Future Skills · Lernorte

Raumlabore – Möglichkeitsräume auf dem Campus

Blick in ein Raumlabor an der Technischen Universität Berlin
UNIversalräume an der TU Berlin (Foto: Stifterverband)
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Die neue Bildungswelt ist bereits da, auch wenn sie bislang noch eher weniger ins Raumkonzept der meisten deutschen Hochschulen und Universitäten passt.

Ersteres zeigt der Blick nach Lüneburg. Auf dem Campus der Universität schieben Studierende Tische, Stühle und Bildschirme auf Rollen quer durch einen großen sonnenüberfluteten Raum. Sie stellen sich gerade individuelle Lerninseln zusammen.

Der Raum gehört zu den „Transformations::Räumen für zukunftsorientiertes Lernen“. Es ist ein Raumlabor-Ensemble, das die Leuphana Universität, die Dieter Schwarz Stiftung und der Stifterverband in einer ausgedienten Ladenzeile gleich neben der Bibliothek ermöglicht haben. Das Raumlabor ist ein Experimentierraum. Hier werden neue Lehr- und Lernarchitekturen und -methoden ausprobiert.

Bereits das eigenständige Zusammenstellen des Mobiliars wird hier zum Teil des Lernprozesses. Die Studierenden erfahren, wie sie den Raum mitgestalten können, was die Studierendenpartizipation fördert und stärkt. So entsteht Raum für Kreativität und die Entwicklung eines Gemeinschaftsgefühls.

Poster Trafos Video
Poster Trafos Video (Foto: Stifterverband)
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Video: Transformationsräume in Lüneburg

Im klassischen Hörsaal ist das Mobiliar dagegen oft am Boden festgeschraubt und zwingt die Studierenden mehr oder weniger in den Blick nach vorne. Hier lässt sich so gut wie nichts verrücken, verschieben oder gestalten. Solche starren Raumstrukturen zu durchbrechen, verlangt viel Energie und Kulturarbeit.

Die fehlt aber vielerorts. Das belegte 2021 das „Hochschul-Barometer" des Stifterverbandes. Demnach herrschen an den meisten deutschen Hochschulen und Universitäten weiter jene tradierten Raumstandards vor, die wiederum den Fortbestand herkömmlicher Bildungsformate und Lernkulturen fördern. Es fehlt an Personal sowie planerischen und finanziellen Ressourcen, um alte Hörsäle in neuartige Lernräume zu verwandeln.

Das ist ein Problem, wenn sich Zukunftskompetenzen wie Kollaboration, die Fähigkeit, Probleme zu lösen, Kreativität und Kommunikation im starren Hörsaal nur schlecht vermitteln lassen.

Umso wichtiger ist es, dass sich Hochschulen und Universitäten miteinander vernetzen und ihr Wissen teilen. Genau das ist ein zentrales Ziel der Initiative „Raumlabore“, die die Dieter Schwarz Stiftung und der Stifterverband im Juli 2022 gestartet haben. Die Initiative förderte bundesweit fünf Hochschulen mit jeweils 100.000 Euro, die einen verfügbaren Raum im Altbestand als vorbildliches Raumlabor umgestaltet und darin mit Lehr- und Lernformaten experimentiert haben.
 

„Wir haben in leeren oder rudimentär eingerichteten Räumen begonnen. Und wir konnten trotzdem feststellen, dass die Räume bereits ab einer sehr frühen Entwicklungsphase funktionieren.”

Porträt Annette Schöneck, Lüneburg
Annette Schöneck (Foto: Stifterverband)
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Annette Schöneck
Referentin für Entrepreneurship und Leiterin des Lüneburger Projekts

Die fünf Raumlabore sind

  • das schon erwähnte Ensemble „Transformations::Räume für zukunftsorientiertes Lernen“ an der Leuphana Universität in Lüneburg,
  • die „UNIversalräume -- Dynamische Systeme in Lehr- und Lernraumarchitekturen“ (eine Kooperation der TU Berlin mit der UdK Berlin),
  • das „Ancient Sciences Innovation Lab“ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz,
  • das „Flexible Skills Lab Architecture“ der Universität zu Lübeck sowie
  • das „THI-Learning LabVR“ der Technischen Hochschule Ingolstadt.

Carlotta Esser leitet die Förderinitiative beim Stifterverband. Sie betont, wie wichtig es ist, Räume nicht nur in ihrer architektonischen, sondern insbesondere auch in ihrer sozialen Dimension wahrzunehmen. An der Leuphana Universität hat das Projektteam das Raumlabor auf diese Art und Weise zielgruppenorientiert entwickeln können. „Wir haben unser Experiment zum Teil in leeren oder ganz rudimentär eingerichteten Räumen begonnen. Und wir konnten trotzdem feststellen, dass die Räume bereits ab einer sehr frühen Entwicklungsphase funktionieren“, sagt Annette Schöneck, Referentin für Entrepreneurship und Leiterin des Lüneburger Projekts.

„Denn noch wichtiger als die infrastrukturelle Ausstattung sind die Menschen, die bereit sind mitzuexperimentieren, die sich diese Räume aneignen und die Räume auf eine gewisse Zielsetzung hin nutzen“, sagt Schöneck weiter. Und dann könne man beobachten, wie die Räume sich dieser Nutzung anpassten.

Shift from Teaching to Learning nennen das Fachleute: Der Raum soll nicht mehr wie bei der Vorlesung die reine wissensbasierte Lehre unterstützen, sondern architektonisch die lern- und kompetenzorientierte Lehre.

UNIversalräume Berlin -Blich auf eine Arbeitsgruppe
Foto: Stifterverband
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Eine Arbeitsgruppe im Raumlabor an der TU Berlin
Raumlabor an der Leuphana
Foto: Stifterverband
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Blick in einen Transformationsraum an der Leuphana Universität

Kultur der Partizipation

In den UNIversalräumen der TU Berlin und UdK Berlin setzte das Team ebenfalls stark auf Teilhabe. „Wir versuchen hier nicht nur eine neue Lern- und Forschungskultur zu etablieren, sondern auch eine neue Kultur der Partizipation“, erklärt Johannes Pointner, Lernarchitekturagent der UNIversalräume. Von Anfang an wurde deshalb das Raumlabor, das in einem alten Bibliotheksraum untergebracht ist, mit und vor allem von jenen gestaltet, die ihn nutzen.

Interessant ist in diesem Raumlabor, dass sich hier Studierende, Lehrende und Forschende sehr unterschiedlicher Disziplinen und Herkünfte mischen. Sie gestalteten und bauten die meterhohen rollbaren Trennwände, ein flexibles Aufbewahrungssystem für allerlei Technikequipment oder eine praktische mobile Stromversorgung kurzerhand selbst.

Das flexible Equipment und eine große Auswahl an digitalen, technischen Möglichkeiten helfen dabei, dass das Team mit allen Beteiligten der UNIversalräume eine Multifunktionalität im Raum ausprobieren und evaluieren kann. Hier findet alles gleichzeitig statt: Lehre, Forschen, Projektarbeit, Gruppenarbeit, Selbstlernen. Selbst die Öffentlichkeit wird über Veranstaltungen miteinbezogen.

Universalräume Berlin
Foto: Stifterverband
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Video: Universalräume in Berlin

Die Erkenntnisse aus den fünf Raumlaboren werden selbstverständlich geteilt. Monika Zöller-Engelhardt, Projektleiterin des Ancient Sciences Innovation Lab und Akademische Oberrätin für Ägyptologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, bringt es auf den Punkt: „Unser Raumlabor soll nicht als isoliertes Leuchtturmprojekt dastehen, sondern hat eine Skalierbarkeit auf verschiedenen Ebenen. Das heißt, alles, was wir hier im Ancient Sciences Innovation Lab ausprobieren und experimentell versuchen, lässt sich wunderbar adaptieren.“

Cover Publikation Studierendenpartizipation
Foto: Stifterverband
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Studierende und die Gestaltung von Lernräumen

Die Verantwortlichen in den fünf Raumlaboren geben ihre Erkenntnisse weiter, wie die partizipative Lernraumgestaltung mit Studierenden gelingen kann. Das Handbuch teilt und beschreibt Methoden – vom niedrigschwelligen Community Lunch über einen digitalen Zwilling des Raumlabors bis hin zum Persona-Workshop. Hier wird beschrieben, wie Masterthesen und eine Vision für das Raumlabor gemeinsam entwickelt werden können.

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