Handlungsempfehlungen an die Politik
MINT-LÜCKE SCHLIESSEN
Diese Handlungsempfehlungen an die Politik sind Ergebnisse eigener Analysen und zahlreicher Interviews mit Expertinnen und Experten aus Bildungseinrichtungen, Forschungsorganisationen, Initiativen, Unternehmen oder Verbänden im Rahmen unserer umfangreichen Programm- und Netzwerkarbeit.
Digitale und informatische Kompetenzen sind für das Berufsleben und für die gesellschaftliche Teilhabe essenziell. Ein eigenständiger und verpflichtender Informatikunterricht erhöht die Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe und wirkt dem IT-Fachkräftemangel entgegen. Die Kultusministerien der Länder sollten daher die Landesschulgesetze ändern und Stundentafeln anpassen, um Informatik als Pflichtfach in allen Schularten und Bundesländern einzuführen.
Das Risiko von Schülerinnen und Schülern, in Mathematik oder Naturwissenschaften nicht die Mindestanforderungen zu erreichen, liegt für Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte bis zu viermal höher als in der Vergleichsgruppe. Auch andere Merkmale des familiären sozio-ökonomischen Hintergrunds beeinflussen Schulerfolg sowie spätere Bildungsentscheidungen und Berufswahl. Die Kultusministerien der Länder sollten deshalb Roadmaps mit Maßnahmen, Verantwortlichkeiten und Ressourcen zur Stärkung von Teilhabe und Bildungserfolg bisher risikobehafteter gesellschaftlicher Gruppen aufsetzen und dabei die MINT-Fächer als potenzielle Aufstiegsfächer wieder stärken.
Studie von MINTvernetzt "Mehr Diversität in der MINT-Bildung" (PDF)
Mädchen haben aufgrund vorherrschender Stereotype und negativer Erfahrungen aus dem Unterricht gerade durch den Konkurrenzkampf mit Jungen häufig weniger Selbstvertrauen in ihre mathematischen Fähigkeiten. Erfahrungen und Erfolge in informellen und außerschulischen Settings können zu einer Steigerung dieses Selbstbewusstseins führen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Kultusministerien der Länder sollten daher außerschulische Maßnahmen zur Förderung von Mädchen in Mathematik fördern und für potenzielle Teilnehmerinnen sichtbarer und zugänglicher machen.
Es gibt eine Vielzahl erfolgreicher (außerschulischer) MINT-Bildungsprojekte, die einerseits schulische Defizite in der MINT-Bildung auffangen (zum Beispiel fehlender Informatikunterricht, Mangel an MINT-Lehrkräften) und andererseits einen hohen Beitrag zur MINT-Nachwuchsförderung leisten, indem sie Kinder und Jugendliche für MINT begeistern. Die für MINT-Förderung verantwortlichen Landesministerien und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sollen Konzepte zur Wirkungsmessung von Förderprojekten und Verstetigung erfolgreicher Projekte entwickeln sowie Projektlaufzeiten kritisch prüfen. Kompetenzen und etablierte Netzwerke, die während der Projektlaufzeiten entstehen, sollten im Sinne von Effizienz und Wirkungsorientierung der Fördermaßnahmen erhalten bleiben.
Ein MINT-Studium erscheint vielen jungen Menschen nicht ausreichend attraktiv. Mehr Studierende, insbesondere Frauen, könnten für MINT-Disziplinen gewonnen werden, wenn Innovationen in Studium und Lehre neue Inhalte und Wege der Wissensvermittlung ermöglichen. Dazu zählen der Einbezug gesellschaftlicher Fragestellungen, wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung, und flexible Studienmodelle. Die Wissenschaftsministerien der Länder sollten deshalb für Hochschulen Anreize schaffen, um innovative Formate von MINT-Angeboten an Hochschulen auszubauen und gleichzeitig regulatorische Hindernisse zum Beispiel bei Kapazitätsverordnungen und Akkreditierung abzubauen.
Für die Zukunftsfähigkeit des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorts Deutschland ist die Gewinnung internationaler Studierender in den MINT-Fächern unerlässlich. Gleichzeitig muss Deutschland für internationale Talente auch langfristig zum Leben und zum Arbeiten attraktiv sein. Dazu muss die Integration internationaler MINT-Studierender in Arbeitsmarkt und Gesellschaft gefördert werden. BMBF, BMWK, BMI, BMAS und Auswärtiges Amt sollten daher gemeinsam mit Hochschulen, Unternehmen und Zivilgesellschaft bestehende Maßnahmen zur Integration aufeinander abstimmen, systematisieren und bei Bedarf optimieren.
Um langfristig mehr MINT-Fachkräfte zu gewinnen, ist MINT-Förderung entlang der gesamten Bildungskette erforderlich. Regionale MINT-Netzwerke sind ein wesentlicher Hebel, Übergänge zwischen einzelnen Bildungsorten zu stärken und Talente ganzheitlich zu fördern. Die für MINT-Förderung verantwortlichen Landesministerien, das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Kommunen sollten deshalb Kooperationsstrukturen in den Regionen und Bildungsinstitutionen langfristig auf- bzw. ausbauen, finanzieren und ein Kooperationsgebot mit Praxispartnern in ihren Vereinbarungen mit Bildungs- und Wissenschaftsinstitutionen verankern.
Deutschland steht vor einer Trendwende beim Angebot von MINT-Fachkräften. Ist die Zahl der MINT-Fachkräfte in den letzten zehn Jahren um mehr als eine Million Personen gestiegen, droht im Status quo ein Rückgang – und das trotz wachsender Bedarfe und schon heute bestehender Fachkräftelücke. Um Verluste bei Wohlstand und Innovation zu verhindern, müssen Bundes- und Landesregierungen ihre Strategien zur MINT-Förderung besser verzahnen, den öffentlichen Bildungsbereich stärker für private Initiativen öffnen und Zuwanderung von (zukünftigen) MINT-Fachkräften erleichtern.
Kontakt

Dr. Pascal Hetze
leitet das Handlungsfeld "Kollaborative Forschung & Innovation" und das Fokusthema "MINT-Lücke schließen".
T 030 322982-506