Die präklinische Biomedizin hat ein Qualitätsproblem, sagt Ulrich Dirnagl. Der renommierte Schlaganfall-Forscher von der Berliner Charité hat Hunderte Fachveröffentlichungen zu Schlaganfall und Krebs untersucht und ist zu alarmierenden Erkenntnissen gekommen: Die Studien-Ergebnisse sind oftmals nicht reproduzierbar, Protokolle sind lückenhaft, wichtige Daten nicht verfügbar. Es gibt Mängel im Design und der Auswertung von experimentellen Studien, wie zum Beispiel das Fehlen von randomisierter (also zufallsgesteuerter) Versuchsgruppen-Zuordnung, fehlende oder fehlerhafte Anonymisierung („Verblindung“). Hinzu kommen niedrige Standards im "Reporting", also den Dingen, die bei einer Publikation angegeben werden müssen. Es gibt - so Dirnagl - eine starke Tendenz zur Veröffentlichung von nur scheinbar vielversprechenden Resultaten. In der Folge würden oft aufwendige klinische Prüfungen begonnen, deren (negatives) Ergebnis bei Durchführung von präklinischen Studien hoher Qualität eigentlich vorhersehbar gewesen wäre.
Innovationssystem
„Wir produzieren zu viel Forschungsmüll“

Ulrich Dirnagl zu Gast bei "Forschergeist"
„„Wissenschaft ist auf Vertrauen gebaut. Es gibt bei uns keinen anderen Bereich in der Gesellschaft, wo sie nur deshalb, dass sie Mitglied einer Profession sind, für sich reklamieren können, dass man ihnen trauen muss.““
Forschergeist
Forschergeist ist der Podcast des Stifterverbandes zu den Themen Bildung und Forschung. Er bietet Einblicke in die Arbeit von Wissenschaftlern und versucht auszuloten, was Forschergeist ausmacht: Neugier, Ausdauer und Mut. Moderiert wird der Podcast von Tim Pritlove (Metaebene Personal Media). Das Handout zur Sendung gibt es hier als PDF.
Forschergeist ist über alle üblichen Podcast-Verzeichnisse abonnierbar (zum Beispiel iTunes) und auch direkt im Webplayer zu hören.
Zur Person
Ulrich Dirnagl ist Arzt und leitet seit 1999 die Klinik für experimentelle Neurologie an der Charité Berlin. Seit 2013 ist er auch für das DZNE in Berlin aktiv und koordiniert den Aufbau von Strukturen zur Durchführung klinischer Studien. Innerhalb seiner Forschungsgruppe untersucht er die Mechanismen und möglichen Behandlungsansätze für vaskuläre Demenzen. Dirnagl wurde zehn Jahre lang von der Hermann und Lilly Schilling-Stiftung im Rahmen ihres Programms für kliniknahe Grundlagenforschung "Neurowissenschaften in der Klinik" im Rahmen einer Stiftungsprofessur gefördert.
