Oliver Bucher muss tief hinabsteigen in die Katakomben eines ifm-Werks, um zu zeigen, wie die neue Arbeitswelt in der Praxis aussieht. Der IT-Experte ist beim Sensorenhersteller verantwortlich für das Thema Industrie 4.0 und steht jetzt im Keller unter der Fabrikhalle. Hier sind die Heizungs- und Lüftungssysteme untergebracht. Bucher bleibt neben einem unscheinbaren Kästchen stehen: „Wenn diese Pumpe ausfällt, steht hier die Produktion zwei Tage lang still.“ Und dann zeigt Bucher auf Kabel, die aus der Pumpe ragen. „Sie führen zu Sensoren, die permanent die Schwingungen der Pumpe überprüfen.“ Sobald es zu Abweichungen kommt, schlägt der Fühler Alarm, sodass Mechaniker rechtzeitig eingreifen können, bevor es zum Totalausfall kommt.
Für ifm ist diese moderne Technik gleich doppelt bedeutsam: Erstens stellt die Firma ihre eigene Fertigung nach und nach um – und zweitens produziert sie selbst genau solche Sensoren, die für die Industrie 4.0 nötig sind: Strömungssensoren, die Wasser- und Luftbewegungen messen, gehören genauso zum Sortiment wie Füllstandssensoren, lasergesteuerte Abstandsmesser – und Tausende weitere Produkte. „Als wir auf die moderne Produktion umstellten, hatten manche Mitarbeiter natürlich auch Berührungsängste“, erinnert sich Oliver Bucher. Der IT-Fachmann programmierte kurzerhand eine Anwendung, mit der jeder die Vorteile selbst erleben konnte. Er stattete das Fahrradhäuschen vor den Toren des Werks mit einem Sensor aus und jedes Fahrrad mit einem kleinen Chip. Wer mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, wird automatisch erfasst – die fleißigsten Radler bekommen Preise. „Vom ersten Tag an“, sagt Bucher und schmunzelt, „gab es in den einzelnen Abteilungen Wetten darauf, wer wohl gewinnt.“ Täglich loggen sie sich in das Industrie-4.0-System ein, um den aktuellen Punktestand zu kontrollieren, und machen sich so ganz nebenbei mit der Software vertraut.
Im Hauptwerk von ifm in Tettnang gibt es auch noch eine Handvoll klassischer Arbeitsbereiche: In einer Fabrikhalle sitzen dicht nebeneinander Arbeiter, die in Handarbeit einzelne Drähte zusammenlöten. Auch hier wird derzeit Schritt für Schritt automatisiert. „Wir bauen die gesamte Produktion konsequent um“, sagt Bernd Hausler, der Produktionsleiter. Man brauche künftig weniger niedrig qualifizierte Mitarbeiter, aber dafür mehr Informatiker, Facharbeiter, Ingenieure – das sei der Trend. Viele Mitarbeiter werden deshalb für komplexere Aufgaben weitergebildet oder für den Umgang mit den neuen Maschinen geschult. „Für manche hat die Welt, die sie seit Jahrzehnten kannten, einen Riss bekommen“, räumt Hausler ein. Aber gekündigt habe ifm keinem einzigen Kollegen, und das werde auch so bleiben: „Wir schaffen dank der Automatisierung eine gewaltige Produktivitätssteigerung“, sagt Hausler. Die gleiche Zahl von Mitarbeitern, heißt das, stellt jetzt viel mehr her als früher – deshalb können auch alle an Bord bleiben.