Wieso hat das Lehramt in Deutschland so ein geringes Ansehen? Und warum gibt es in Deutschland keinen bundeslandübergreifenden Standard für die Ausbildung zum Lehrer? Zwei Zukunftsmacher aus der Bildungsinitiative des Stifterverbandes schildern ihre Sicht auf den aktuellen Status der Lehrerbildung in Deutschland: Sabine Doff ist Professorin für Fremdsprachendidaktik an der Universität Bremen. Wolf-Rüdiger Feldmann ist Beiratsvorsitzender der Cornelsen Stiftung Lehren und Lernen.
Die Zukunftsmacher verkörpern die Bildungsrepublik von morgen und zeigen, wohin die Reise gehen muss. Und sie stehen für die Ziele, die der Stifterverband im Rahmen seiner Bildungsinitiative bis 2020 erreichen will – hier im Bereich Lehrerbildung.
Der Stifterverband setzt sich für mehr Qualität und Diversität in der Lehrerbildung ein. Ziel ist es, bis 2020 den Anteil der Lehramtsstudierenden mit ausländischem Pass auf vier Prozent zu erhöhen. Außerdem sollen 22 Prozent männliche Studierende sich für das Grundschullehramt qualifizieren und der Anteil der Lehramtsstudienanfänger in MINT-Fächern auf 36 Prozent ansteigen.
Jede Woche neu beim Stifterverband:
Die Zukunftsmacher und ihre Visionen für Bildung und Ausbildung, Forschung und Technik.
Produziert von Corina Niebuhr
für den YouTube-Kanal des Stifterverbandes
(Sabine Doff)
Der Lehrerberuf ist der Beruf, mit dem man am stärksten Gesellschaft heute und morgen gestalten kann. Der Beruf bringt eine große Herausforderung mit sich, eine große Verantwortung und aber auch eine ungeheure Macht. Wenn man das schaffen würde, diese Bedeutung stärker sichtbar zu machen, dann wäre aus meiner Sicht auch die ganze Frage von Ansehen in der Gesellschaft oder, ja, Wertschätzung des Berufs, die wäre hinfällig.
(Wolf-Rüdiger Feldmann)
Wir brauchen für diesen Beruf vor dem Hintergrund seiner gesellschaftlichen Relevanz die besten Leute. Die brauchen wir an den Hochschulen als Ausbilder. Und solange in anderen Bereichen der wissenschaftlichen Ausbildung die Voraussetzungen besser sind, durch welche Gründe auch immer, gesellschaftliche Anerkennung, mehr Geld, was auch immer, gehen die besten Leute nicht ins Lehramt oder in die Lehrerausbildung. Wenn man es jetzt polemisch formulieren würde, dann ist die Lehrerausbildung in den letzten 15, 20, 30 Jahren ein Abfallprodukt der jeweiligen Fakultäten. Das Thema Anerkennung von Lehrern beginnt an der Uni. Die Didaktiker sind nicht die Zielgruppe, die dort am stärksten wertgeschätzt wird.
(Sabine Doff)
Also, erstmal würde ich gerne festhalten, dass ich glaube, dass das System der Lehrerausbildung in Deutschland schon ein sehr gutes ist und ein sehr fundiertes, auch im internationalen Vergleich. Die Verbindung zwischen Schule und Hochschule könnte an vielen Punkten sicher besser sein, und wir könnten sie besser ausgestalten. Ich denke aber, dass da viel bewegt wird im Moment.
Mir geht es darum, dass in der ersten Phase der Ausbildung zukünftige Lehrkräfte früh lernen, Theorie und Praxis aufeinander zu beziehen und es als wechselseitig befruchtendes Verhältnis auch zu gestalten. Ich meine damit, dass man sich genau überlegt, wer in dieser Theorie-Praxis-Verknüpfung welche Ressourcen hat, Lehrkräfte bestimmte Expertise, die können sagen: Das funktioniert oder das funktioniert nicht in der achten Klasse im Fach Biologie. Das können Studierende nicht. Studierende haben aber möglicherweise oder ganz sicher sogar mehr Zeit, Aufgabenformate zu entwickeln.
(Wolf-Rüdiger Feldmann)
Die Möglichkeiten, sich überhaupt beruflich fortzubilden, sind nicht breiter geworden, sondern schmaler. Und da wir um dieses staatliche Defizit wissen, haben wir uns ganz bewusst entschieden, eben mal dieses Format der Cornelsen-Sommeruni aufzulegen. Wir bieten den Raum, sich geschützt mit anderen auszutauschen, sich selbst zu reflektieren, dazuzulernen und sich selbst die Frage zu stellen: Was nehme ich mir eigentlich fürs nächste halbe oder fürs nächste Jahr vor? Wie kann ich mich, meine Klasse, meine Schule, mein Kollegium, welchen Beitrag kann ich dazu leisten, das weiterzuentwickeln?
(Sabine Doff)
Wenn man sich anguckt, wo sind sozusagen Schulterschlüsse unbedingt erforderlich, müsste man auf jeden Fall sich einen dritten Bereich angucken, und das ist die Bildungspolitik. Es wird Reform nach Reform sozusagen abgehandelt, und die Lehrkräfte und auch die Lehrerausbildung laufen diesen Reformen nur noch hinterher. Ich würde mir aber wünschen, dass das in einem stärkeren Zusammenwirken stattfinden kann. Die Idee, dass man Reformen machen kann und dann die Schule wie so ein Labor quasi hinterherzieht, das ist komplett verantwortungslos.
(Wolf-Rüdiger Feldmann)
Warum gibt es in Deutschland keinen bundeslandübergreifenden Standard für die Ausbildung zum Lehrer? Und zwar nicht als Minimalkonsens, sondern als Maximalanforderung an die Universitäten, an die Seminare, an die ausbildenden Schulen. Warum gibt es keine Initiative der Wissenschaft zu sagen: Wir verständigen uns mal auf einen solchen Kanon und sagen: Das ist das, was wir erreichen wollen!