Flüssige Wasserstoffspeicher – Wegbereiter einer zukünftigen Wasserstoffgesellschaft

Nominiert für den Deutschen Zukunftspreis 2018

Energie aus erneuerbaren Quellen bietet die Chance auf eine klimaschonende Versorgung mit elektrischem Strom, Wärme und alternativen Kraftstoffen. Doch Energie aus Wind oder Sonnenlicht steht nicht immer zur Verfügung, wenn sie benötigt wird. Eine Lösung bieten Energiespeicher wie Wasserstoff, dessen Nutzung aber noch eine Herausforderung darstellt. Wie lässt sie sich meistern? Eine einfache und überzeugende Lösung fand das Forscherteam und stieß damit die Tür auf zu einer nachhaltigen Energiewirtschaft auf der Basis von Wasserstoff. Die Forscher entwickelten ein neues Konzept, Wasserstoff kostengünstig und sicher an eine gut zu handhabende Flüssigkeit zu binden – und bei Bedarf wieder zu entnehmen. Die Trägerflüssigkeit dient als "Pfandflasche" für Wasserstoff und die darin gespeicherte Energie.

Deutscher Zukunftspreis 2018: Team 3 (Foto: Ansgar Pudenz/DZP)
Foto: Ansgar Pudenz/DZP
  • Prof. Dr. rer. nat. Peter Wasserscheid, Forschungszentrum Jülich und Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Sprecher des Teams)
  • Prof. i.R. Dr.-Ing. Wolfgang Arlt, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
  • Dr.-Ing. Daniel Teichmann, Hydrogenious Technologies GmbH, Erlangen

 
Die Energiegewinnung aus regenerativen Quellen schont das Klima
und hat weltweit enormes Potenzial. Doch sie ist abhängig vom Wetter und von den örtlichen klimatischen Gegebenheiten. Deshalb steht oft nicht genug elektrischer Strom aus Wind oder Sonnenlicht zur Verfügung, während er zu anderen Zeiten im Überfluss vorhanden ist. Hinzu kommt, dass viele dünn besiedelte Regionen die besten Voraussetzungen für den Bau ertragreicher Windkraft- oder Solaranlagen bieten – ihr Strom aber in Ballungsräumen gebraucht wird. Energiespeicher können helfen, die Lücke zu schließen. Dafür eignet sich zum Beispiel Wasserstoff. Das leichte und unter gewöhnlichen Bedingungen gasförmige Element lässt sich durch Elektrolyse von Wasser mit Wind- oder Solarstrom erzeugen. Die derart im Wasserstoff chemisch gespeicherte Energie lässt sich bei Bedarf leicht zurückgewinnen – etwa in einer Brennstoffzelle, die wieder elektrischen Strom und als Nebenprodukt Wasser liefert. Bei der Energiespeicherung im Wasserstoff entsteht kein klimaschädliches Kohlendioxid. Eine Herausforderung ist aber, dass Wasserstoff unter Normalbedingungen nur eine geringe Energiedichte hat. Zum Aufbewahren und Transport wird der Wasserstoff daher bislang als Gas unter hohen Druck bis 700 bar gesetzt oder bei unter minus 250 Grad Celsius verflüssigt. Der Nachteil: Diese etablierten Speicherformen sind technisch aufwendig und teuer, da neue Infrastrukturen notwendig sind.

Eine Alternative dazu bietet das Konzept der drei nominierten Forscher: Um regenerativ erzeugten Wasserstoff sicher zu verwahren, wird er durch eine chemische Reaktion an eine organische Trägerflüssigkeit gebunden, aus der er sich durch eine umgekehrte Reaktion leicht wieder freisetzen lässt. Die Idee ähnelt dem Füllen und Leeren einer Pfandflasche, die danach für den nächsten Speicherzyklus bereitsteht. Die als "Liquid Organic Hydrogen Carrier" (LOHC) bezeichnete Trägersubstanz wird nicht verbraucht, sondern lässt sich nach jedem Wasserstoff-Speicherkreislauf wiederverwenden. Als ideale Trägerflüssigkeit erkannten die Forscher Dibenzyltoluol – einen Stoff, der bereits lange in der Industrie als ölartiger Wärmeträger dient und für seine Stabilität und ungiftigen Eigenschaften bekannt ist. Gewinnen lässt er sich aus Toluol, das heute in großen Mengen als Benzinbestandteil verbrannt wird.

Deutscher Zukunftspreis 2018: Still zum nominierten Team 2 (Foto: Ansgar Pudenz/DZP)
Foto: Ansgar Pudenz/DZP

 
Die von den Forschern entwickelte Wasserstoffspeichertechnologie bietet Vorteile für die stationäre Energiespeicherung, den Transport regenerativer Energie und neue Formen der Mobilität: Da sich die Trägerflüssigkeit problemlos wie ein heutiger Kraftstoff handhaben lässt, kann dafür die vorhandene und bewährte Infrastruktur an Tankschiffen, Kessel- und Tankwagen sowie Tankstellen genutzt werden. Weder der teure Aufbau einer neuen Versorgungsinfrastruktur ist nötig noch eine aufwendige Kühlung oder Kompression des Wasserstoffs.

Das Team hat das Stoffkonzept erarbeitet sowie die erforderlichen Katalysatoren, Apparate und Prozesse entwickelt. An Testanlagen belegte es die Machbarkeit und brachte die Technologie zur Marktreife. 2013 gründeten die Forscher die Hydrogenious Technologies GmbH. Das Unternehmen entwickelt, baut und vermarktet Infrastrukturlösungen für die LOHC-Technologie. Etliche Systeme sind bereits in Deutschland und anderen Ländern erfolgreich im Einsatz. Mittelfristiges Ziel ist es, die wasserstoffreiche Trägerflüssigkeit in Schiffen, Zügen, Lkws und Bussen direkt als emissionsfreien Treibstoff zu nutzen. Ein groß angelegtes Forschungsprojekt für einen sauberen Bahnantrieb auf Basis von LOHC läuft derzeit in Bayern. Das Marktpotenzial der neuartigen Speichertechnik ist groß, der Umsatz damit soll dank des großen weltweiten Interesses rasch steigen. Das wahre Leistungsvermögen der Innovation geht aber weit darüber hinaus: Die LOHC-Technologie schafft die Grundlage dafür, Wasserstoff auf der ganzen Welt als sauberen Energieträger zügig zu etablieren – für Strom, Wärme und Verkehr. Die Vision einer erneuerbaren Wasserstoffgesellschaft rückt dadurch ein großes Stück näher.