Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis

 
Mit der Auszeichnung ehren Stifterverband und Leopoldina eine Wissenschaftlerin, einen Wissenschaftler oder ein Forscherteam, die einen Beitrag zur wissenschaftlichen Bearbeitung gesellschaftlich wichtiger Problembereiche geleistet haben. Der Preis ist mit 30.000 Euro dotiert.

 

Preisträgerin 2022

Antje Boetius (Foto: Alfred-Wegener-Institut/Esther Horvath (CC-BY 4.0))
Foto: Alfred-Wegener-Institut/Esther Horvath (CC-BY 4.0)

Prof. Dr. Antje Boetius
Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts

 

"Antje Boetius leistet mit ihren Forschungen Pionierarbeit auf dem Gebiet der Tiefsee- und Polarforschung", sagt der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Prof. (ETHZ) Dr. Gerald Haug. "Ihre Arbeiten in den Weltmeeren, von den methanzehrenden Mikrobengemeinschaften der Tiefsee bis zu den ökologischen Folgen des Meereisrückgangs in der Arktis, spiegeln die hohe Diversität ihres wissenschaftlichen Einsatzes wider. Sie baut Brücken zwischen Biologie, Chemie und Erdsystemforschung und trägt somit wesentlich zur Entwicklung der neuen Disziplin Biogeochemie bei."

"Neben ihrer äußerst erfolgreichen wissenschaftlichen Arbeit ist auch ihr gesellschaftliches Engagement hervorzuheben", sagt Prof. Dr. Michael Kaschke, Präsident des Stifterverbandes. "Es ist Antje Boetius ein besonderes Anliegen, den disziplinübergreifenden Dialog innerhalb wie außerhalb der Wissenschaft zu fördern sowie Diskussionen über kontroverse Themen der Forschung anzuregen. Dabei befasst sie sich auch intensiv mit der Vielfalt und Qualität von Formaten der Wissenschaftskommunikation."

Die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts (AWI), Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, beschäftigt sich derzeit vor allem mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Biogeochemie und Biodiversität des Arktischen Ozeans. Boetius erforscht Mikroorganismen, die Teile des Meeresbodens besiedeln und langfristig großen Einfluss auf das Erdsystem haben. So entstehen in der Tiefsee große Mengen Methan, das in Form von Methanhydraten im Meeresboden lagert oder auch als Gas entweicht. Boetius entdeckte mikrobielle Lebensgemeinschaften, die den größten Teil dieses Methans abbauen, ohne dafür Sauerstoff zu benötigen. Dieser Prozess hat sowohl für Methanflüsse im Meer als auch für das Klimasystem eine hohe Bedeutung. Denn die mikrobiellen Lebensgemeinschaften verhindern, dass große Mengen des Treibhausgases, das 25-mal stärker wirkt als CO2, in die Atmosphäre entweichen. Diesem Prozess der anaeroben Oxidation von Methan, kurz AOM, konnte Boetius als Erste bis dahin unbekannte Mikroorganismen zuordnen. Aktuell beschäftigt sie sich mit der Erforschung der Vielfalt von Tiefseegemeinschaften unter dem arktischen Eis und den Auswirkungen der Gewinnung von polymetallischen Knollen auf das Ökosystem des Meeresbodens.

Antje Boetius studierte Biologie an der Universität Hamburg und Biologische Ozeanographie an der University of California in San Diego (USA). 1996 wurde sie an der Universität Bremen promoviert und 2001 zur Professorin für Mikrobiologie an die International University Bremen berufen. Seit 2008 leitet sie die von der Helmholtz-Gemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft gemeinsam getragene Brückengruppe für Tiefsee-Ökologie und -Technologie am AWI und dem Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen. Seit 2009 ist sie Professorin für Geomikrobiologie an der Universität Bremen und seit 2017 Direktorin des AWI in Bremerhaven. Antje Boetius ist für ihre wissenschaftliche Arbeit und ihr gesellschaftliches Engagement mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt worden, unter anderem 2009 mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 2011 mit dem Advanced Grant des Europäischen Forschungsrates. 2018 erhielt sie den Communicator-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Stifterverbandes sowie den Deutschen Umweltpreis. Die Leopoldina wählte Antje Boetius 2009 zu ihrem Mitglied in der Sektion Geowissenschaften, sie ist zudem Mitglied einer Reihe von deutschen und internationalen Akademien.

Die Preisverleihung findet am 12. Dezember 2022, in Halle (Saale) im Rahmen der traditionellen Weihnachtsvorlesung der Leopoldina statt, die die Preisträgerin zum Thema "Leben im Ozean" hält. Während der Veranstaltung wird auch der Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Sonderpreis an den Hämatologen, Onkologen und Immunologen Prof. Dr. Christoph Huber verliehen. Die Verleihung des Sonderpreises sollte bereits 2021 stattfinden, wurde jedoch pandemiebedingt verschoben. 
Programm der Weihnachtsvorlesung auf der Website der Leopoldina

Sonderpreis 2021

Christoph Huber (Foto: Ansgar Pudenz/DZP)
Foto: Ansgar Pudenz/DZP

Christoph Huber
erhielt 2021 einen Sonderpreis außerhalb des zweijährigen Turnus der Preisvergabe

"Christoph Huber ist ein Pionier auf dem Gebiet der immunologischen Krebsforschung, deren Potenzial er frühzeitig erkannte. Seinem unermüdlichen Engagement ist es zu verdanken, dass zahlreiche Forschungsergebnisse der Krebsimmuntherapie aus dem Labor in die klinische Anwendung übertragen wurden. Dass seine Forschungsansätze und sein visionäres Agieren zugleich als Grundlage für neuartige, schnell zu entwickelnde Impfstoffe gegen COVID-19 dienten, unterstreicht die Bedeutung seines Wirkens", sagt der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Prof. (ETHZ) Dr. Gerald Haug. 

Huber war Leiter der III. Medizinischen Klinik, Hämatologie und Onkologie der Universität in Mainz, als er 2008 gemeinsam mit Prof. Dr. Uğur Şahin und Prof. Dr. Özlem Türeci das Mainzer Unternehmen BioNTech gründete. Das auf personalisierte Krebsimmuntherapeutika und mRNA-Technologie spezialisierte Unternehmen hatte sich gleich zu Beginn der Coronavirus-Pandemie auf die Entwicklung eines Impfstoffs gegen COVID-19 konzentriert und leistete mit dem ersten zugelassenen Vakzin einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie. 

Mit dem Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausgezeichnet, die einen Beitrag zur wissenschaftlichen Bearbeitung gesellschaftlich wichtiger Themenbereiche geleistet haben. "Mit dem Sonderpreis würdigen wir die herausragende Leistung des Preisträgers in Grundlagen- und translationaler Forschung, die wesentlich zur Bewältigung der Pandemie beiträgt", sagt Prof. Dr. Andreas Barner, Präsident des Stifterverbandes. "Christoph Hubers Grundlagenforschung im Bereich der Immuntherapie von Krebserkrankungen sowie sein großes Engagement als Sprecher des Sonderforschungsbereichs der Deutschen Forschungsgemeinschaft der Universität Mainz erlaubte es dem Forscher Uğur Şahin, gezielt der Frage nach mRNA-Vakzinen bei Tumoren nachzugehen", ergänzt er. Diese und andere Forschungsergebnisse seien wesentlich für die mRNA-Impfstoffentwicklung gegen COVID-19 gewesen. "Christoph Huber ist nicht nur ein international ausgewiesener Forscher, sondern auch ein äußerst erfolgreicher Wissenschaftsmanager, Firmenmitgründer sowie Initiator und Leiter führender translationaler Wissenschaftsnetzwerke", so der Präsident des Stifterverbandes. 

In der Krebsforschung hat Christoph Huber zahlreiche wichtige Beiträge auf dem Gebiet der Immuntherapie bösartiger Erkrankungen geleistet. Diese betrafen insbesondere die Entwicklung rekombinanter Abwehrhormone (Zytokine), die Charakterisierung tumorspezifischer Antigene, Zelltherapeutika und verschiedene Tumorvakzine-Formate. Der österreichische Mediziner wurde zu einem weltweit angesehenen Wissenschaftler für immunologisch geprägte Krebsforschung und setzte sich seit den 1970er-Jahren für die Entwicklung der Krebsimmuntherapie ein. An der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, wo er von 1990 bis zu seiner Emeritierung 2009 tätig war, gründete und leitete er unter anderem einen Sonderforschungsbereich der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu Mechanismen der Tumorabwehr und das erste europäische, mit Unterstützung der Deutschen Krebshilfe gegründete Tumorvakzinationszentrum. Darüber hinaus engagiert sich Huber für immunologisch ausgerichtete translationale Forschungsaktivitäten, bei denen es um den Übergang von der Grundlagenforschung in die klinische Praxis geht. Er gründete und leitete über zwei Jahrzehnte die auf diesem Gebiet als führend geltende europäische Forschungs- und Kommunikationsplattform und organisierte zahlreiche wissenschaftliche Konferenzen.  

Christoph Huber (Jahrgang 1944) studierte Medizin in Innsbruck (Österreich). Nach seiner Facharztausbildung in Innerer Medizin und seiner Habilitation forschte er unter anderem am Karolinska Institutet in Stockholm (Schweden) beziehungsweise den Wallenberg Laboratories in Uppsala (Schweden) und am Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle (USA). 1983 wurde er Leiter der Abteilung Klinische Immunbiologie und Knochenmark-Transplantation der Universitätsklinik für Innere Medizin in Innsbruck (Österreich) – eine der ersten europäischen Stammzelltransplantationseinrichtungen. 1990 wechselte er an die Johannes Gutenberg-Universität nach Mainz auf den Lehrstuhl für Innere Medizin und übernahm die Leitung der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik mit den Schwerpunkten Hämatologie-Onkologie, Pneumologie und Stammzelltransplantation. Für sein Engagement und seine Forschungsleistungen wurde er vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland, dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst und der Ehrenmitgliedschaft in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 2021 erhielt er gemeinsam mit Uğur Şahin, Özlem Türeci und Katalin Karikó den Deutschen Zukunftspreis – Preis des Bundespräsidenten für Technik und Innovation.

Preisträger 2020

Christian Dustmann (Foto: privat)
Foto: privat

Christian Dustmann
Professor für Wirtschaftswissenschaften an der University College London und Direktor von CReAM – Centre for Research and Analysis of Migration

Christian Dustmann untersucht, wie Zuwanderung die Löhne und Karrierewege im Gastland beeinflusst. In seinen Studien analysiert er zudem Faktoren, die die politische Einstellung der Bevölkerung gegenüber Zuwanderung erklären. Der mit 50.000 Euro dotierte Wissenschaftspreis des Stifterverbandes wird für wissenschaftliche Beiträge zu gesellschaftlich wichtigen Herausforderungen verliehen. Er ist damit die deutsche Auszeichnung für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem Gebiet der wissenschaftsbasierten Politikberatung.

"Christian Dustmanns empiriebasierte und interdisziplinär angelegte Forschung wird stets durch konkrete wirtschafts- und gesellschaftspolitische Fragestellungen geleitet und liefert bedeutende Beiträge zur öffentlichen und politischen Debatte. Beispielsweise haben seine Studien wesentliche Erkenntnisse zu den Auswirkungen von Einwanderung auf den Arbeitsmarkt oder zur Integration von Geflüchteten geliefert. Er ist ein gefragter und engagierter Berater und Ansprechpartner für Politik, Institutionen und Medien und versteht es, komplexe Sachverhalte verständlich und überzeugend darzustellen", sagt der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Prof. (ETHZ) Dr. Gerald Haug.

"Der Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis ist eine Auszeichnung für wissenschaftsbasierte Politikberatung. Die Preisträgerinnen und Preisträger entwickeln in ihren Forschungsarbeiten Lösungen zum Umgang mit wichtigen gesellschaftlichen Herausforderungen und vermitteln diese aktiv an Politik und Öffentlichkeit. Christian Dustmann engagiert sich seit über 30 Jahren für eine informierte, auf wissenschaftliche Erkenntnisse gestützte Diskussion zu Migration und Integration. In Zeiten der Flüchtlingskrise in Europa und der Brexit-Entscheidung in Großbritannien ist er eine bedeutende und einflussreiche Stimme in der wissenschaftlichen und politischen Debatte", sagt Andreas Barner, Präsident des Stifterverbandes.

In Deutschland war Christian Dustmann der erste Arbeitsmarktökonom, der sich empirisch mit den Themen Migration und Integration vor allem innerhalb der europäischen Länder auseinandersetzte und neue Forschungsmethoden auf diesem Gebiet entwickelte. In seinen Studien untersucht er, wie sich Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt auswirkt und welche Effekte sie auf den Staatshaushalt hervorruft. So konnte er ‒ entgegen allgemeiner Vorurteile ‒ zeigen, dass europäische Migrantinnen und Migranten im Vereinigten Königreich mehr Steuern zahlen, als sie an Sozial- und Transferleistungen erhalten. In seinen frühen Forschungsarbeiten beschäftigte er sich mit dem Thema der temporären Migration. Seine Ergebnisse belegen, dass das Verhalten im Gastland davon beeinflusst wird, ob Menschen bereits von Beginn an eine Rückkehr in ihr Heimatland planen. Er untersuchte auch, wie sich Investitionen in die Qualifizierung sowie die Bereitschaft der zugewanderten Personen, die Sprache zu erlernen, auf deren Löhne und Karrieren auswirken. Zusätzlich zeigte Dustmann, dass Einwanderung nicht dazu führt, dass einheimische Arbeitskräfte verdrängt werden. Diese treten in der Folge jedoch in geringerem Maße in den Arbeitsmarkt ein. In seiner Forschung untersucht er zudem Faktoren, die die politische Einstellung gegenüber Einwanderung in der Bevölkerung beeinflussen. Hier spielen soziokulturellen Ängste eine weitaus größere Rolle als ökonomische Sorgen der Bürgerinnen und Bürger. Dustmanns empirische Erkenntnisse liefern eine wichtige wissenschaftliche Grundlage für öffentliche Debatten zur Migrations- und Integrationspolitik.

Dustmann studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bielefeld sowie Volkswirtschaftslehre an der University of Georgia/USA. 1992 wurde er am European University Institute in Florenz/Italien promoviert. Er habilitierte sich 1997 in Volkswirtschaftslehre und Ökonometrie an der Universität Bielefeld. 2004 gründete er das Centre for Research and Analysis of Migration (CReAM) in London und erhielt eine Professur für Volkswirtschaftslehre (Economics) am University College London. Darüber hinaus hatte er bereits mehrere Gastprofessuren unter anderem in Italien, Australien, sowie in Harvard, Princeton, Stanford und Yale in den USA inne. Seit 2012 ist er Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina in der Sektion Ökonomik und Empirische Sozialwissenschaften. Zuletzt erhielt er bereits zum zweiten Mal den Advanced Grant des European Research Councils (ERC) zur Förderung seiner Forschung. 

Die offizielle Preisverleihung fand am 25. Oktober 2021 in Halle an der Saale statt.

Preisträger 2018

Jens Claus Brüning (Foto: Markus Scholz/Leopoldina)
Foto: Markus Scholz/Leopoldina

Jens Claus Brüning
Direktor der Poliklinik für Endokrinologie, Diabetologie und Präventivmedizin der Universitätsklinik Köln

In der Medizin ist seit längerem bekannt, dass Stoffwechselstörungen in der Schwangerschaft das Risiko der ungeborenen Kinder erhöht, an Diabetes oder Übergewicht zu erkranken. Jens Claus Brüning gelang es, diese Zusammenhänge zu erklären. Er konnte erstmalig in Mausmodellen zeigen, dass eine fettreiche Ernährung von Müttern während der Stillzeit – welche entwicklungsbiologisch dem letzten Drittel der Schwangerschaft bei Menschen entspricht – die Entwicklung bestimmter Nervenzellen (POMC-Neurone) im Gehirn der Nachkommen hemmt und sich in der Folge ein gestörter Stoffwechsel entwickelt. Diese Erkenntnis ermöglicht Fortschritte in der Diagnostik und Therapie von Stoffwechselstörungen bei Schwangeren. Brüning identifizierte zudem Nervenzellen in einem Bereich des Zwischenhirns, im Hypothalamus, die daran beteiligt sind, die Nahrungsaufnahme und den Zuckerstoffwechsel zu steuern. Er erforschte chemische Reaktionen in Körperzellen, die bei Übergewicht zu einer verminderten Wirkung des blutzuckersenkenden Hormons Insulin und damit zur Insulinresistenz führen, also zu einer Diabetes-Erkrankung.

Jens Claus Brüning studierte Humanmedizin an der Universität zu Köln und wurde 1993 promoviert. Im Jahr 2001 beendete er die Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin und Endokrinologie. Er habilitierte sich 2002 für Innere Medizin und ist seit 2003 Professor für Genetik an der Universität Köln. Seit 2011 ist er Direktor der Poliklinik für Endokrinologie, Diabetologie und Präventivmedizin (PEDP) der Universitätsklinik Köln. Im gleichen Jahr wurde er zum Direktor am Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung, Köln berufen. Die Leopoldina wählte Brüning 2017 zu ihrem Mitglied in die Sektion Genetik/Molekularbiologie und Zellbiologie. Jens Claus Brüning wurde für seine Forschung vielfach ausgezeichnet: Unter anderem erhielt er 2007 den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), er wurde 2008 mit dem Minkowski-Preis der European Association for the Study of Diabetes (EASD) ausgezeichnet und 2013 mit dem Outstanding Scientific Achievement Award der American Diabetes Association (ADA) geehrt.

"Mit Jens Claus Brüning wird ein Wissenschaftler mit dem Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis ausgezeichnet, der entscheidende Erkenntnisse in der Erforschung der Volkskrankheiten Adipositas und Diabetes erlangen konnte", sagt der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Jörg Hacker. "Diese Erkenntnisse können künftig die Prävention und Behandlung dieser Krankheiten verbessern", fügt Hacker hinzu.

"Der Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis ist eine Auszeichnung für wissenschaftsbasierte Politikberatung, ehrt also Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit ihren Forschungsarbeiten Lösungen zum Umgang mit drängenden Problemen entwickeln und diese der Politik und der Öffentlichkeit aktiv vermitteln. Jens Claus Brünings Beiträge zur neuroendokrinologischen Grundlagenforschung könnten die Lebensqualität und -erwartung sehr vieler Menschen, die an Adipositas oder Diabetes Typ 2 erkrankt sind – etwa 30 Prozent der westlichen Erdbevölkerung sind betroffen – verbessern", sagt Andreas Barner, Präsident des Stifterverbandes.

Die Preisverleihung fand am 11. Dezember 2018 in Halle (Saale) statt. Der Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis wurde Jens Claus Brüning durch Jörg Hacker, Präsident der Leopoldina, und den Präsidenten des Stifterverbandes, Andreas Barner, überreicht. Die Ehrung war Teil der traditionellen Weihnachtsvorlesung der Leopoldina, die der Preisträger zum Thema "Kontrolle von Energiehaushalt und Stoffwechsel durch das Gehirn" hielt.

Preisträger 2016

Weizsäcker-Preis: Preisträger 2016 Thomas Elbert und Maggie Schauer (Foto: Markus Scholz für die Leopoldina)

Dr. Maggie Schauer
Direktorin des Kompetenzzentrums für Psychotraumatologie an der Universität Konstanz

Prof. Dr. Thomas Elbert
Professor für klinische Psychologie und Neuropsychologie an der Universität Konstanz

Gewalterfahrungen hinterlassen nicht nur im mentalen Gedächtnis Spuren, sondern verändern die Systemdynamik des einzelnen Menschen, physiologisch, im Verhalten, Denken wie auch Fühlen. Von körperlicher Erregung begleitete Erfahrungen werden nämlich nicht wie in der Geschichtswissenschaft als vergangene Episoden einfach vermerkt, sondern sollen in Form von epigeneti schen, neuronalen und verhaltensmodifizierenden Systemänderungen den Organismus für künftige Gefahren fit machen. Wenn die gesamte Belastung zu hoch wird, ist eine Anpassung aber nicht mehr positiv möglich, es kommt zu seelischem Leid und Funktionsverlust, so dass Überlebende ihr Dasein in Zivilgesellschaften nicht mehr meistern können.

Die Narrative Expositionstherapie bietet hier Heilung: Der Patient erstellt mit Unterstützung des Therapeuten einen chronologischen Bericht über seine Lebensgeschichte mit Schwerpunkt
auf lebensbedrohenden Erfahrungen. Lückenhafte episodische Angaben zu den traumatischen Erlebnissen werden mithilfe der imaginativen Wiedererfahrung sensorischer, emotionaler, kognitiver, körperlicher Erinnerungen und deren Bedeutung in kohärente Lebensgeschichten überführt. Es kommt so zum Erkennen der eigenen Geschichte, einem Verständnis für das resulti erende eigene Verhalten und Gefühlsspektrum über den wertschätzenden therapeutischen Kontakt zu korrigierenden Beziehungserfahrungen und zu einer Würdigung der Person und ihrer Biographie in einer Gesamtschau.

Der Preis wurde am 13. Dezember 2016 im Rahmen der Leopoldina-Weihnachtsvorlesung offiziell verliehen.

Preisträger 2014

Verleihung des Weizsäcker-Preises an Ferdi Schüth am 16. Dezember 2014 in Halle (Saale) (Foto: Markus Scholz für die Leopoldina)
Foto: Markus Scholz für die Leopoldina

Professor Ferdi Schüth
Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr

In den vergangenen Jahren hat sich Ferdi Schüth besonders auf dem Gebiet der Energieforschung engagiert. Zu seinen Leistungen zählen Arbeiten zur Wasserstoffspeicherung, die Entwicklung eines Speichersystems bis zur Anwendungsreife, die Forschung zur Konversion von Biomasse und die Entwicklung neuer Materialien für Stromspeicher. Zudem forscht Ferdi Schüth an der Herstellung von Kraftstoffen und Chemikalien aus Biomasse wie Holz und Zellulose. Einen bedeutenden Durchbruch erzielte der Wissenschaftler bei der Herstellung von Methanol aus Erdgas mittels eines neuen Katalysators. Seine Forschungsergebnisse und Themen hat Ferdi Schüth immer wieder Politik und Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und verdeutlicht. Insbesondere die Herausforderungen für künftige Energiespeichertechnologien im Zuge der Energiewende hat er klar benannt und so vermittelt, dass sie auf breiter gesellschaftlicher Basis diskutiert werden. Unter anderem sprach Schüth im April 2011 als Experte bei der öffentlichen Anhörung der von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima eingesetzten Ethikkommission "Sichere Energieversorgung". 

Der Chemiker Ferdi Schüth zählt zu den international bekanntesten Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Katalyseforschung, einem interdisziplinären Forschungsgebiet, in dem untersucht wird, wie chemische Reaktionen in einer Vielzahl von Anwendungsbereichen optimiert werden können. Schüth hat unter anderem Hochdurchsatzverfahren entwickelt, mit denen schnell und effizient der am besten geeignete Katalysator gefunden werden kann. Dieses Verfahren ist weltweit etabliert und wird von vielen Unternehmen der chemischen und petrochemischen Industrie angewandt. 

Ferdi Schüth, Jahrgang 1960, studierte Chemie und Rechtswissenschaften an der Universität Münster. 1988 wurde er dort im Fach Chemie promoviert. Im Jahr danach legte Schüth sein erstes Staatsexamen der Rechtswissenschaften ab. In der Zeit von 1989 bis 1995 arbeitete er im Rahmen seiner Habilitation als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Anorganische und Analytische Chemie an der Universität Mainz und an der University of California in Santa Barbara (USA). 1995 nahm Schüth den Ruf auf eine C4-Professur für Anorganische Chemie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main an. Seit 1998 ist er Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr.

Preisträger 2012

Prof. Dr. Jürgen Baumert
Bildungsforscher und ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Berlin

Mit Jürgen Baumert wird ein Wissenschaftler ausgezeichnet, der in seiner Disziplin zu den bedeutendsten und einflussreichsten Vertretern im deutschsprachigen Raum gehört. Baumert hat im Bildungs- und Wissenschaftssystem Deutschlands zahlreiche Entwicklungen angestoßen. Ihm gelang es in den vergangenen zwei Jahrzehnten, die empirische Bildungsforschung als interdisziplinäres Arbeitsfeld mit neuen Methoden und Erkenntnissen zu etablieren und dieses Feld  zu einem starken Bereich in der wissenschaftsbasierten Politikberatung zu machen.

Nicht zuletzt seit er im Jahr 2000 Leiter der ersten PISA-Studie wurde, gilt er in der Öffentlichkeit als Nestor der Bildungsforschung in Deutschland. Evaluierungen und Analysen auf Basis der PISA-Ergebnisse führten zu zahlreichen Reformbemühungen in der deutschen Bildungspolitik, unter anderem in den Bereichen Verbesserung der Unterrichtsqualität, Lese- und Schreibförderung sowie der Integration von Kindern aus zugewanderten Familien. Jürgen Baumert setzte weitere Akzente, unter anderem durch die Lehrerstudie COACTIV und mehrere Studien zum Übergang der Schüler von der Grundschule zu den weiterführenden Schulen.

Preisträger 2009

Prof. Dr. Jens Reich
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, Berlin-Buch

Der Molekularbiologe und DDR-Bürgerrechtler Jens Reich, der wissenschaftliche Exzellenz mit politischem und persönlichem Mut verbunden hat. Reich hat sich kritisch mit der Genom- und Stammzellforschung auseinandergesetzt und sich immer wieder zu politischen Themen geäußert. "Jens Reich hat sich mit der Molekularbiologie und der Bioinformatik ein für einen Mediziner ungewöhnliches wissenschaftliches Arbeitsgebiet gewählt, auf dem er mit großer mathematisch-naturwissenschaftliche Kompetenz Bedeutendes geleistet hat", hieß es in der Laudatio. "Es gehörte in der DDR nicht nur politischer Durchblick sondern auch persönlicher Mut dazu, wenn man sich der Dissidentenbewegung anschloss. Jens Reich war wesentlicher Teil der ostdeutschen Revolution.