Ein Spielplatz in Berlin-Mitte. Kolja jagt die Rutsche herunter, dicht gefolgt von Max. Beide landen im Sand, rollen sich lachend darin herum, rasen weiter zum Klettergerüst. Sie ziehen sich nach oben, lassen sich fallen. Weiter geht es. Noch scheint es, als hätten die beiden die gleichen Chancen, ein erfolgreiches Leben zu führen, einen guten Job und Freunde zu finden, irgendwann vielleicht eine Familie zu gründen. Die beiden Jungen wohnen im selben Bezirk, gehen in die gleiche Kita, werden vielleicht auch noch dieselbe Schule besuchen. Doch es ist ziemlich wahrscheinlich, dass sich spätestens danach ihre Wege trennen werden.
Am Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Berlin sitzt die Psychologin Julia Tetzner in ihrem Büro. Fünfter Stock, ein in die Jahre gekommener Altbau im Baustellen- und Partybezirk Friedrichshain. Sie spricht von Risikofaktoren, die das Leben von Kolja weniger erfolgreich verlaufen lassen dürften als das von Max, der ohne große Widrigkeiten aufwächst. Koljas Mutter ist arbeitslos. Sein Vater stirbt bei einem Autounfall, als er zehn ist. Das Geld zu Hause ist knapp. All das lässt erwarten, dass er aus der Bahn geworfen werden wird, schulisch und beruflich nicht sehr weit kommt, mit Stress und Konflikten schlecht umgehen kann, seine Beziehungen deshalb leicht in die Brüche gehen. Wahrscheinlich. „Aber es könnte ganz anders kommen und auch sein Leben könnte eine positive Entwicklung nehmen“, sagt die Wissenschaftlerin.