Frau Sterley, warum ist das Thema Nachhaltigkeit so wichtig für Sie?
Das liegt einerseits an unserem Selbstverständnis als Anlagen- und Maschinenbauer. Ingenieurinnen und Ingenieure sind immer davon getrieben, die nächste Generation eines Produktes energie- beziehungsweise ressourceneffizienter zu machen. Wir haben uns im letzten Jahr zum Thema Nachhaltigkeit eine neue Strategie gegeben, die die Frage beantwortet, wo wir als Unternehmen im Jahr 2026 stehen wollen. Haben wir dann noch Produkte, die wir verkaufen können? Was verlangt unser Kunde? Am Ende der Wertschöpfungskette stehen die Verbraucherinnen und Verbraucher, die heute Abend einkaufen und mehrheitlich eine ganz klare Meinung dazu haben, wie sie sich ernähren wollen – nämlich nachhaltiger. Unsere Kunden bedienen diese Nachfrage. Im Supermarkt geht es um Vertrauensbildung. Glaube ich, was auf der Verpackung steht, oder ist das nur Marketing? Unsere Kunden möchten authentisch sein. Dazu müssen die Unternehmen nachhaltig agieren. Für uns folgt daraus: Auch wir müssen nachhaltigere Produkte liefern.
Future Skills
„Nachhaltigkeit braucht einen ganzheitlichen Ansatz“

„Wir arbeiten im Nachhaltigkeitsbereich an sehr vielen Aufgaben und Projekten. Um dabei möglichst schnell und effektiv voranzukommen, sind wir darauf angewiesen, dass die gesamte Organisation das Thema lebt.“

Ist der Maschinen- und Anlagenbau ein Kristallisationspunkt beim Kampf gegen den Klimawandel?
Die Lebensmittelproduktion ist eine der energieintensivsten Industrien weltweit. Das gilt auch für die pharmazeutische Industrie. Wenn wir es schaffen, den Energiebedarf in diesen und anderen Bereichen auf das absolute Minimum zu begrenzen, liegt hier ein signifikanter Hebel. Und das gilt für den gesamten Maschinen- und Anlagenbau. Deshalb sehen wir uns als die Treiber des Wandels. Schon heute haben wir das Ingenieurs-Know-how und die Technologie, den Klimawandel aufzuhalten und die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu limitieren. Es ist nur eine Frage des Preises. Sind wir bereit, dafür Geld auszugeben?
Sie leiten eine relativ frisch aufgestellte Nachhaltigkeitsabteilung. Wie zentral sind Sie ins Unternehmen eingebunden?
Wir haben alle Nachhaltigkeitsaktivitäten des Konzerns in einer zentralen Abteilung gebündelt, um das Thema professionell und weltweit stringent anzugehen. Wir stellen auf diese Weise sicher, dass der ganze Konzern dieselben Zielvorgaben umsetzt. Meine Aufgabe ist es, das Thema Nachhaltigkeit in jede Fachabteilung, in jeden einzelnen Job zu integrieren. Ich berichte direkt an unseren CEO, der sich ebenfalls sehr für Nachhaltigkeit engagiert.
Das heißt, alle im Unternehmen müssen jetzt eigentlich irgendwie umdenken?
Ja, alle Kolleginnen und Kollegen sind am Ende des Tages wichtig, um das große Ganze zu erfüllen. Sie brauchen kreative Leute im Unternehmen, die mit Ihnen gemeinsam Implementierungsarbeit leisten. Und damit meine ich auch die Fähigkeit, andere zu überzeugen und gemeinsame Resultate zu erzielen.
Nehmen Sie die neue EU-Taxonomie im Rahmen des Green Deal, die definiert, was grüne Wirtschaftsaktivitäten sind. Wir sind als Unternehmen seit dem letzten Jahr verpflichtet, unseren Umsatz, unsere Investitionsausgaben und unsere Betriebsausgaben in nachhaltig und nicht nachhaltig zu klassifizieren. Das bedeutet für uns zum Beispiel, dass die Finanzabteilung mit den Produktentwicklerinnen und Produktentwicklern gemeinsam daran arbeiten muss, das zu klassifizieren. Es müssen fachbereichsfremde Kolleginnen und Kollegen mit völlig unterschiedlichen Hintergründen an einem Thema zusammenarbeiten und auf einen Nenner kommen.
„Wir freuen uns über Bewerbungen von Absolventinnen und Absolventen mit speziell auf Nachhaltigkeit zugeschnittenen Studienrichtungen. Aber diese Bewerberinnen und Bewerber sind rar und sehr gefragt. Ich glaube, dass die Hochschulen hier noch viel mehr machen könnten.“

Was muss ein Ingenieur oder eine Ingenieurin heute mitbringen, um für GEA an Innovationen mitzuwirken und das Thema Nachhaltigkeit voranzubringen?
Als Erstes müssen sie eine intrinsische Motivation für das Thema mitbringen, was bei Ingenieurinnen und Ingenieuren ohnehin der Fall ist. Darüber hinaus geht es heute auch darum, den holistischen Blick einzunehmen. Nachhaltigkeit braucht einen ganzheitlichen Ansatz. Ich komme noch einmal auf das Beispiel Innocent zurück. Wenn ich dem Kunden nur eine Maschine liefere, die energieeffizienter ist, dann hat das nur eine begrenzte Wirkung, weil andere Maschinen in diesem Prozess immer noch genauso viel Energie benötigen. Wenn Sie sich aber die gesamte Prozessanlage anschauen und sich fragen, was geändert werden muss, damit sie als Ganzes energieeffizienter wird, dann haben Sie einen viel größeren Hebel. Das ist etwas, woran wir gemeinsam sehr intensiv mit unseren Kunden arbeiten. Denn das gehört auch zur Transformation. Wir müssen uns öffnen und permanent mit dem Kunden und dem Prozess in Kontakt sein. Das gilt auch für Lieferanten. Je mehr ich den Prozess verbessern will, desto mehr muss ich sie mit einbinden, denn von dort bekomme ich ja die Rohmaterialien und Vorprodukte.
Bilden Hochschulen heute schon die Nachwuchskräfte aus, die Sie für die Transformation brauchen? Oder gibt es Verbesserungsbedarf?
Es gibt erste Studiengänge und einzelne Hochschulen, die das Thema Nachhaltigkeit beispielsweise in der Finanzwelt und beim Thema Nachhaltigkeitsmanagement aufgreifen und Studierende entsprechend ausbilden. Wir freuen uns über Bewerbungen von Absolventinnen und Absolventen mit speziell auf Nachhaltigkeit zugeschnittenen Studienrichtungen. Aber diese Bewerberinnen und Bewerber sind rar und sehr gefragt. Ich glaube, dass die Hochschulen hier noch viel mehr machen könnten. Ich denke auch, dass wir uns generell die Frage stellen müssen, wie gut zukünftige Fachkräfte in Deutschland für die reale Berufspraxis ausgebildet werden. Ich kann Ihnen mein Beispiel nennen. Ich bin Rechtsanwältin. In meinem juristischen Studium habe ich alles gelernt, nur nicht, wie ich einen Mandanten oder eine Mandantin zielgerichtet berate. Ich glaube, in allen Studiengängen gibt es solche Beispiele. Insofern lautet die Antwort: Ja, da ist Nachholbedarf. Die Praxisnähe fehlt zu häufig.
Mit Ihrer Expertise bei GEA: Hätten Sie einen Tipp für andere Unternehmen, wie man das Thema am besten angehen kann?
Sie brauchen ein Topmanagement, das den Weg gehen will. Ich bin sehr stolz darauf, dass unser Vorstand und die gesamte Führung des Unternehmens von der Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit überzeugt sind und eine Vorbildfunktion einnehmen wollen. Diese Überzeugung, dass Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert hat, strahlt in die gesamte Organisation aus. Wenn der einzelne Mitarbeiter oder die einzelne Mitarbeiterin in der Produktion spürt, dass er beziehungsweise sie einen wertvollen Beitrag leistet, weil er oder sie gerade den energieeffizienteren Separator herstellt und damit einen positiven Beitrag für unsere Kunden leistet, dann haben Sie eigentlich alles erreicht.
Vielen Dank für das Gespräch.
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Kompetenzen für Nachhaltigkeit
Der Stifterverband begleitet die Transformation in Wirtschaft und Wissenschaft und trägt dazu bei, dass Hochschulen und Unternehmen nachhaltiger agieren und die dazu notwendigen Kompetenzen frühzeitig an junge Menschen vermittelt werden. Wie er dabei agiert und welche Schwerpunkte er setzt, lesen Sie hier.
