jetzt nicht immer Zweierteams sein wie beim Jobsharing, aber ich glaube, es wird sehr auf Projekt- und Teamarbeit hinauslaufen, und Organisationen als solches müssen viel flüssiger werden. Es muss möglich sein, Wissen viel besser zu teilen innerhalb der Organisation, viel transparenter da auch zu sein an den richtigen Stellen. Und ich glaube, wir müssen es halt schaffen, in den nächsten, ja, eigentlich möchte ich es gerne schon morgen schaffen, aber wir sollten es in den nächsten zehn, 20 Jahren schaffen, wirklich Arbeit in unserer Gesellschaft anders zu verteilen, also anders im Sinne von auf verschiedene Zielgruppen, wirklich ja alle Potenziale der Gesellschaft miteinzubeziehen, weil sonst kriegen wir ein ganz starkes Problem mit dem Fachkräftemangel, und anders über unser Leben hinweg zu verteilen, weil wir werden immer älter, wir arbeiten auch viel länger. Warum sollen wir vom Arbeitseinstieg bis zum -ausstieg immer permanent 40 Stunden Vollzeit arbeiten? Das macht überhaupt keinen Sinn. Also, kein Leben verläuft so linear, und es macht keinen Menschen glücklich. Also, man muss ja nicht immer weniger arbeiten, aber in bestimmten Lebensphasen bietet es sich ja an, da viel flexiblere Modell zu finden.