Neue Radartechnologie für Autos

Nominiert für den Deutschen Zukunftspreis 2015

Das Autofahren ist in den letzten Jahrzehnten stetig sicherer geworden. Doch immer noch werden in Deutschland Jahr für Jahr etliche tausend Verkehrsteilnehmer schwer verletzt oder verunglücken tödlich. Wie lässt sich deren Zahl weiter senken? Die Antwort lautet: durch aktive Sicherheitssysteme, die selbsttätig eingreifen, wenn ein Unfall droht.

Deutscher Zukunftspreis 2015 - Team I (Radartechnologie für Autos)
Foto: Ansgar Pudenz/DZP
  • Dipl.-Ing. Ralf Bornefeld, Infineon Technologies AG, München/Regensburg (Sprecher des Teams)
  • Dr.-Ing. Walter Hartner, Infineon Technologies AG, München/Regensburg
  • Dr. rer. nat. Rudolf Lachner, Infineon Technologies AG, München/Regensburg

Die drei Forscher haben die Grundlage dafür geschaffen, dass sich solche Systeme kostengünstig herstellen lassen und so auch für Autos der Klein- und Mittelklasse rentabel werden. Sie schufen dazu zwei Innovationen: eine Fertigungstechnologie für Radarchips auf Basis von Silizium und Silizium-Germanium (SiGe) sowie eine Gehäusetechnologie dafür. Die drei Nominierten sind bei der Infineon Technologies AG tätig: Ralf Bornefeld leitet das Geschäftsgebiet Sensoren für Automobilanwendungen, Rudolf Lachner verantwortet die Entwicklung von siliziumbasierten Millimeterwellen-Technologien, Walter Hartner ist Projektleiter für die eWLB-Gehäusetechnologie. 

Eine Reihe von passiven Sicherheitssystemen, die seit den 1970er-Jahren schrittweise Einzug in Autos hielten – etwa ABS, Airbag und Seitenairbag – haben dazu geführt, dass die Zahl der Straßenverkehrsopfer kontinuierlich sinkt. Nun sollen aktive Systeme diese Entwicklung fortsetzen. Sie können Fußgänger erkennen, den „Toten Winkel“ überwachen, den Autofahrer bei zu geringem Abstand warnen oder sogar eine automatische Notbremsung durchführen – und lassen sich besonders gut mit Radarsensoren realisieren: Diese enthalten Mikrochips, die elektromagnetische Millimeter-Wellen im Frequenzbereich von 77 Gigahertz senden und empfangen. Fahrerassistenzsysteme mit Radar funktionieren bei Dunkelheit, schlechtem Wetter oder Gegenlicht sicher und zuverlässig. Allerdings waren Radarsysteme bislang so teuer, dass sich ihr Einbau nur für Fahrzeuge der Oberklasse lohnte.

Mit den beiden Innovationen haben die Infineon-Forscher das geändert. Als Material zur Herstellung der Halbleiterchips für Radarsensoren setzten sie statt des zuvor meist verwendeten Galliumarsenids auf Silizium und Silizium-Germanium. Damit lassen sich erprobte Fertigungstechnologien nutzen, die bei der Massenproduktion von Prozessoren und Speichern für Handys oder Computer seit Langem im Einsatz sind. Das senkt die Herstellungskosten von Radarsystemen deutlich – und ermöglicht eine höhere Integration: Die Sende- und Empfangsfunktionen des Sensors lassen sich nun in maximal zwei Radarchips zusammenfassen. 

Darüber hinaus passten die Forscher eine Gehäusetechnologie an die höheren Anforderungen im Hochfrequenzbereich des Radars an, die sich bisher nur für Anwendungen im Mobilfunk nutzen ließ. Mit der optimierten eWLB-Technologie (embedded Wafer-Level Ball Grid Array) kann Infineon die Radarchips vor der Auslieferung in ein robustes Gehäuse integrieren, das die weitere Verarbeitung beim Systemhersteller fürs Auto einfacher und billiger macht. 

Die Kombination beider Innovationen ist ein Durchbruch für das Radar im Automobilbereich. Sensoren für aktive Sicherheitssysteme lassen sich damit so kostengünstig herstellen, dass sie auch für Kleinwagenkäufer attraktiv sind. Wenige Jahre nach Einführung der neuen Fertigungs- und Gehäusetechnologie werden sie als Ausstattung für Fahrzeuge jeder Klasse angeboten. Preisgünstige Radarsensoren werden auch die Entwicklung von autonomen Fahrzeugen beflügeln, die ohne menschliches Zutun fahren, lenken und einparken können. Für die Sicherheit selbstfahrender Autos sind verlässliche aktive Systeme unerlässlich.

Die Radartechnologie hat eine große ökonomische Bedeutung: Experten des Marktforschungsinstituts Strategy Analytics schätzen, dass der Markt für Radarsensoren in den nächsten Jahren um rund 40 Prozent jährlich wachsen wird. Infineon wird davon – dank eines technologischen Vorsprungs gegenüber Mitbewerbern – ein großes Stück abbekommen. Das stärkt den Standort Deutschland, denn das Unternehmen hat hier nicht nur einen großen Teil von Forschung und Entwicklung angesiedelt, sondern auch die Fertigung der Radarchips. 

Das Projekt wurde vom Deutschen Patent- und Markenamt vorgeschlagen.