Es herrscht zwar nicht der „Muff von tausend Jahren“ – doch scheinen viele Hochschulen, was die Digitalisierung angeht, zumindest in den 90er-Jahren steckengeblieben zu sein. Das Potenzial des „weltweit“ im World Wide Web werde zu wenig erkannt, monieren Svenja Bedenlier und Olaf Zawacki-Richter in einer aktuellen Studie des Hochschulforums Digitalisierung zur Rolle digitaler Medien in den Internationalisierungsstrategien deutscher Unis und FHs: Ein international ausgerichteter Internetauftritt? Sehen Hochschulen gerade noch als notwendig an. Die Webpräsenz zeitgemäß in eine Internationalisierungsstrategie einbinden, oder gar Geld und Personal dafür bereitstellen – das mache fast keiner, schreiben die Autoren weiter. Dass es Unis wie Fachhochschulen so schwer fällt, die losen Enden „digital“ und „international“ zu verknüpfen, liegt nach Ansicht von Experten auch daran, dass man gewachsenen Strukturen von Forschung und Lehre lange unangetastet gelassen hat, und nun versucht, digitale Angebote gleichsam „aufzupropfen“.
Lernorte
Weltoffen im Web

Der Weg ins Netz

Einen fundamental anderen Weg ging die FH Lübeck, die zu den Siegern des Strategiewettbewerbs „Hochschulbildung und Digitalisierung“ des Stifterverbandes zählt. „Unser erster Weg führte 1997 nicht in die Netze, sondern in die Netzwerke“, betont Rolf Granow, Direktor des Instituts für Lerndienstleistungen der Fachhochschule. Den vermeintlichen Nachteil – eine recht kleine FH im abgelegenen Nordosten Deutschlands zu sein – wandelten sie in einen Vorteil. „Wir haben von Anfang an darauf gesetzt, die Grenzenlosigkeit des Internet zu nutzen, um neue Zielgruppen zu erschließen“, sagt der Professor.
Studierende organisieren sich digital
Vor allem beeindruckte Granow die Fähigkeit zur Selbstorganisation der internationalen Studierenden, die sich während des ganzen Studiums nur drei Mal physisch gesehen hätten. „Sie haben ihre ganze Zusammenarbeit und ihren Austausch selber über das Netz organisiert.“ Die FH habe lediglich die technische Umgebung angeboten – die Studenten aber sonst an der langen Leine gelassen. „Sie haben sich so gegenseitig bereichert. Ihre Lernergebnisse waren immer besser als in homogenen Gruppen.“
Mit diesen methodischen Erfahrungen will die FH Lübeck ihre Fühler nun noch weiter gen Osten ausstrecken: Hierbei hat Rolf Granow die Türkei, Indien – oder ein Land wie China im Blick, mit dem die Schleswig-Holsteiner bereits gemeinsame Studiengänge durchführen. „Mit innovativen digitalen Formaten die Mittelschicht in diesen Ländern erschließen“, lautet Granows Marschrichtung.

Digitale Bildung
