Die Westfälische Wilhelms-Universität und die Fachhochschule Münster bieten gemeinsam das Bachelor- und Masterprogramm für das Berufsziel Lehramt an Berufskollegs an. Die beruflichen Fachrichtungen, wie beispielsweise Bautechnik oder Gesundheitswissenschaft/Pflege, werden an der Fachhochschule, die allgemeinbildenden Fachrichtungen, wie beispielweise Deutsch oder Mathematik, an der Universität gelehrt. Die bildungswissenschaftlichen beziehungsweise berufspädagogischen Anteile werden kooperativ von beiden Hochschulen eingebracht.
Der chronische Mangel an Lehrkräften in Berufskollegs beziehungsweise an beruflichen Schulen war die Grundlage für die Entscheidung in Münster, den Aufbau von Ausbildungskapazitäten für die berufliche Lehramtsausbildung voranzutreiben. Universität und Fachhochschule waren dabei auf eine Kooperation angewiesen, denn ohne die fachlichen Ressourcen des jeweils anderen konnte das Lehramt an Berufskollegs von keinem der beiden Partner umgesetzt werden: die Universität mit einer langen Tradition und einem breiten Angebot in der Lehrerbildung, jedoch ohne die für das Lehramt an Berufskollegs notwendigen technischen Fachrichtungen; die Fachhochschule mit forschungsstarkem Ingenieurs- und Technikprofil, jedoch ohne Erziehungswissenschaft und allgemeinbildende Fachrichtungen sowie ohne die formale Berechtigung, Studiengänge und -abschlüsse für das Lehramt anzubieten. Erst die Zusage des seinerzeit zuständigen Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen zu einem Modellversuch ermöglichte eine kooperative Lehramtsausbildung unter Einbeziehung der Fachhochschule. Im Wintersemester 2001/02 konnten die ersten Studierenden eingeschrieben werden.
Der Kooperationswille beider Hochschulen wurde bereits frühzeitig über eine vorbehaltliche Finanzierungszusage unter Beweis gestellt: Nachdem circa zwei Jahre nach Einführung die Finanzierung des Modellversuchs durch das Wissenschaftsministerium aufgrund fehlender Mittel nicht mehr gesichert war, haben die beiden Hochschulen die Kosten übernommen. Mit Ende des Modellversuches gingen die geschaffenen Strukturen und Angebote in die reguläre Haushaltsfinanzierung über.
Die Zusammenarbeit beider Hochschulen im Bereich der Lehramtsausbildung für Berufskollegs zieht sich inhaltlich und organisatorisch durch Lehre, Forschung und Verwaltung: In der Lehre gibt es ein gemeinsam verantwortetes Veranstaltungsangebot im Bereich der Bildungswissenschaften mit gemeinsamen Prüfungen, partnerschaftlichen
curricularen Entwicklungen und Revisionen, Evaluationen und Akkreditierungszuarbeiten. Auch im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung, in der die Westfälische Wilhelms-Universität Münster mit dem Projekt Dealing with Diversity: Kompetenter Umgang mit Heterogenität durch reflektierte Praxiserfahrung erfolgreich war, ist die Fachhochschule beteiligt. Das Projekt zielt darauf ab, die Vorbereitung angehender Lehrkräfte auf einen produktiven Umgang mit Schülerheterogenität von Beginn des Studiums an durch reflektierte Praxiserfahrungen zu verbessern.
Hierzu sollen – unter Berücksichtigung vor Ort bereits vorhandener einschlägiger Projekte und Einrichtungen – gezielte Maßnahmen in struktureller und curricularer Hinsicht gebündelt, weiterentwickelt, systematisch evaluiert und auf eine größere Zahl von Disziplinen ausgeweitet werden. Diese Maßnahmen betreffen in einer integrativen Perspektive die Fachwissenschaften, die Fachdidaktiken, die Bildungswissenschaften und die Praxiselemente gleichermaßen. Um Kompetenzen im Umgang mit Heterogenität und Inklusion erwerben zu können, sind praxisbezogene Elemente im Studium sowie Theorie und Praxis verbindende Strukturen notwendig; nur so kann handlungsrelevantes Wissen aufgebaut werden. Dabei profitiert auch die Fachhochschule von der Stellenausstattung und zwar in Form einer Promotionsstelle, welche den Blickwinkel auf die Thematik Inklusion in der beruflichen Bildung richtet. In der Verwaltung schließlich finden enge Abstimmungen mit Zulassungs- und Prüfungsämtern statt, um eine gemeinsame Abwicklung hinsichtlich der Einschreibung und Zeugniserstellung sicherzustellen.
Diese weitreichende Spanne der Kooperation zahlt sich in der Außenwirkung gegenüber Studierenden, Schulen, Ministerien und weiteren Akteuren aus und befördert nicht zuletzt auch das Miteinander unter den Professoren. Auch die Zusammenarbeit mit der Berufsbildungspraxis erfolgt in kooperativer Form. Die jüngste Entwicklung betrifft die Planung und Durchführung einer regelmäßigen Konferenz für Schulleiter, die von der Inhaberin der Professur für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Berufspädagogik an der Universität federführend initiiert wurde. Aktuell werden auch die Abschlussfeiern gemeinsam durchgeführt.
Das Lehramt an Berufskollegs kann in Münster in zwei Varianten studiert werden: In der Mehrzahl wird eine berufliche Fachrichtung der Fachhochschule mit einem allgemeinbildenden Fach der Universität kombiniert. Daneben besteht auch die Möglichkeit, zwei allgemeinbildende Fachrichtungen der Universität zu kombinieren.
Folgende Fachrichtungen stehen zur Auswahl:
Neben dem Studium der berufsbildenden beziehungsweise allgemeinbildenden Fachrichtungen ist das Studieren der Bildungs- und Erziehungswissenschaften Pflicht. Die Bildungswissenschaften werden von der Universität und der Fachhochschule kooperativ angeboten. Die Fachhochschule hat weiterhin die fachdidaktische Forschung und Lehre der beruflichen Fachrichtungen übernommen und diese aus eigenen Mitteln mit Professuren ausgestattet. Der Bereich Deutsch für Schüler mit Zuwanderungsgeschichte wird für alle Studierenden von der Universität durchgeführt. In Kooperation beider Hochschulen werden anteilig die Module für die Bildungswissenschaften konzipiert und angeboten. Hier werden gemeinsam Klausuren oder andere Prüfungsformen mit jeweiligen Anteilen durchgeführt und gemeinsam Noten erteilt. Anschließend an das für das Lehramt an Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschulen verpflichtende bildungswissenschaftliche Modul zur Berufsorientierung und Schulsozialarbeit werden auch im Lehramt an Berufskollegs Lehrveranstaltungen zur Berufsorientierung angeboten.
Grundsätzlich unterliegen die unterschiedlichen Fachrichtungen im Lehramt an beiden Hochschulen unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen. Abhängig vom Fach sind Numerus Clausus, Praxisnachweise oder spezielle Eignungs-/Zugangsprüfungen erforderlich. Die Bewerbung lief deshalb zunächst je Fach über die verantwortliche Hochschule, das hieß zwei Bewerbungen an zwei Hochschulen für einen Studiengang. Inzwischen koordiniert die Universität das Bewerbungs- und Zulassungsverfahren zentral, die Fachhochschule meldet zu jedem neuen Semester die Zulassungsvoraussetzungen und Kapazitäten an die Universität. Studieninteressierte bewerben sich nur noch über das Bewerbungsportal an der Universität Münster. Studierende schreiben sich mit Zulassung zum Studium an beiden Hochschulen ein.
Auch wenn ein Teil des Studiums an der Fachhochschule erfolgt, ist die Fachhochschulreife für ein Lehramtsstudium nicht ausreichend – jedenfalls nicht auf direktem Wege. Generell wird für das Lehramtsstudium die allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife vorausgesetzt. Alternative ist ein erfolgreich abgeschlossenes Studium einer Fachhochschule. Der Fachhochschulabschluss verleiht gleichzeitig die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung und ermöglicht auf diesem Wege auch das Studium zum Lehramt an Berufskollegs.
Die doppelte Verantwortung beider Hochschulen zieht sich durch bis zum Abschluss: Studierende erhalten sowohl im Bachelor als auch im Master ein gemeinsames Zeugnis beider Hochschulen.
Die gemeinsame Gradverleihung mit zwei Siegeln bestätigt insbesondere die gleichrangige Kooperation zwischen Universität und Fachhochschule. Die Organisation der Prüfungsverwaltung erfolgt durch Universität und Fachhochschule. Die Fachhochschule erstellt das Bachelorabschlusszeugnis, in dem auch die Anteile der Universität enthalten sind, das Masterzeugnis wird durch die Prüfungsämter der Universität – auch für die Fachhochschulanteile – erstellt.
Hochschulinterne Strukturen – Universität
Seitens der Universität Münster ist die kooperative Lehrerbildung im Institut für Erziehungswissenschaft (IfE) am Fachbereich 06 Erziehungswissenschaft und Sozialwissenschaften verankert. Das IfE bietet innerhalb der Universität übergreifend für alle Lehrämter das Fach Erziehungswissenschaft beziehungsweise Erziehungswissenschaft in den Bildungswissenschaften an. Dabei umfasst das Spektrum folgende Lehrämter: Lehramt Grundschule, Lehramt Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschule, Lehramt Gymnasium und Gesamtschule sowie Lehramt an Berufskollegs. Die Lehrämter werden zugleich über lehramtsübergreifende Modulangebote curricular miteinander vernetzt.
Das IfE ist angesichts der vorliegenden Arbeitsbereiche und fachlichen Schwerpunkte/Expertisen in Forschung und Lehre breit aufgestellt. Neben der Geschäftsführung und dem Institutsvorstand ist das IfE über nach innen gerichtete, feste Gremienstrukturen gut organisiert, sodass die für die Lehrerbildung relevanten Themen und Fragen kontinuierlich und systematisch zusammengeführt werden. Darüber hinaus wurde im Fachbereich 06 eine Geschäftsstelle Bildungswissenschaften eingerichtet, welche unter anderem alle im Zusammenhang mit dem Fach Bildungswissenschaften zu bearbeitenden gemeinsamen Aufgaben der beteiligten Anteilsdisziplinen und Institutionen koordiniert. Dort ist zugleich ein Beratungsbüro als erste Anlaufstelle für alle Lehramtsstudierenden bei Fragen zu den erziehungs- beziehungsweise bildungswissenschaftlichen Anteilen eingerichtet. Über die Einrichtung einer in der Geschäftsstelle angesiedelten Koordinierungskommission Bildungswissenschaften (siehe unten) findet zudem ein kontinuierlicher curricularer Austausch zwischen allen beteiligten Anteilsdisziplinen an der Universität statt. In dieser Kommission sind auch das Institut für berufliche Lehrerbildung (IBL) der Fachhochschule sowie das Zentrum für Lehrerbildung (ZfL) vertreten.
Im IfE findet man zugleich die direkten Ansprechpartner zum Lehramt an Berufskollegs; hier ist die Studiengangsleitung und -entwicklung fachbereichsübergreifend in enger Zusammenarbeit mit allen lehramtsbezogenen Professuren angesiedelt. Die Studiengangsleitung ist unter anderem Ansprechpartnerin für die Fachstudienberatung und fachliche Anerkennung von extern erbrachten Studienleistungen sowie für die Abstimmung des Lehrangebotes mit dem IBL. Darüber hinaus ist sie federführend in die curriculare Weiterentwicklung des Lehramts an Berufskollegs an der Universität eingebunden. Die Tätigkeiten erfolgen einerseits in enger Abstimmung mit der Geschäftsstelle Bildungswissenschaften (siehe unten) sowie mit dem Servicebüro Erziehungswissenschaft am IfE, andererseits mit den zuständigen Personen am IBL der Fachhochschule. Ebenso findet eine curriculare Absprache zum lehramtsübergreifenden und lehramtsspezifischen Angebot mit den weiteren, an der Lehrerbildung mitwirkenden Professuren am IfE statt. Als Mitglied der Koordinierungskommission Bildungswissenschaften steht sie zugleich in engem fachlichen Austausch mit den die Bildungswissenschaften insgesamt konstituierenden Anteilsdisziplinen und Institutionen (unter anderem Psychologie, Soziologie).
Hochschulinterne Strukturen – Fachhochschule
An der Fachhochschule Münster ist die kooperative Lehrerbildung ebenfalls in einem Zentrum institutionalisiert, dem Institut für berufliche Lehrerbildung (IBL). Das Institut wurde im Jahr 2001 mit Einrichtung des Modellstudiengangs gegründet und ist die zentrale Einrichtung für alle Fragen der Lehramtsausbildung an der Fachhochschule Münster. Es berät und betreut Studierende und am Studium interessierte Personen und gibt Studierenden an der Fachhochschule einen festen institutionellen Bezugspunkt. Das IBL ist innerhalb der Fachhochschule für die Koordination und Zusammenführung der sechs für Lehrerbildung relevanten Fachbereiche verantwortlich. Es ist eine den Fachbereichen gleichgestellte Einrichtung der Hochschule, mit eigenen Professuren und eigenem Etat. Diese Form der Institutionalisierung der Lehrerbildung als fachwissenschaftliche Einrichtung an der Fachhochschule Münster macht ein gleichrangiges Agieren möglich und verschafft der Fachhochschule im Kooperationsgefüge ausreichend Sichtbarkeit – sowohl in die eigene Hochschule hinein als auch nach außen, gegenüber der Universität, der Politik und der Wissenschaftslandschaft insgesamt. Die Fachhochschule Münster setzt ihre aktive Rolle als Mitgestalterin und Mitausrichterin des kooperativen Studienangebotes mit dem IBL institutionell um und versteht sich somit nicht als reiner Zulieferer zu einem universitären Studiengang.
Der Lehramtsausbildung an der Fachhochschule Münster liegt eine Vereinbarung des Instituts für Berufliche Lehrerbildung und aller beteiligten Fachbereiche der Fachhochschule zugrunde, welche die gemeinsame Planung, Organisation und Durchführung der beruflichen Fachrichtungen für das Studium des Lehramtes an Berufskollegs regelt: Das IBL ist mit nach innen gerichteten, festen Gremienstrukturen, insbesondere in die Fachbereiche der Hochschule hinein, organisiert. Mittels verschiedener Organe führt das IBL die für Lehramtsausbildung relevanten Akteure der Fachhochschule zusammen. In Vorstands- und Ausschussstrukturen finden auf diese Weise fachbereichsübergreifend die Koordinierung und Beschlussfassung von beispielsweise Lehrveranstaltungen, Studien- und Prüfungsordnungen statt. Daneben wird auch gemeinsam über die Weiterentwicklung von Rahmenvorgaben für die beruflichen Fachrichtungen und über die Förderung der Lehrerbildung als Aufgabe der Fachhochschule in ihrer internen und externen Kommunikation diskutiert.
Hochschulübergreifende Gremien
Als gemeinschaftliche Aufgabe tragen die beiden Hochschulen Sorge für Studiengangsaufbau, -organisation, -entwicklung und -marketing. Hierzu sind hochschulübergreifende Gremienstrukturen etabliert, welche die jeweiligen Akteure (Hochschulleitung, Professoren, Studiengangs- und Bereichsleitung, Studienberatung und Prüfungsämter) vernetzen. Zu den wichtigen fachlichen Gremien gehören:
Weitere Kooperationsfelder innerhalb der Lehramtsausbildung für Berufskollegs sind die Zusammenarbeit in der Steuergruppe Praxissemester am Zentrum für Lehrerbildung der Universität, in der Berufsbildungspraxis beispielsweise die bereits erwähnte gemeinsame Schulleiterkonferenz oder der gemeinsame Dialog mit der Politik.
Die gemeinsame Lehramtsausbildung für Berufskollegs ist in einer Kooperationsvereinbarung zwischen der Universität und der Fachhochschule Münster geregelt, in welcher die Planung, Organisation, Durchführung und Evaluation von gemeinsamen konsekutiven Studiengängen im Bereich der beruflichen Schulen vereinbart sind. Sie setzt den Rahmen zur Gestaltung des Lehrangebots, und legt Verfahren zu Bewerbung, Zulassung und Einschreibung, Verfahren zur Festlegung von Studienplatzzahlen, Regelungen zu Gradverleihung, Datenaustausch, Finanzierung sowie gemeinsame Gremien fest. Mit Auslaufen des Modellversuchs und der Förderung durch das Land ist die Finanzierung der Studienangebote in die Haushaltsfinanzierung der Hochschulen übergegangen. Die Kooperationsvereinbarung zwischen den Hochschulen zur gemeinsamen Durchführung des Lehramts an Berufskollegs regelt, dass die jeweilige Finanzierung über die eigene Institution abgewickelt wird und keine Verrechnungen zwischen den Partnern erfolgen.
Gemeinsam werben die Hochschulen zusätzliche Mittel für ihre Arbeit ein, mit dem Ziel der Steigerung der Qualität der Lehramtsausbildung und dem Kompetenzaufbau an beiden Hochschulen. Auf diese Weise konnten an beiden Hochschulen Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter beziehungsweise Promotionsstellen eingerichtet werden. Dies setzt neue Impulse für gemeinsame Anträge.
Die Kooperation zwischen den beiden Hochschulen hinsichtlich der beruflichen Lehramtsausbildung findet ihren Niederschlag in den Hochschulverträgen beziehungsweise entsprechenden Sondervereinbarungen mit dem Land. Die leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM) erfolgt entsprechend der Anzahl der Absolventen der Studiengänge. Der Bereich der beruflichen Lehramtsausbildung profitiert ebenso wie alle anderen auch von Hochschulpaktmitteln und vom Landesprogramm für den Ausbau der Masterstudienplätze.
Mehrwert für die Hochschulen in Lehre und Forschung
Studierende profitieren qualitativ und quantitativ
Mehrwert für den Arbeitsmarkt